Was ist ein digitaler Zwilling? Digital Twins und ihre Auswirkungen auf KI, IoT und Data-Analytics

Digital Twins sind virtuelle Nachbildungen physischer Geräte, mit denen Datenwissenschaftler und IT-Experten Simulationen ausführen können, bevor die tatsächlichen Geräte erstellt und bereitgestellt werden. Sie verändern auch die Optimierung und Weiterentwicklung von Technologien wie IoT, KI und Analytics. [...]

Digital Twins sind schon bald unerlässlich für Industrie und Gesundheitswesen (c) Pixabay.com

Die Technologie des digitalen Zwillings hat sich mittlerweile über Herstellungsprozesse hinaus entwickelt und bis in die verschmelzenden Welten des Internet of Things, der künstlichen Intelligenz und der Datenanalyse ausgeweitet. Da immer mehr komplexe „Dinge“ mit der Fähigkeit zur Datenproduktion miteinander verbunden werden, gibt ein digitales Äquivalent Datenwissenschaftlern und anderen IT-Fachleuten die Möglichkeit, die Bereitstellung mit maximaler Effizienz zu optimieren und andere, nützliche Was-wäre-wenn-Szenarien zu erstellen.

Was ist ein digitaler Zwilling?

Ein Digital Twin ist die digitale Darstellung eines physischen Objekts oder eines Systems. Die Technologie hinter den Digital Twins hat sich auf große Objekte wie Gebäude, Fabriken und sogar Städte ausgeweitet, und es gibt die Behauptung, dass auch Menschen und Prozesse digitale Zwillinge haben können – was das Konzept natürlich noch erweitert wird. Die Idee kam erstmals bei der NASA auf: Die Modelle der frühen Weltraum-Kapseln, die am Boden zum Erfassen und Diagnostizieren von Problemen in der Umlaufbahn eingesetzt wurden, haben im Endeffekt den Weg zu vollständigen digitalen Simulationen geebnet.

Der Begriff kam jedoch erst dann wirklich in Rollen, als Gartner die digitalen Zwillinge zu einem der zehn wichtigsten strategischen Technologietrends des Jahres 2017 ernannte. Es heißt, in den nächsten drei bis fünf Jahren „werden Milliarden von Dingen durch Digital Twins repräsentiert werden, sei es das dynamische Softwaremodell einer physischen Sache oder ein System“. Auch ein Jahr später nannte Gartner die digitalen Zwillinge einen Top-Trend, weiterhin mit der Aussage: „Mit geschätzten 21 Milliarden angeschlossenen Sensoren und Endpunkten bis 2020 werden Digital Twins in naher Zukunft für Milliarden von Dingen existieren.“

Im Wesentlichen ist ein Digital Twin also ein Computerprogramm, das Daten über ein physisches Objekt oder ein physisches System via Eingaben aus der realen Welt entnimmt und als Ausgaben Prädikationen bzw. Simulationen erzeugt, wie dieses physische Objekt oder physische System von jenen Eingaben beeinflusst werden kann.

Wie funktioniert ein digitaler Zwilling?

Ein Digital Twin beginnt mit seiner Entwicklung durch Spezialisten, oft Experten für Datenwissenschaft oder angewandte Mathematik. Diese Entwickler erforschen die Physik, die dem physischen Objekt oder System, das nachgeahmt werden soll, zugrunde liegen, und verwenden diese Daten, um ein mathematisches Modell zu entwickeln, das das Original aus der Realität im digitalen Raum simuliert.

Der Zwilling ist so konstruiert, dass er Eingaben von Sensoren empfangen kann, die dabei sind, Daten von seinem realen Gegenstück zu sammeln. Auf diese Weise kann er das physische Objekt in Echtzeit simulieren. Dabei erhalten Sie alle möglichen Einblicke in seine Leistung und mögliche Probleme. Der digitale Zwilling könnte auch basierend auf einem Prototyp seines physischen Gegenstücks entworfen werden. In diesem Fall kann er aussagekräftiges Feedback geben, wenn das Produkt überarbeitet und optimiert werden soll. Ein Zwilling könnte sogar selbst als Prototyp dienen, noch bevor eine erste physische Version erstellt wird.

In diesem Beitrag von Eniram, einem Unternehmen, das Digital Twins von massiven Containerschiffen herstellt, die einen Großteil des Welthandels tragen – eine äußerst komplexe Art der Anwendung von Digital Twins – wird der Prozess ausführlich beschrieben. Wie kompliziert oder einfach ein digitaler Zwilling funktionier, bleibt jedoch Ihnen überlassen. Einzig die Datenmenge, die Sie zum Erstellen und Aktualisieren verwenden, bestimmt, wie genau Sie ein physisches Objekt letztlich simulieren können. Dieses Tutorial beschreibt beispielsweise, wie ein recht einfacher digitaler Zwilling, nämlich der eines Autos, erstellt wird, für den nur wenige Eingangsvariablen zur Berechnung der Kilometerzahl erforderlich sind.

Konkrete Digital-Twins-Anwendungsfälle

Die beiden bereits genannten Beispiele für Digital Twins – das Auto und das Frachtschiff – geben Ihnen schon mal ein Gefühl für mögliche Anwendungsfälle. Objekte wie Flugzeugmotoren, Züge, Offshore-Plattformen und Turbinen können ebenfalls digital entworfen und getestet werden, noch bevor sie physisch hergestellt wurden. Techniker könnten digitale Zwillinge zum Beispiel dazu verwenden, um zu testen, ob die vorgeschlagene Reparatur für ein Gerät die richtige ist, bevor sie am ‚physischen Zwilling‘ direkt angewendet wird.

Business-Anwendungsfälle für Digital Twins gibt es vor allem in den folgenden Bereichen:

  • Die Produktion bzw. Fabrikation ist wohl der Bereich, in dem die Einführung digitaler Zwillinge bereits am weitesten fortgeschritten ist. Viele Fabriken verwenden bereits jetzt Digital Twins, um ihre Prozesse zu simulieren; so zeigt es auch diese Fallstudie von Deloitte.
  • Auch in der Automobilbranche werden digitale Zwillinge möglich, weil die Autos heutzutage schon mit den notwendigen Telemetriesensoren ausgestattet sind. Die Weiterentwicklung der Technologie wird schon bald wichtiger werden, sobald noch mehr autonome Fahrzeuge auf der Straße erscheinen.
  • Das Gesundheitswesen ist der Sektor, in dem die oben genannten Digital Twins von echten Menschen erstellt und benötigt werden. Sensoren in Pflaster-Größe senden Informationen über dessen Gesundheit an seinen digitalen Zwilling zurück, womit das Wohlbefinden eines Patienten überwacht und vorhergesagt werden kann.

Digital Twins und das IoT

Die Explosion von IoT-Sensoren ist eindeutig Teil dessen, was Digital Twins heutzutage überhaupt erst umsetzbar macht. Und da IoT-Geräte stets verfeinert werden, können die Szenarien der zugehörigen digitalen Zwillinge auch kleinere und weniger komplexe Objekte enthalten, was den Unternehmen zusätzliche Vorteile bringt.

Digital Twins können verwendet werden, um unterschiedliche Ergebnisse basierend auf variablen Daten vorherzusagen. Dies ist vergleichbar mit dem Szenario „Run the Simulation“, das häufig in Science-Fiction-Filmen zu sehen ist, bei denen ein mögliches Szenario im digitalen Umfeld nachgewiesen wird. Mit zusätzlicher Software und Datenanalyse können digitale Zwillinge oft eine IoT-Bereitstellung auf maximale Effizienz optimieren und Designer helfen, herauszufinden, wie Dinge gehandhabt werden oder wie sie funktionieren, bevor sie physisch eingesetzt werden.

Je öfter ein digitaler Zwilling das physische Objekt duplizieren kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass dabei effiziente Mittel und andere Vorteile gefunden werden. So können beispielsweise in der Produktion, wo sich Geräte mit höherer Instrumentierung finden lassen, die genaueren digitalen Zwillinge die Leistung der Geräte über Zeit simulieren, was die Vorhersage der zukünftigen Leistung und möglicher Ausfälle einfacher machen kann.

Anbieter für digitale Zwillinge

Die Entwicklung bzw. ‚der Bau‘ eines Digital Twins ist komplex und noch immer gibt es dafür keine standardisierte Plattform. Ian Skerrett, ein auf diesem Gebiet operierender Berater, der viele Erfahrungen im Open Source-Bereich sammeln konnte, hat den Entwurf für eine solche Plattform für digitale Zwillinge vorgelegt, obwohl es sich dabei nur um einen ersten Schritt handelt.

Im Gegensatz zu vielen aufkommenden Technologien stammen kommerzielle Angebote im Bereich der Digital Twins tatsächlich von einigen eher größeren Unternehmen der Branche. So bietet GE, das die Digital-Twin-Technologie intern im Rahmen des Jet-Engine-Herstellungsprozesses entwickelt hat, seinen Kunden nun auch das nötige Know-how an; ebenso wie Siemens, ein weiterer Industrie-Riese, der stark an der Produktion beteiligt ist. Um nicht von ebendiesen Zulieferern übertroffen z werden, vermarktet IBM digitale Zwillinge mittlerweile als Teil des IoT-Pushs und Microsoft bietet seine eigene Digital-Twin-Plattform unter Azures schützendem Dach an.

Digital Twin vs. Predictive Twin

In einem Artikel vom November des Jahres 2017 für Network World stellte der Mitwirkende Deepak Puri ein Beispiel für ein Oracle Digital-Twin-Tool vor, das seinen Benutzern vor allem zwei Optionen bietet – einen digitalen und einen vorausschauenden Zwilling.

Der Digital Twin „kann eine Beschreibung der Geräte, des 3D-Renderings und außerdem Details zu allen Sensoren im Gerät enthalten. Er generiert kontinuierlich Sensorwerte, die wiederum reale Optionen simulieren sollen. „Der Predictive Twin modelliert dagegen den zukünftigen Zustand und das Verhalten des Geräts“, schreibt Puri. „Dies basiert auf den historischen Daten anderer Geräte, die Störungen und andere Situationen, die Aufmerksamkeit erfordern, simulieren können“.

Im Rahmen seiner Digital-Twin-Initiative übernimmt Microsoft dieses Konzept und wendet es neben physischen Produkten auch für Prozesse an. In einem Whitepaper schlägt Microsoft die Idee des digitalen Prozesszwillings vor:

„Der ‚Process Digital Twin‘ ist die nächste Stufe der digitalen Transformation, die die Vorteile vom ‚Product Digital Twin‘ in der gesamten Fabrik und Lieferkette sogar noch verstärkt“, erklärt Microsoft. Das zugehörige Whitepaper zeigt einige fortgeschrittene Fertigungsszenarien auf, die von Product Digital Twins nicht unterstützt würden, von Process Digital Twins aber schon.

Vorteile digitaler Zwillinge

Digital Twins bieten einen Echtzeit-Überblick über die Vorgänge bei physischen Assets, was den Wartungsaufwand radikal reduzieren kann. Chevron führt Digital Twin Tech für seine Ölfelder und Raffinerien ein und erwartet Instandhaltungskosten in Millionenhöhe. Als Teil des Pitchs meint Siemens, dass die Verwendung von digitalen Zwillingen zum Modellieren und Prototypieren von Objekten, die noch nicht hergestellt wurden, Produktfehler reduzieren und die Markteinführungszeit verkürzen kann.

Denken Sie jedoch daran, dass davor Gartner warnt, dass digitale Zwillinge nicht immer gefragt sind und die Komplexität unnötig erhöhen können. „[Digital Twins] könnten ein technologischer Overkill für ein bestimmtes Geschäftsproblem sein. Es gibt auch Bedenken hinsichtlich Kosten, Sicherheit, Datenschutz und Integration. “

Digital-Twin-Skills

Möchten Sie ein Digital-Twin-Profi werden? Die notwendigen Fähigkeiten sind anspruchsvoll und erfordern spezielles Fachwissen in Bezug auf maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Predictive Analytics und andere datenwissenschaftliche Fähigkeiten. Das ist einer der Gründe, warum große Unternehmen ihre Schilder in diesem Bereich aushängen: Der kleine Mann könnte es vernünftiger finden, ein Beraterteam zu engagieren, als seine eigenen Mitarbeiter auszubilden.

*Keith Shaw and Josh Fruhlinger sind Redakteure bei Network World.com


Mehr Artikel

Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Roswitha Bachbauer (CANCOM Austria), Thomas Boll (Boll Engineering AG), Manfred Weiss (ITWelt.at) und Udo Schneider (Trend Micro). (c) timeline/Rudi Handl
News

Security in der NIS2-Ära

NIS2 ist mehr ein organisatorisches Thema als ein technisches. Und: Von der Richtlinie sind via Lieferketten wesentlich mehr Unternehmen betroffen als ursprünglich geplant, womit das Sicherheitsniveau auf breiter Basis gehoben wird. Beim ITWelt.at Roundtable diskutierten drei IT-Experten und -Expertinnen über die Herausforderungen und Chancen von NIS2. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*