Selten war es für Arbeitgeber:innen so schwierig, neue Talente zu rekrutieren wie heute. [...]
Laut einer Studie von SD Worx, die in diesem Jahr unter 4.833 Arbeitgeber:innen und 16.011 Arbeitnehmer:innen in 16 europäischen Ländern durchgeführt wurde, sieht nur jedes fünfte Unternehmen in Deutschland die Suche nach neuen Angestellten als eine einfache Aufgabe an.
Und das nicht grundlos: So bedingt unter anderem der demografische Wandel die Entwicklung des Arbeitsmarktes deutlich zugunsten der Arbeitnehmer:innen. Folglich müssen Arbeitgeber:innen im Kampf um Talente jeden möglichen Stolperstein, der dem Abschluss des Recruitingprozesses hinderlich ist, aus dem Weg räumen. SD Worx bietet vier Tipps, wie Unternehmen ihren Bewerbungsprozess optimieren können.
1. Das Anschreiben muss sterben
Obwohl es mittlerweile deutlich bessere Wege gibt, um mehr über die Fähigkeiten und die Motivation von Kandidat:innen zu erfahren, fordern viele Unternehmen noch immer von Bewerber:innen zusätzlich zu einem Lebenslauf auch ein Motivationsschreiben.
Das förmliche Anschreiben in Briefform stammt aus dem analogen Zeitalter des Papiers und hat somit auch einen entsprechend muffigen Ruf. Nicht zuletzt gilt das Anschreiben deshalb als Zeitverschwendung und schreckt Talente eher ab – zumal es ohnehin mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aus vorgefertigten Textbausteinen besteht, aus dem Internet oder gar direkt von ChatGPT verfasst.
Deshalb: Weg mit dem Anschreiben. Für eine Feststellung der Fähigkeiten von Kandidat:innen genügen Lebenslauf, Zeugnisse und gegebenenfalls ein Referenzanruf bei ehemaligen Arbeitgebern und Vorgesetzten. Die Motivation lässt sich hingegen sehr leicht in einem ersten kurzen telefonischen Kennenlerngespräch herausfinden. Machen Sie es den Neueinsteigern in spe so einfach wie möglich.
2. Digitale Barrierefreiheit
Der nächste Punkt wäre dementsprechend die Barrierefreiheit, die auch im Recruiting-Prozess eine Rolle spielt. Letztlich funktioniert sie ähnlich wie bei der Online-Lead-Generierung für Vertrieb und Marketing. Idealerweise müssen absolut alle unnötigen Stolpersteine entfernt werden, die für Frust auf Seite derer sorgen, deren Aufmerksamkeit gewünscht ist. Folglich bedeutet das: je weniger Schritte für den Abschluss einer Bewerbung nötig – desto besser.
Soziale Netzwerke wie LinkedIn oder auch zahlreiche Recruitingportale erlauben beispielsweise das Hochladen von Lebensläufen in Dokumentform mit anschließender Bewerbung mit nur einem Klick. Bei Bedarf lassen sich an dieser Stelle noch einige ergänzende Fragen stellen – was in Ordnung ist, sofern deren Beantwortung nicht zu viel Mühe kostet.
Bei externen ebenso wie internen Bewerbungsportalen kommen häufig Eingabemasken zum Einsatz. Auch hier gilt: Weniger ist mehr. Es sollten beispielsweise keine Informationen abgefragt werden, die sich ohnehin dem Lebenslauf entnehmen lassen, etwa Daten über Ausbildung, Studium, frühere berufliche Stationen und so weiter.
3. Ghosten verboten
Es scheint, als hätten alle Berufstätigen das Szenario schon erlebt: Keine Rückmeldung auf eine Bewerbung oder nach einem Kennenlerngespräch – sie wurden auf gut neudeutsch geghostet. Wer in einer Flut an Bewerber:innen ertrinkt, mag sich derlei leisten können.
Angesichts von Pandemie und demografischem Wandel haben wir es allerdings mittlerweile mit einem ausgesprochen Arbeitnehmer:innen freundlichen Arbeitsmarkt zu tun. Kandidat:innen sind nun in der Lage, ebenso den Spieß umzudrehen und ihrerseits selbst Unternehmen zu ghosten.
Damit Arbeitgeber:innen gar nicht erst in die Verlegenheit kommen, sollten sie unbedingt dafür sorgen, Bewerber:innen mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen und sich stets um Rückmeldung bemühen. Zeitliche Zusagen einzuhalten ist ebenso wichtig – ist letzteres nicht möglich, sollte dies ebenfalls transparent kommuniziert werden.
Bewerber:innen hinzuhalten, wird mittlerweile als respektlos gewertet. Unter Umständen führt dieses Verhalten dazu, dass diese ihre als negativ empfundenen Erfahrungen auf Bewertungsportalen wie Kununu teilen, was wiederum den Ruf des Unternehmens, als guter Arbeitgeber, nachhaltig schadet.
4. Automatisieren ohne zu entmenschlichen
Fairerweise kann eine verzögerte Antwort von Arbeitgeber:innen auch andere Gründe hat: Wer intern HR-Prozesse noch mit Tabellenkalkulationen und Textdokumenten verwaltet, arbeitet heutzutage langsamer und ineffizienter als die Konkurrenz. Eine fortschrittliche, flexible Software kann dafür sorgen, dass die Verarbeitung von Daten schneller abläuft und Fehler beim Datenmanagement deutlich seltener werden, indem unproduktive Vorgänge automatisiert werden.
Doch Vorsicht: Den Bewerbungsprozess zu automatisieren, hat seine Fallstricke. Der Versuchung, ungeeignete Kandidat:innen schnell und unkompliziert auszusortieren, indem innerhalb der Bewerbungen nach bestimmten Suchbegriffen Ausschau gehalten wird, erliegt man leicht.
Nicht selten werden Menschen mit Biografien, Charaktereigenschaften und Wünschen zu einer bloßen Ansammlung von gewünschten SEO-Begriffen degradiert – die Chance, dabei auch passende Bewerber:innen ungewollt ins Abseits zu schießen, ist groß.
„Der Kampf um die besten Talente ist längst zur täglichen Realität geworden, und alles deutet darauf hin, dass er nicht so schnell abflauen wird“, so Annette Ergenzinger, People Business Partner bei SD Worx.
„Angesichts des Fachkräftemangels sollten Unternehmen alle Mittel nutzen, die besten Kandidat:innen im Prozess zu halten und zum letzten, entscheidenden Moment nicht doch noch zu verschrecken. Das bedingt auch, Abschied zu nehmen von bewährt scheinenden Prozessen – aber der potenzielle Lohn und Mehrwert sind groß.“
Über die Studie
Durch umfangreiche Umfragen sowohl bei Arbeitgeber*innen als auch bei Arbeitnehmer*innen erhält das Unternehmen Einblick in Erkenntnisse, Meinungen und Überzeugungen zur Arbeit und dem Arbeitsmarkt. In diesem Jahr konzentriert sich die Umfrage auf drei übergreifende Themen: Digitalisierung, Talent und Flexibilität.
Im Februar 2023 erhob SD Worx Daten in 16 europäischen Ländern, darunter Österreich, Belgien, Kroatien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Norwegen, Polen, Spanien, Schweden, Schweiz, Niederlande und dem Vereinigten Königreich. Insgesamt wurden 16.011 Arbeitnehmer*innen und 4.833 Arbeitgeber*innen befragt und die Ergebnisse dann gewichtet, um eine verlässliche Darstellung des Arbeitsmarktes jedes Landes zu gewährleisten.
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