Die meisten Unternehmen stehen in puncto künstliche Intelligenz noch ganz am Anfang. Den Wertbeitrag ihrer KI-Initiativen zu ermitteln, fällt ihnen schwer. Experten empfehlen, mit kleinen Projekten zu beginnen und die Erwartungen nicht zu hoch anzusetzen. [...]
Wie lässt sich der Erfolg von KI-Projekten messen? Die Antwort fällt vielen Entscheidern schwer. Zeitersparnisse von Mitarbeitern oder finanzielle Effekte lassen sich in der Regel nicht ohne weiteres prognostizieren. KI-Analysen sind komplex, ebenso die zugrunde liegenden Konzepte wie etwa neuronale Netzwerke. Vielen Organisationen fehlt zudem noch das Know-how, um Initiativen im Bereich Künstliche Intelligenz realistisch zu planen.
Nach aktuellen Erhebungen des Marktforschungs- und Beratungshauses Gartner haben erst vier Prozent der CIOs weltweit KI-Systeme eingeführt, 46 Prozent verfolgen entsprechende Pläne. „Trotz des großen Interesses an KI-Technologien bleiben die aktuellen Implementierungen auf einem recht niedrigen Niveau“, kommentiert Research Vice President Whit Andrews die Entwicklung. Gartner befragte KI-Verantwortliche, Experten und CIOs aus Organisationen unterschiedlicher Größen zu ihren Erfahrungen.
Um die Komplexität in den Griff zu bekommen und ihre Organisation auf den KI-Einsatz vorzubereiten, sollten Entscheider die Erkenntnisse aus ersten Projekten nutzen, raten Gartner-Analysten. Auf der Grundlage zahlreicher Experteninterviews formulieren Sie konkrete Handlungsempfehlungen für CIOs.
KI-Projekte: Empfehlungen für CIOs
- Starten Sie mit geringen Erwartungen und lassen Sie unscharfe Ziele zu
Nicht wenige der befragten Entscheider berichteten von KI-Projekten, die mit direkten finanziellen Zielvorgaben verbunden waren. „Tappen Sie nicht in diese Falle“, warnt Andrews. Generell sei es ratsam, mit kleinen KI-Projekten zu beginnen und eher weiche Ziele zu verfolgen. Dazu gehörten etwa Prozessverbesserungen, Kundenzufriedenheit oder auch Fortschritte im Bereich Produktmarketing und Branding.
Wie bei vielen neuen Technologien sollten sich CIOs von ersten KI-Projekten im besten Fall Erkenntnisse erhoffen, die ihnen bei nachfolgenden größeren Vorhaben helfen, argumentiert der Analyst. Ein interviewter KI-Praktiker etwa berichtet: „Im ersten Schritt ging es weniger um das Lösen eines speziellen Problems, sondern darum, die Potenziale und Möglichkeiten auszuloten.“ Was in einem Fall nicht funktioniere, könne in einem anderen KI-Einsatzszenario möglicherweise durchaus Vorteile bringen.
Wenn Unternehmen KI-Projekte dennoch von harten finanziellen Zielen abhängig machen, sollten sie diese möglichst niedrig ansetzen, rät Andrews: „Denken Sie eher an mehrere tausend oder zehntausend Dollar.“ Erst wenn sich solche Größenordnungen als realistisch erweisen, sollten sich Entscheider höhere Ziele stecken.
Eine Umfrage unter den Mitgliedern des Gartner Research Circle zeigt, dass sich Unternehmen durchaus nicht nur an finanziellen Effekten orientieren (siehe Grafik: „Wie Entscheider KI-Projekte bewerten“). Vielmehr stehen Verbesserungen in puncto Entscheidungsfindung, Effizienz und Kundenverhalten im Vordergrund. In dem von Gartner betreuten Panel sind sowohl Business- als auch IT-Manager vertreten.
- Unterstützen Sie Mitarbeiter durch KI, statt sie zu ersetzen
Technische Fortschritte waren in der Vergangenheit häufig mit einem Wegfall von Arbeitsplätzen verbunden. Auch die Künstliche Intelligenz hat dieses Potenzial und weckt schon deshalb die Begehrlichkeiten von Topmanagern. Gartner warnt davor, nur diesen Aspekt zu verfolgen. Abgesehen vom zu erwartenden Widerstand betroffener Mitarbeiter könnten Unternehmen damit viele Chancen der Künstlichen Intelligenz verpassen. Erfolgversprechender sei es zu prüfen, wie KI-Systeme Angestellten helfen können, anspruchsvollere Aufgaben zu erledigen.
Die verbreitete Vorstellung, mithilfe einer Vielzahl „smarter Agents“ menschliches Verhalten zu automatisieren und am Ende Stellen abzubauen, greift für Andrews zu kurz. Zumindest auf kurze und mittlere Sicht sei es ratsam, Mitarbeiter von den Vorteilen der KI überzeugen und beispielsweise zu demonstrieren, wie intelligente Systeme bei der Entscheidungsfindung helfen und die tägliche Arbeit interessanter machen könnten.
Ein Business-Manager etwa berichtete Gartner, wie KI-Systeme Mitarbeiter aus dem Bereich Risk Management bei Entscheidungen unterstützen: „Die Kollegen kauern nicht in der Ecke und fürchten um ihre Jobs. Sie begrüßen den Einsatz von KI-Techniken, die ihnen die Entscheidung erleichtern, ob sie ein bestimmtes Risiko eingehen sollen oder nicht.“
- Planen Sie den Wissenstransfer von externen Spezialisten
Die meisten Unternehmen sind nicht gut auf die Einführung von KI-Systemen vorbereitet, urteilt Gartner nach zahlreichen Gesprächen mit Beratungskunden. Vor allem im Bereich Data mangele es an Fachwissen. Im CIO Survey aus dem Jahr 2017 stuften 53 Prozent der Befragten die Fähigkeiten ihrer Organisation im Bereich Data Mining und Exploitation als „begrenzt“ ein. Generell gehören fehlende Fachkräfte zu den größten Hemmnissen in KI-Vorhaben.
Entscheidern bleibt häufig nur die Option, externe Service Provider ins Boot zu holen. Sie können Unternehmen dabei helfen, Algorithmen zu entwickeln und die passende KI-Software auszuwählen und einzuführen. Die interviewten Projektverantwortlichen machten dabei durchaus gute Erfahrungen. Einige berichteten aber auch von einer drohenden Abhängigkeit von ihrem KI-Partner. Gartner empfiehlt CIOs, den Wissenstransfer vom Provider an die eigenen Mitarbeiter sicherzustellen. Nach den ersten Projekten mit dem Partner sollten sie beginnen, eigenes Know-how aufzubauen, bevor sie sich an größere KI-Vorhaben wagen.
- Wählen Sie transparente KI-Lösungen
Von Systemen zur Entscheidungsunterstützung erwarten Nutzer gewöhnlich, dass sie die Regeln und Prozesse offenlegen, die zu einer bestimmten Empfehlung geführt haben. Grundsätzlich gelte das auch für KI-Systeme, erläutert Gartner-Mann Andrews. Wird die Software aber von einem externen Provider oder Softwarehersteller bezogen, stehen Unternehmen nicht selten vor einer „Blackbox“. Das kann schon aus regulatorischen und finanztechnischen Gründen problematisch sein. Entscheider sollten deshalb auf einer gewissen Transparenz solcher Systeme bestehen und dies auch in den Service Agreements festhalten.
Den befragten Managern sei durchaus bewusst, dass komplexe Analysemodelle wie neuronale Netzwerke für Außenstehende keine vollständige Transparenz bieten können, berichten die Marktforscher. Dennoch könnten beispielsweise Visualisierungen von Entscheidungskriterien oder Handlungsoptionen den Nutzern helfen, die grundsätzliche Funktionsweise zu verstehen und dadurch von den AI-Systemen zu lernen.
Wichtig sind solche Erkenntnisse auch, um AI-Projekte und Handlungsempfehlungen dem Management zu erklären und die Validität von Analyseergebnissen zu prüfen. Ein KI-Praktiker etwa berichtet von einem System, das den drohenden Ausfall komplexer Maschinen prognostizieren sollte. Weil nicht klar war, aus welchen Gründen das KI-System im Einzelfall eine Fehlfunktion voraussagte, blieben die Erfolge begrenzt. Ohne eine gründliche Inspektion von Technikern vor Ort mochten die Ingenieure dem System nicht trauen. Die Fehlerrate verbesserte sich dadurch zunächst nicht.
KI-Prognosen von Gartner
Hilfreich bei der Planung von KI-Projekten können auch Prognosen sein, die Gartner für die kommenden Jahre stellt. KI-Projekte mit einer „eingebauten Transparenz“ haben demnach bis 2022 doppelt so große Chancen, von CIOs finanziert zu werden. Bereits 2020 würden 20 Prozent der Unternehmen dediziertes Personal für die Überwachung und Steuerung von neuronalen Netzwerken abstellen.
Die KI-Unterstützung von Mitarbeitern könnte im Jahr 2021 weltweit 6,2 Milliarden Arbeitsstunden einsparen und dabei einen Geschäftswert von 2,9 Billionen Dollar generieren. Die Schattenseite: 85 Prozent der KI-Projekte werden laut Gartner bis 2022 fehlerhafte Ergebnisse liefern, verursacht durch eine in den ausgewählten Daten und Algorithmen manifestierte Voreingenommenheit.
*) Wolfgang Herrmann ist Deputy Editorial Director von CIO.de
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