Was Analysten zur IT-Service-Hochzeit des Jahres sagen

Zwei Sterbende, die sich stützen? Vernunftehe eines alternden Liebespaars? Oder doch der große gemeinsame Aufbruch in den Markt für Digitalisierungsservices? Lesen Sie, was Analysten über die Fusion von CSC und der Dienstleistungssparte von HP Enterprise denken. [...]

Der IT-Dienstleister CSC und Hewlett-Packard Enterprise (HPE) haben vor wenigen Tagen angekündigt, die Servicesparte von HPE mit CSC zusammenzulegen. CSC zahlt an HP Enterprise 8,5 Milliarden Dollar für einen Unternehmensbreich, der zu einem Gutteil aus Assets des IT-Dienstleisters EDS besteht. HP hatte ihn 2008 für stolze 14 Milliarden Dollar übernommen.

Der Handel ist als „Reverse Morris Trust“ strukturiert, HPE und CSC werden jeweils 50 Prozent am kombinierten Unternehmen halten. Bis Ende März 2017 soll die Verschmelzung abgeschlossen sein. Neben der Übertragung von Aktien und Barmitteln an HPE und seine Aktionäre hat sich CSC auch verpflichtet, für die nächsten drei Jahre weiter IT-Equipment von HPE zu kaufen, um so die Bestandskunden wie bisher zu versorgen. Damit behält HPE vorerst einen wichtigen Vertriebskanal für seine IT-Infrastruktur und Softwarelösungen.

Mike Lawrie, seit 2012 Chef und Sanierer von CSC, wirddurch die Übernahme der IT-Services-Unit von HPE ein mehr als doppelt so großes Reich regieren. (c) Computerwoche.de

CSC-Boss Mike Lawrie wird das gemeinsame Unternehmen als CEO, President und Chairman führen. HPE-Chefin Meg Whitman erhält einen Sitz im Verwaltungsrat, der sich ansonsten zu gleichen Teilen aus Interessenvertretern beider Konzerne zusammensetzen wird. HPE bezeichnete die Fusion als „nächsten logischen Schritt“ auf dem Weg zum Turnaround, nachdem in den letzten Jahren Umsatz- und Ergebnisentwicklung stark gelitten hatten. Erst vor wenigen Monaten hatte Hewlett-Packard sein Drucker und PC-Geschäft in die HP Inc. abgespalten. Auch CSC hatte sich im November 2015 zweigeteilt. Der Dienstleister lagerte sein traditionell starkes Geschäft mit US-Behörden in das Joint Venture CSRA aus, das gemeinsam mit dem Wettbewerber SRA gegründet worden war.

Mit der Vermählung von CSC und der Servicesparte von HPE entsteht nun einer der größten „reinen“ IT-Dienstleister. Nachdem sich Dell von seiner Servicesparte getrennt und diese an NTT Data verkauft hatte, gibt es mit IBM und Fujitsu nur noch zwei Allrounder am Markt, die IT-Equipment und Dienstleistungen aus einer Hand bieten.

Im Laufe der vergangenen Woche haben sich etliche Analysten zu Wort gemeldet, um diese Elefantenhochzeit zu kommentieren. Wir haben die interessantesten Aussagen zusammengetragen.

FORRESTER RESEARCH: CUI BONO?
Der Deal findet in einer Konsolidierungsphase des Marktes statt, in der Cloud-basierte Delivery-Modelle und damit neue Provider-Typen aufkommen, konstatiert Bill Martorelli, Analyst von Forrester Research. Für ihn ist die Schlüsselfrage, welche Vorteile sich für Kunden ergeben, die sich auf den Weg der digitalen Transformation begeben haben und nun auf einen IT-Dienstleister treffen, der erst einmal mit sich selbst beschäftigt ist. Neben der internen organisatorischen Herausforderung sei das Duo im IT-Servicemarkt mit zwei ungünstigen Trends konfrontiert: Low-cost-Anbieter aus Offshore-Regionen wie Indien verderben nachhaltig die Preise, außerdem haben derzeit Provider mit einem klaren Cloud-Fokus Vorteile.

Positiv ist laut Forrester die Führungsrolle von CSC-Chef Mike Lawrie zu sehen, der in seiner Amtszeit seit Anfang 2012 einiges bei CSC bewirkt hatte – darunter die Aufteilung des Konzerns. Der Zusammenschluss mit der HPE-Sparte werde sich aber nur dann auszahlen, wenn es dem CEO gelinge, das fusionierte Unternehmen in Richtung Cloud Computing und hocheffzientes Outsourcing zu transformieren. Generell seien Skaleneffekte im IT-Servicemarkt kein Thema mehr, da die Vertragsvolumina stark schrumpften und der Rahmen für Projekte viel enger gesteckt werde. Überzeugender sei heute eine „zwingende Value Proposition“, die dem Kunden helfe, sein Wachstum anzukurbeln.

Kaum ist das Drucker- und PC-Geschäft abgespalten, widmet sich HPE-Chefin Meg Whitman dem IT-Service-Business. (c) Computerwoche.de

Die Transaktion kombiniert nach Meinung des Forrester-Manns zwei IT-Service-Provider, die sich nach langer Talstrecke langsam Richtung Turnaround bewegen. Beide haben sich unter dem Einfluss sinkender Umsätze neu geordnet. Laut Forrester ist es allerdings weder HPE noch CSC gelungen, die Auftragsbücher vollständig von unprofitablen Deals zu bereinigen, von denen es im IT-Outsourcing-Markt reichlich gebe.

Beide Kundenbasen haben einen schwierigen Weg hinter sich: Die Service-Delivery war nicht immer problemlos. Insbesondere die Massenentlassungen bei HP/HPE haben viele Kunden ratlos zurückgelassen. Kommt es jetzt zu weiteren „Synergiemaßnahmen“, dürfte das kaum Begeisterungsstürme hervorrufen. Natürlich stellt sich auch die Frage, inwieweit die jeweiligen Kulturen zueinander passen. Wie wichtig das ist, musste Hewlett-Packard im Laufe der EDS-Integration schmerzhaft erfahren: „Industrie-Insider und einige Kunden haben HPs Übernahme von EDS im Jahre 2008 als legendäre Katastrophe in Erinnerung“, erinnert Martorelli. Sicher, das sei zu einer anderen Zeit mit einem anderen Management und unter anderen Umständen geschehen. Aber Probleme seien auch diesmal nicht auszuschließen, da wohl erneut Entlassungen anstehen und die Wettbewerber ihre Chance wittern.

CHANCEN MIT AWS- UND AZURE-PROJEKTEN
Interessant wird die Beantwortung der Frage, wie die beiden Partner im Cloud-Markt vorankommen wollen, ohne ein eigenes Public-Cloud-Offering zu haben. Forrester glaubt durchaus, dass sich signifikante Chancen im Umfeld von Public-Cloud-Infrastrukturen wie denen von Amazon Web Services (AWS) oder Microsoft ergeben können – wenngleich mit geringerem Umsatzpotenzial. Beide Unternehmen haben teils leidvolle Erfahrungen im Bereich Public Cloud gemacht und werden kaum mit AWS oder Microsoft konkurrieren wollen. Die Cloud-Strategien der beiden Unternehmen aufeinander abzustimmen, wird eine der wichtigsten Aufgaben.

Gelegenheiten sollten sich auch durch die Kompetenz im SAP-Umfeld ergeben. HPE gehört zur Gruppe der exklusiven, weltweit aufgestellten SAP-Partner, die sowohl die Infrastruktur für SAPs Hana Enterprise Cloud liefern als auch die Anwendungen betreuen können. Dieses Status wird nun auf das gesamte Unternehmen übergehen. Damit kann sich Lawrie nun überlegen, welche im Zuge der Neuaufstellung von CSC eingegangenen Partnerschaften künftig noch nötig sind. Auf der Kippe stehen könnte beispielsweise ein 2014 mit HCL eingegangenes Abkommen, in dessen Rahmen gemeinsam Legacy-Transformation-Services angeboten werden.

Chancen ergeben sich möglicherweise auch durch den Druck vieler Kunden, ihre digitale Transformation voranzutreiben. Lawrie nennt das vereinte Unternehmen in einem Video als „einzigartig positioniert“, um Unternehmen in die digitale Zukunft zu begleiten. Doch zwei IT-Outsourcing-Schwergewichte machen noch kein digitales Powerhouse, und das kombinierte Unternehmen hat sicher viel Arbeit vor sich, um sich hier als Leader zu positionieren. Derzeit machen die „Next Generation Offerings“ nur drei Milliarden Dollar vom kombinierten 26-Milliarden-Dollar-Umsatzkuchen aus. Der Markt, in den die beiden wollen, ist zudem stark fragmentiert. Hier spielen traditionelle Systemintegratoren, Agenturen, Customer-Experience-Spezialisten, Infrastruktur-Management-Provider und andere eine Rolle.


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