Der europäische Markt für gebrauchte Software kommt immer mehr in Bewegung: Nach dem für die Softwarebranche richtungsweisenden EuGH-Urteil Mitte 2012 hat das OLG Frankfurt im Rechtsstreit zwischen Usedsoft und Adobe im Dezember entschieden, dass Volumen- und sogar Schullizenzen gesplittet und weiterverkauft werden dürfen. [...]
Alles hat mit dem EuGH-Urteil vom 3. Juli 2012 begonnen, in dem auch der Verkauf von nur aus dem Internet heruntergeladener Software gestattet wurde. Streitpunkt des Verfahrens war der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz. Oracle hatte argumentiert, dieser Grundsatz gelte nicht für Lizenzen auf Software, die Anwender übers Internet herunterladen.
Dieser Ansicht widersprachen die Richter. Der Erschöpfungsgrundsatz gelte nicht nur für Software, die auf physischen Datenträgern wie CD-ROM oder DVD verbreitet werden, sondern auch für Download-Software. Sogar wenn Lizenzvereinbarungen eine weitere Übertragung einer Lizenz ausdrücklich ausschließen, kann der Rechteinhaber laut dem Urteil den Weiterverkauf nicht verbieten. Eine Einschränkung hatten die Richter des EuGH für den Handel mit gebrauchten Lizenzen: Hat ein Unternehmen eine Lizenz für eine größere Zahl an Nutzern als benötigt gekauft, darf es die Lizenz nicht aufteilen und Teile davon weiterverkaufen. Experten haben daraufhin von einem „Pyrrhus-Sieg“ für den deutschen Gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft gesprochen, der als Sieger aus dem Rechtsstreit mit Oracle hervorgegangen ist.
VOLUMENLIZENZEN DÜRFEN GESPLITTET WERDEN
Zwei darauf folgende Urteile in Deutschland basieren auf diesem EuGH-Urteil, gehen aber explizit auch auf den Weiterverkauf von Volumenslizenzen ein und zeigen auch die Bedeutung für andere europäische Märkte. Im ersten deutschen Urteil wurde Microsoft per einstweiliger Verfügung untersagt, in einer Kampagne gegen gebrauchte Software zu werben. In einem weiteren Urteil im Rechtsstreit zwischen Adobe und Usedsoft wurde am Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, dass Volumenlizenzen auch aufgeteilt werden können. Nach dem im Juli ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zugunsten der Gebrauchtsoftware-Händler hatten Softwareanbieter – allen voran Microsoft und Adobe – argumentiert, dass zumindest die Aufspaltung von Volumenlizenzverträgen unzulässig sei. Das sehen die Frankfurter Richter nun anders. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass neben Server-basierenden Lizenzen auch Einzelplatzlizenzen, wie zum Beispiel Adobe Photoshop beziehungsweise analog Microsoft Office, IBM Lotus Notes und andere Suiten, die über Volumenlizenzverträge erworben wurden, in beliebigen Teilmengen an Dritte übertragen werden können. Voraussetzung ist, wie schon der EuGH feststellte, dass die Installationen der übertragenen Softwarelizenzen beim Verkäufer unbrauchbar gemacht werden. Adobe berief sich unter anderem auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, laut dem eine solche Aufspaltung illegal sei. Dieses Urteil bezieht sich laut dem Oberlandesgericht Frankfurt allerdings nur auf zusammenhängende Client-Server-Lizenzen. Bei anderen Volumenlizenzverträgen sei eine Aufspaltung in einzelne Lizenzen hingegen legal. Das Argument, dass sich Volumenlizenzverträge als ein einziges, zusammengehöriges Paket ansehen lassen, wiesen die Richter in Frankfurt ab. Obwohl ein solches Lizenz-Paket tatsächlich nur eine einzige Seriennummer habe, könne man die einzelnen Lizenzen aufspalten.
SCHLAPPE FÜR HERSTELLER
Das jüngste Urteil ist eine Schlappe für die Hersteller, da auch in zwei weiteren Punkten für die Gebrauchtsoftwarehändler entschieden wurde. Das OLG hat einerseits geurteilt, dass Verkäufer zum Weiterverkauf von Software eine Vervielfältigungshandlung vornehmen, also einen Datenträger brennen dürfen, um online erworbene Software weiterzuverkaufen. Dieser Punkt wurde von den Herstellern besonders vehement abgelehnt. Andererseits haben die Frankfurter Richter auch den wirtschaftlichen Argumenten der Hersteller eine Absage erteilt. Adobe hat argumentiert, dass Usedsoft beziehungsweise der Erstbesitzer die Software auch deshalb nicht hätte weiterverkaufen dürfen, weil es sich im konkreten Fall um vergünstigt abgegebene „Edu“-Lizenzen (Education-Lizenzen oder Schullizenzen, Anm. d. Autors) gehandelt habe. Anbieter wie Adobe oder Microsoft räumen Bildungseinrichtungen, aber auch sozialen Einrichtungen, nicht unerhebliche Rabatte ein. Das ermöglicht den Institutionen die Anschaffung und hat für die Hersteller den Vorteil, dass sich junge Menschen von Beginn an mit einer bestimmten Software auseinandersetzen und später weniger leicht den Anbieter wechseln. Aber auch mit dieser Forderung ist Adobe in Frankfurt abgeblitzt: „Es ist nicht Sache der Gerichte, die Wirtschaftlichkeit der Preispolitik der Klägerin […] zu überprüfen“, taten die Richter die Argumentation lapidar ab. „Die Frankfurter Richter haben das EuGH-Urteil in drei ganz entscheidenden Punkt konkretisiert: Sie vertraten erstens die Auffassung, dass einzelne Lizenzen, die ursprünglich im Rahmen eines Volumenlizenzvertrags erworben wurden, auch einzeln weiterverkauft werden dürfen. Zweitens machten sie deutlich, dass auch preisvergünstigte ‚Edu‘-Lizenzen weiterverkauft werden dürfen. Und drittens widersprachen die Richter dem Standard-Argument der Hersteller, bei Volumenlizenzen handele es sich nur um eine einzige Lizenz, weil auch nur eine Seriennummer vergeben worden sei. Das waren schon wichtige Signale für den Markt“, fasst Peter Schneider, Geschäftsführer von Usedsoft, gegenüber der COMPUTERWELT zusammen.
Experten haben den Prozess im Vorfeld als richtungsweisend eingestuft, da ein solcher Musterprozess Auswirkungen auf alle weiteren Entscheidungen haben dürfte. Österreichische Softwarewiederverkäufer messen dem jüngsten Urteil jedenfalls große Bedeutung bei: „Das deutsche Gerichtsurteil zeigt klar, dass es im Sinne des Europäischen Gerichtshofs war, dass Client-Softwarelizenzen, wie zum Beispiel Office, aufgespalten werden dürfen“, so Stefan Tauchhammer, Geschäftsführer von Software Reuse. Tauchhammer hebt auch die Bedeutung der Rechtssicherheit für potentielle Kunden hervor: „Die Verunsicherung der Käufer von gebrauchter Software hat nun ein Ende gefunden.“ Hersteller haben bis zuletzt verkaufswillige Unternehmen davor gewarnt, nicht ausjudizierte Geschäfte einzugehen. Dabei gibt es laut Tauchhammer großes Interesse seitens der Unternehmen: „Unsere mehr als zweijährige Erfahrung mit gebrauchter Software hat gezeigt, dass fast jedes Unternehmen von deren Einsatz profitieren kann. Manchen Unternehmen genügt es beispielsweise, eine nicht ganz aktuelle Software einzusetzen – viele User nützen ohnehin nicht den Funktionsumfang der neuesten Office-Pakete.“ Wenn ein Betrieb etwa expandieren will und neuen Mitarbeitern den gleichen Releasestand einer Software zukommen lassen möchte wie dem Rest des Unternehmens, kann das schwer werden. Er bekommt vom Hersteller in der Regel nur neuere Lizenzen, was teurer ist und auch den Administrator oder IT-Leiter nicht sonderlich erfreut, wenn in ein- und derselben Abteilung mehrere Releases zum Einsatz kommen. In einigen Fällen sind Unternehmen aus technischen Gründen, etwa wegen Inkompatibilitäten, sogar gezwungen, ältere Lizenzen einzusetzen. Den Einsatz von Edu- oder Schullizenzen empfiehlt Tauchhammer trotz des Frankfurter Urteils nicht: „Wir waren selbst überrascht, dass gebrauchte Schullizenzen kommerziell in einem Unternehmen eingesetzt werden dürfen. Wir handeln nicht mit solchen und raten davon ab, diese in Österreich einzusetzen. Bei einem Softwareaudit würden man sich dabei unserer Meinung nach vermutlich auf Probleme gefasst machen können.“
Sein deutscher Branchenkollege Harry Voortmann, Vorstand des Unternehmens Relicense, ist ebenfalls überzeugt, dass für die Kunden nun Rechtssicherheit gegeben ist – auch in Österreich: „Das Urteil des EuGH ist bindend für alle Länder der Europäischen Union! Sollten Gerichte die klaren Vorgaben des EuGH anders auslegen als zum Beispiel das OLG Frankfurt, bedarf es dafür unseres Erachtens sehr ‚mutige‘ Richter.“
STRATEGIE DER VERUNSICHERUNG
Ist damit der Streit zwischen den Herstellern und den Händlern gebrauchter Software beendet? „Es ist davon auszugehen, dass die Softwarehersteller versuchen werden ihre Strategie der Verunsicherung fortzusetzen – mehr bleibt ihnen auch schlichtweg nicht“, denkt Boris Vöge, Vorstand der deutschen Preo Software. Sie haben zum Teil sogar schon reagiert. So liefert Microsoft etwa seit Windows 8 keine OEM-Sticker mehr aus. Die Seriennummer ist in das Mainboard des Computers integriert und kann im Bios ausgelesen werden. Damit wird der Handel mit gebrauchten OEM-Lizenzen verhindert. Bislang haben Käufer eines PC mit vorinstalliertem Betriebssystem auf der Rückseite ihres Geräts einen Aufkleber mit dem Lizenzschlüssel vorgefunden. In diesem „Certificate of Authenticity“ mit aufgedruckter Seriennummer bestätigt Microsoft die Echtheit des Betriebssystems. Bisher war es auch möglich, die auf den PC aufgedruckten Lizenzschlüssel älterer Windows-Versionen im Geschäft einfach abzuschreiben und mit diesem Key eine Kopie des Betriebssystems freizuschalten. Mit der Koppelung der Produkte an eine einzige Hardware ist es Microsoft möglich, den Handel mit gebrauchter und illegaler Software zu verhindern. (rnf/aw)
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