Windows 10 ist nun sechs Monate am Markt - schätzungsweise 200 Millionen Anwender sind bereits umgestiegen. Sicher ist, dass das Betriebssystem eine große Zukunft vor sich hat; dennoch gibt es gute Argumente gegen Windows 10. Wir hoffen, dass Microsoft mitliest und bald Abhilfe schafft. [...]
DRÄNGT UNS NICHT
Das nervige Auto-Update auf Windows 10 – also das Teil, das Nutzer von Windows 7 und 8.1 zum automatischen Download von Windows 10 zwingt und ihnen ein zeitnahes Upgrade „empfiehlt“ – hat mehr Vertrauen in Microsoft zerstört als alles, was nach der „Scroogled“-Werbekampagne Ende 2012 kam.
Wer auch immer die Schnapsidee hatte, die „Liebe“ der Anwender für Windows 10 auf diesem Wege zu erzwingen, ist nicht nur gescheitert, sondern sollte auch zur Rechenschaft gezogen werden. Vor allem wegen folgender Unverschämtheiten rund um das Windows-10-Upgrade-Programm:
- Zwischen 3 und 6 GB große Softwarepakete, die verstohlen in versteckten Ordnern heruntergeladen und installiert werden – selbst dann, wenn der Nutzer einem Windows-10-Upgrade ausdrücklich widersprochen hat.
- Ein verstecktes GWX-Subsystem, das bei jedem Windows-Start ausgeführt wird und sich ohne Nutzerautorisierung immer wieder selbst re-installieren und updaten kann.
- Ständig aufploppende Hinweisfenster (wie das oben gezeigte), die nichts als Verwirrung stiften.
- Eine Fake-Kampagne, gestartet im April 2015, nach der der Anwender ein Online-Systemupdate „reserviert“ bekomme und wiederholte Fake-Meldungen, dass „das Upgrade auf Windows 10 bereit“ sei – mit der Folge, dass die legitime Nutzung von Windows Update nicht mehr möglich ist.
- Das „versehentliche“ automatische Ausführen des Upgrade-Programms.
Je stärker Microsoft zu einem Umstieg auf Windows 10 drängt, desto mehr stößt man sowohl erfahrene Windows-Nutzer als auch -Neulinge vor den Kopf. Oder, wie ein Freund von mir kürzlich fragte: „Wenn Windows 10 so toll ist, warum hat man es dann überhaupt nötig, es allen dermaßen aufzuzwingen?“
ERZÄHLT UNS, WAS ALS NÄCHSTES PASSIERT
Wer glaubt, dass er Windows 10 kostenlos bekommen kann, ist schief gewickelt. Microsoft ändert nur gerade seine Taktik, Geld zu verdienen. Das muss nicht schlecht sein, ein wenig mehr Informationen wären aber angebracht. Vor einem Jahr versprach Terry Myerson, Microsofts Verantwortlicher für Windows und Devices: „Sobald ein Gerät auf Windows 10 geupdatet wurde, garantierten wir kostenlosen Support während der unterstützten Lebensdauer des Geräts.“
Ein Jahr später wurde diese Ansage noch immer nicht konkretisiert, die Industriegelehrten streiten sich, was es nun genau bedeutet. Sicher scheint, dass Microsoft auch nach dem 29. Juli 2016, dem letzten Tag der Gratis-Updates, keine Monatsgebühr für Windows 10 berechnen wird. Unklar ist indes, ob dann anderweitige Gebühren anfallen – beispielsweise für neue Features. Zudem weiß niemand, was unter „unterstützte Lebensdauer des Geräts“ genau zu verstehen ist.
Die Debatte kam auf, nachdem Microsoft nachträglich erklärte, nach dem 17. Juli 2017 Windows 7 und 8.1 auf Skylake-Prozessoren nicht mehr zu unterstützen. Wenn Microsoft also willkürlich und sogar nachträglich einfach entscheiden kann, welche Hardware wann nicht mehr unterstützt wird, liegt die Vermutung nahe, dass es allein dem Konzern aus Redmond überlassen bleibt, was unter „unterstütze Lebensdauer des Geräts“ zu verstehen ist.
Microsoft könnte künftig beispielsweise einzeln für besondere Bugfixes kassieren, kostenlose Upgrades für immer gewähren oder eben das genaue Gegenteil tun. Forbes-Redakteur Gordon Kelly sagt voraus, dass Microsoft für Windows 10 Gebühren eintreiben wird: „Das schlimmste Szenario sieht vor, dass Microsoft Windows 10 zunächst kostenlos über eine SaaS-Plattform anbieten wird. Sobald Windows 10.1 auf den Markt kommt, fällt dann eine monatliche Nutzungsgebühr an. Natürlich können die Nutzer auf das Update verzichten und bis zum Supportende im Jahr 2025 mit Version 10 weitermachen. Microsoft könnte dann aber den gleichen Trick anwenden, den es bereits bei Windows 8 eingesetzt hat: Den Support neuer Hardware sofort einstellen, damit alle Windows-10-Geräte ganz schnell veraltet sind.“
Allein die Tatsache, dass so viel gemutmaßt wird, beweist, dass erheblicher Klärungsbedarf besteht, was die künftige Windows-Lizenzpolitik angeht. Vielleicht ist die Entscheidung darüber aber auch in Redmond noch gar nicht getroffen. Wer trotz dieser vielen ungeklärten Fragen schon jetzt voll auf Windows 10 setzt, hat zwar ein großes Urvertrauen in Microsoft-Produkte, aber keinerlei Planungssicherheit.
FAZIT
Wer weiterhin bei Windows 7 bleibt, macht nichts falsch. Bisher gibt es nichts in Windows 10, was einen Wechsel unumgänglich machen würde – die ständigen Aufforderungen zum Upgrade der alten Systeme machen die Sache nicht besser. Das neue „Windows as a Service“-Paradigma ist bislang reichlich unausgegoren und was mit dem Projekt „Redstone“ tatsächlich auf uns zukommt, weiß vor dem nächsten Sommer auch noch niemand. Also: Abwarten und Tee trinken – im Unternehmensumfeld gilt das umso mehr.
Dieser Beitrag erschien im englischsprachigen Original bei InfoWorld.
*Simon Hülsbömer ist leitender Redakteur der computerwoche.de
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