Sie fragen sich, warum Ihre berufliche Entwicklung stagniert und warum Ihnen der Job keine Freude mehr macht? Dann leiden Sie vielleicht unter verborgenen Ängsten. Besonders betroffen: Männer aller Altersgruppen. [...]
Männer müssen liebevolle Väter, perfekte Liebhaber sein, im Haushalt helfen und selbstverständlich eine phantastische Karriere hinlegen. Unter diesen völlig unrealistischen Erwartungen leiden sie, erläutert Madeleine Leitner. Aus ihrer Praxis kennt die Diplompsychologin und Karriereberaterin zahlreiche solcher Fälle. Die Angst vor dem Scheitern hat besonders bei Männern ein großes Bedrohungspotenzial.
Sie geht einher mit einem starken Gefühl von Beschämung und Blamage. Die Wurzeln werden in der Kindheit gelegt, etwa durch überzogene Erwartungen von Eltern oder durch negative Erfahrungen in der Schule, wenn Lehrer Schüler vor versammelter Klasse bloßstellen. Die Betroffenen riskieren daher später lieber nichts und versuchen alles, um nicht ins Rampenlicht zu geraten.
Mit der Zeit wird ihr Vermeidungsverhalten immer mehr zur Gewohnheit, die ursprünglichen Ängste geraten in den Hintergrund. Ihr Leben wird allerdings fad, der Job bereitet keine Freude. Wenn sie doch Hilfe suchen, ist den Wenigsten die Ursache ihrer Unzufriedenheit bewusst. Madeleine Leitner: „Es erfordert einige Erfahrung, um zu erkennen, dass hinter beruflicher Unzufriedenheit Versagensängste stecken. Für viele Klienten ist diese Erkenntnis eine riesengroße Überraschung.“
HOHE ERWARTUNGEN
So hatte sich ein Manager, der mit dem Verlauf seiner Karriere unzufrieden war, unbewusst immer in die Position des Zweiten begeben. Im Gespräch fiel ihm ein, dass seine ehrgeizige Mutter vor seiner Einschulung einen Intelligenztest veranlasst hatte. Von ihrer Begeisterung über den „zweiten Einstein“ fühlte sich der Junge völlig erschlagen. Ihm war klar, dass er diese Erwartungen nie würde erfüllen können. Von da an war jegliche Freude an Leistung verschwunden. Er vermied exponierte Positionen und führte ein Schattendasein. Nachdem ihm diese Zusammenhänge bewusst geworden waren, übernahm er eine verantwortungsvolle Rolle in der ersten Reihe.
Er ist kein Einzelfall in Leitners Arbeit: „Beruflicher Unzufriedenheit liegen häufiger psychologische Ursachen zugrunde, als man denkt.“ Um herauszufinden, ob man sozialphobische Tendenzen hat, könne man sich folgende Fragen stellen: Wie wurde in Ihrer Familie und in der Schule mit Fehlern umgegangen? Wurden Sie bei Fehlern ausgelacht, verspottet oder bestraft? Haben Sie Erfahrung mit Ausgrenzung oder Ablehnung? Befürchten Sie, Erwartungen zu enttäuschen oder auf Ablehnung zu stoßen? Weichen Sie Konflikten aus? Scheuen Sie das Rampenlicht? Bekommen Sie bei der Vorstellung, gleich eine Präsentation oder eine Geburtstagsrede halten zu müssen, Herzklopfen, oder Panikgefühle?
UNNÖTIGER DRUCK DURCH ANGST VOR FEHLERN
Haben Sie eine oder mehrere der Fragen mit Ja beantwortet, rät Leitner: „Versuchen Sie, sich Ihre latenten Befürchtungen durch Selbstbeobachtung bewusst zu machen. Welche Ängste stecken hinter Ihrem Vermeidungsverhalten? Bei genauer Betrachtung erscheinen sie allerdings irrational – allein diese Erkenntnis löst das Bedrohungspotenzial in Luft auf. Bei vielen Menschen erzeugt die Vorstellung, Fehler zu machen, Druck. Dabei sind Fehler eine normale Erfahrung, aus der man lernen kann. Bekanntlich werden Ängste immer größer, wenn man sie vermeidet. Hier macht Übung den Meister: Je öfter man sich ihnen stellt, desto geringer werden sie.“
*Hans Königes ist Ressortleiter Jobs & Karriere
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