Viele Unternehmen sammeln Datenberge, ohne große Vorteile daraus zu ziehen. Sinnvoller wäre, Naheliegendes und seit Jahren Vorhandenes gezielter auszuwerten. [...]
Dass diese ganze Big-Data-Geschichte noch nicht so reibungslos läuft, wie es die Theorie und die gut an dem Hype verdienenden Anbieter versprechen, wurde Anfang Februar mal wieder durch eine ebenso schlichte wie intelligente Frage deutlich.
Gestellt wurde sie von Helmut Krcmar auf den Hamburger IT-Strategietagen. Der Professor für Wirtschaftsinformatik an der TU München moderiert die Veranstaltung gemeinsam mit CIO-Chefredakteur Horst Ellermann. Die Frage lautete: „Warum wird mir im Internet noch wochenlang nach dem Kauf eines Rollkoffers Rollkofferwerbung angezeigt?“
Vermutlich hatten sich fast alle Zuhörer im Saal diese Frage schon mal gestellt. Entsprechend gespannt waren sie auf die Antwort.
Die dann wenig befriedigend ausfiel: „Die Technologien werden immer besser, aber wir sind hier noch in den Anfängen“, sagte Daniel Keller, CIO des Axel Springer-Verlags.
VIELES IST AUCH OHNE BIG DATA MÖGLICH
Targeting, das Aufzeichnen, Speichern und Sortieren jener Spuren, die Millionen von Kunden und potentiellen Kunden bei ihrer Reise durch das Internet hinterlassen, ist eine klassische Big Data-Anwendung. Wobei das Prinzip an sich älter ist als der Begriff.
„Noch in den Anfängen zu sein“ bedeutet deshalb weniger, dass die Macher erst in der vergangenen Woche angefangen haben. Sondern es heißt, dass auch nach jahrelangen Bemühungen datengetriebene Businessmodelle nicht so einfach funktionieren wie ein Zigarettenautomat, in den wir oben passendes Geld einwerfen und unten kommt genau das gewünschte Ergebnis – sprich die richtige Packung – heraus.
Die Sache mit dem Rollkoffer liegt vermutlich an der unter Maschinen weit verbreiteten „Algorithmusschwäche“, also aus der Unfähigkeit, aus vielen gesammelten Informationen die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Davon abgesehen sind es vor allem zwei Gründe, die dazu führen, dass Unternehmen nicht oder nicht genug von Big Data profitieren. Der erste: Sie kommen mit Hilfe von Datenanalyse zu Ergebnissen, die sie auch mit nicht ganz so big Data hätten haben können.
VIELES NICHT IN DER PRAXIS UMSETZBAR
Die Harvard Business Review berichtet in diesem Zusammenhang von einem Finanzdienstleister, der mit Hilfe großer Datenmengen Modelle entwickelt hatte, mit denen sich der beste Platz für das Aufstellen von Geldautomaten ermitteln lässt. Nachdem sie damit fertig waren, stellten die Verantwortlichen durch einen Hinweis fest, dass es solche Modelle bereits seit Jahren gibt…
Der zweite: Big Data produziert Ergebnisse und Ideen, die sich aus was für Gründen auch immer in der Praxis nicht umsetzen lassen. So hatte ein großer US-Einzelhändler bei einem Modellversuch festgestellt, dass die Verkäufe ansteigen, wenn man ein Sonderangebotsprodukt schon eine Weile vor seiner Verbilligung in die Regale räumt und auch noch dort lässt, wenn der Angebotspreis nicht mehr gilt.
Um diesen Grundsatz aber in sämtlichen Filialen zu verwirklichen, hätte das Unternehmen seine gesamte Lieferkette umkrempeln müssen. Das wollte beziehungsweise konnte man nicht. Also war am Ende die Datenanalyse an dieser Stelle nutzlos.
Es geht nicht darum, möglichst aufwändig und umfangreich Daten auszuwerten und sich anschließend zu überlegen, was man damit machen will. Sondern darum, vorhandenes Wissen statt Bauchgefühl zur Grundlage von Entscheidungen zu machen.
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