Warum IT-Entscheider kündigen

Falsche Versprechungen, veränderte Rollen - CIOs ergreifen aus verschiedenen Gründen die Flucht. Ein Trend, der sich durch die Digitalisierung noch verstärken könnte. [...]

Darum ziehen Chief Information Officer die Reißleine. Oder werden entfernt. (c) pixabay
Darum ziehen Chief Information Officer die Reißleine. Oder werden entfernt. (c) pixabay

Nachdem er als Chief Information Officer die digitale Transformation der American Cancer Society erfolgreich abgeschlossen hatte, wollte sich Jay Ferro im Jahr 2016 beim Internet Service Provider EarthLink neuen Herausforderungen stellen. Dort fungierte er ebenfalls als CIO, aber auch als Chief Product Officer – verantwortete also nicht nur die IT, sondern hatte auch den Hut in Sachen Produktstrategie auf. Gemeinsam mit dem damaligen CEO Joe Eazor erarbeitete Ferro eine „Turnaround“-Strategie.

Nachdem EarthLink im Zuge einer Übernahme mit Windstream verschmolzen wurde, bekam Ferro eine Rolle in der neu entstandenen Firma angeboten – allerdings ohne Zuständigkeit für die Produktstrategie. Er lehnte das Angebot ab und wurde CIO beim Übersetzungsdienstleister TransPerfect. „Die Richtung, in die sich das Unternehmen entwickeln wollte, war für mich schlicht nicht mehr interessant“, erklärt Ferro seine Entscheidung.

KOMMT DIE GROSSE CIO-FLUCHT?

Im Schnitt wechseln Chief Information Officer alle vier Jahre das Unternehmen. Und wie im Fall von Jay Ferro sind es oft groß angelegte strategische Veränderungen oder Rollenwechsel, die zum Abgang eines CIO führen. Die IT-Entscheider gehen aber auch aus anderen Gründen: Etwa, weil sie die Freigabe für das benötigte Budget nicht bekommen oder weil sie das Gefühl haben, die strategische Ausrichtung des Unternehmens setzt die falschen Schwerpunkte. Manche CIOs kommen auch einfach nicht mit der Unternehmenskultur zurecht oder bekommen ihren Job schlicht nicht auf die Reihe.

Unternehmen legen im Zuge der digitalen Transformation einen Zahn zu – es ist also nur logisch, dass sich auch das CIO-Karussell deutlich schneller dreht, wenn ein Entscheider die Transformation nicht gestemmt bekommt. Dafür gibt es (noch) keine empirischen Beweise, was aber auch daran liegen könnte, dass viele Firmen derzeit noch dabei sind, ihre Digitalstrategien auszuformulieren. Viele CIOs können also noch gar nicht wirklich an der Digitalisierung scheitern.

Dass sich das künftig ändern könnte, stellt Chris Patrick, CIO Practice Group Leader bei Egon Zehnder in Aussicht: „Der Job wird immer härter und immer komplexer. Technische Skills alleine reichen schon lange nicht mehr aus – Geschäftssinn und Führungsqualitäten sind mindestens ebenso wichtig für den Erfolg.“

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7 GRÜNDE FÜR DEN CIO-ABGANG

Es ist also eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, in diesen Zeiten als CIO tätig zu sein. Wir nennen Ihnen sieben gute Gründe, warum Chief Information Officer das Handtuch schmeißen – oder zwangsweise substituiert werden.

1. Hybrid-Rollen

Einige Unternehmen trennen „digital“ und „enterprise“, indem sie einen Chief Digital Officer anheuern. Andere vertrauen sowohl für die Digitalisierung, als auch für das klassische IT Management auf den Chief Information Officer. Gerade diese 2-in-1-Rollen sind lukrativ. Und hochriskant: Ist der CIO erfolgreich, ist der Weg zu größeren Aufgaben geebnet – scheitert er, ist er weg vom Fenster.
Chris Patrick bringt die Herausforderung für nicht wenige CIOs auf den Punkt: „Viele kommen aus der traditionellen Enterprise IT und sollen jetzt Produkte und Programme liefern, mit denen sie im Laufe ihrer bisherigen Karriere nicht notwendigerweise in Berührung gekommen sind.“

2. Nicht erfüllte Erwartungen

Die Schwächen eines manchen Chief Information Officers werden erst offenbar, wenn der Zeitplan vor dem Zusammenbruch steht. Zum Beispiel wenn der CEO eher in sechs bis acht Wochen Ergebnisse erwartet, statt in sechs bis zwölf Monaten. Solche unrealistischen Erwartungen können dazu führen, dass CIOs scheitern und von selbst gehen oder die Tür gezeigt bekommen.

„Ob gerechtfertigt oder nicht“, meint Patrick, „die Person, auf deren Mist die technologische Roadmap und Strategie gewachsen ist, muss die Verantwortung übernehmen.“

3. Bürokratische Widerstände

Unüberwindbare Change-Widerstände sind ein weiterer, wesentlicher Grund dafür, dass CIOs ihre Sachen packen. Matt Aiello, Partner bei Heidrick & Struggles, erzählt von einem seiner Kunden, der einen Job als CIO aufgegeben hat, weil die bürokratischen Hürden innerhalb des Unternehmens jeden schnellen Wandel im Keim erstickt haben: „Es verhielt sich ungefähr so: Das Unternehmen wollte nach eigener Aussage ein Tesla Model S fahren, verhielt sich aber eher, als stünde es auf einem Skateboard – bleierne Füße im agilen Zeitalter.“

4. Strategische Nicht-Ausrichtung

Einige Chief Information Officer kehren ihrer Firma den Rücken, weil ihre Definition von digitaler Transformation nicht mit der des Unternehmens in Einklang steht. Einige sehen Digitalisierung einfach als eine Art Spiel, mit dessen Hilfe man Kundenbindung und Gewinn steigern kann, andere sehen den digitalen Wandel als Weg zu sinkenden Kosten und steigender prozessualer Effizienz.

Ein CIO der zu Ersterem tendiert, aber zu Letzterem angehalten ist, wird sich nach neuen Job-Möglichkeiten umsehen – davon ist Matt Aiello überzeugt: „Sie sollten schon während des Vorstellungsgesprächs aufmerksam zuhören. Die ersten 60 Tage im Unternehmen sollten Ihnen dann ganz genau zeigen, was auf Sie zukommt.“

5. Vom Lockmittel zur Falle

Es kommt vor, dass CIOs mit dem Versprechen gelockt werden, den digitalen Wandel umzusetzen. Auf einmal ist dann aber alles anders. Gerry McNamara ist Global Managing Director beim HR-Dienstleister Korn Ferry und gibt bereitwillig ein Beispiel aus der Praxis. Dort hatte ein Gastronomie-Unternehmen einen Chief Information Officer eingestellt, mit dem Versprechen, er könne die digitale Transformation vorantreiben.

„Der CIO machte einen guten Job und brachte die veralteten IT-Systeme auf Vordermann. Nachdem der CIO also die Grundlage gelegt hatte, verpflichtete der CEO allerdings einen Chief Digital Officer für die Durchsetzung der digitalen Agenda. Der CIO warf das Handtuch – er wollte nicht dabei zusehen, wie das Unternehmen digitale Produkte mit seinem Budget, seinen Leuten und seiner Infrastruktur auf den Weg bekommt.“

6. Stagnation

Nach Meinung von Chris Patrick sind einige CIOs schon viel zu lange im Amt: „Die Kunden sagen immer, sie wollen jemanden, der diese Position für zehn Jahre ausfüllt. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, wieso man jemanden dort für zehn Jahre belassen sollte. Denn die IT-Organisation kann unter der immer gleichen Führung in die Stagnation abgleiten – insbesondere wenn die betreffenden Führungskräfte keinerlei Interesse daran haben, ihr Wissen an die Jungen weiterzugeben um so langfristig für Nachwuchs zu sorgen.“

7. Job Hopping

Auf der anderen Seite tun sich aber auch CIOs, die nur zwischen 12 und 24 Monaten in einem Unternehmen durchhalten, keinen Gefallen. Schließlich könnte das den Eindruck erwecken, dass sie entweder kein Durchhaltevermögen besitzen oder nicht mit Kollegen zurechtkommen.

Natürlich weiß Chris Patrick an dieser Stelle auch, welche Zeitdauer ein Chief Information Officer für seine Tätigkeit in einem Unternehmen veranschlagen sollte: „Ein Zeitraum von vier bis fünf Jahren gibt dem CIO genug Zeit, um den Change voranzutreiben, stabilisierende Maßnahmen zu ergreifen und ihn letztlich erfolgreich umzusetzen.“

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Publikation CIO.

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*Clint Boulton schreibt für die CIO.com und Florian Maier beschäftigt sich für die computerwoche.de mit vielen Themen rund um Technologie und Management


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