Wenn Apple, Facebook und Google Krieg beginnen, sind wir alle die Verlierer

Apple, Facebook und Google standen letzte Woche kurz vor einem Datenkrieg, als letztere widerrechtlich Apples Kundendaten sammelten. Die Konsequenzen für beide Unternehmen fielen geringer aus als erhofft. Sind wir nicht alle nur Bauern in einem dreidimensionalen Schachspiel? [...]

Facebook und Google haben gegen die Richtlinien von Apple verstoßen und haben Kundendaten gesammelt. Die Konsequenzen für beide Unternehmen fielen eher mau aus. Warum?

Letzte Woche hielt das Internet für mehrere Stunden gebannt den Atem an. Nachdem TechCrunch berichtet hatte, dass Facebook das Developer Enterprise-Programm von Apple mit der Veröffentlichung einer „Research“-App zur Datensammlung missachtet habe, stellte sich heraus, dass Google etwas Ähnliches unternommen hatte. Beide Unternehmen suchten bei iPhone-Nutzern nach wertvollen Daten, die Apple bis dato normalerweise gut unter Verschluss gehalten hat.

Apple musste also reagieren. Facebook und Google haben mit ihrem Tun nicht nur offen gegen die Richtlinien von Apple verstoßen, sie haben auch die strengen Datenschutzbestimmungen des iPhone-Herstellers umgangen, indem sie Daten darüber gesammelt haben, wie, wann und wo Menschen ihre iPhones verwendeten. Und was noch wichtiger ist: Sie haben sich hartnäckig gegen das öffentliche Versprechen von Apple aufgelehnt: „Was auf Ihrem iPhone passiert, bleibt auf Ihrem iPhone.“ Kurz gesagt, wenn Facebook und Google es konnten, wie viele andere Unternehmen dann auch?

Wäre ein kleineres Unternehmen aufgeflogen, hätte Apple wahrscheinlich kurzerhand alle seine Apps aus dem Laden genommen. Darüber hinaus hätte man die Apple Developer Program-Mitgliedschaft des jeweiligen Unternehmens, das iOS-Distributionszertifikat sowie die Developer Enterprise-Zertifizierung des Unternehmens widerrufen. Vielleicht würde der Low-Level Access irgendwann wiederhergestellt, doch Apple würde sie sicherlich aus dem Unternehmensprogramm heraushalten, um auch für andere Unternehmen die eindeutige Nachricht zu senden, dass derartiges Verhalten nicht toleriert wird.

Bei Facebook und Google gelten jedoch andere Regeln. Warum? Wegen uns: den Millionen von Nutzern, die täglich ihre Dienste nutzen. Letztlich hat Apple den Weg des geringsten Widerstands eingeschlagen – es hat das Enterprise Developer Zertifikat für einige Stunden außer Kraft gesetzt, sodass Facebook und Google ihre internen iOS-Apps nicht ausführen können –, weil sie wirklich keine andere Wahl hatten. Doch als sich der Staub legte, hatten alle drei Unternehmen genau das, was sie brauchten, wobei wir Nutzer lediglich die Rolle des Bauern eingenommen hatten.

Gute Miene zum bösen Spiel

Bevor Google überhaupt Teil dieser Geschichte war, wusste niemand, was Apple tun würde, wenn es mit dem TechCrunch-Bericht konfrontiert wird. Einige meinten, das Unternehmen würde die Situation hinter den Kulissen bewältigen, nachdem Facebook öffentlich zugegeben hatte, die App zu benutzen, und diese aus dem Store nehmen. Andere meinten, sie könnten gezielt gegen die Research-App vorgehen. Wieder andere Hypothesen sprechen davon, dass Apple Facebook komplett vom iPhone tilgen könnte.

Aber diese letzte Option war nie wirklich auf dem Tisch. Es ist zwar ziemlich sicher, dass Apple zumindest die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, Facebook vorübergehend aus dem App Store zu nehmen, doch das komplette Entfernen der FacebookApp vom iPhone wäre unhaltbar. Millionen von Menschen nutzen die FacebookApp – ganz abgesehen von den zu Facebook gehörenden Apps Instagram und Whatsapp – jeden Tag auf ihren iPhone; und es muss eine Methode geben, sie alle bei Bedarf schnell aktualisieren zu können. Aber auch darüber hinaus würde Apple nicht einfach die drei beliebtesten Apps im Store entfernen.

Unterm Strich müssen Apple und Facebook einfach irgendwie miteinander auskommen. So auch Apple und Google. Die Dienste, die wir auf unseren iPhones installieren, sind genauso wichtig wie Face-ID- und OLED-Bildschirme und sie sind für unser persönliches und berufliches Leben in der Regel unerlässlich. Wenn Apple, Facebook und Google nicht miteinander auskommen, sind wir alle gefährdet. Sollte so etwas passieren, werden wir alle als Verhandlungsmaterial eingesetzt, wobei Bequemlichkeit, Datenschutz und Sicherheit aller gefährdet sein werden. Und das ist nicht für jeden gut.

Eine riskante Unternehmung

Apples Reaktion hätte eine unangenehme Kettenreaktion auslösen können. Hätte es Facebook aus dem Store genommen, hätte Facebook möglicherweise reagiert, indem es sich geweigert hätte, andere iOS-Apps herzustellen. Für den Zugriff auf Facebook oder Instagram ist allerdings nicht mal eine App erforderlich, es ist einfach nur bequemer sie zu benutzen.

Das wäre jedoch nicht akzeptabel für die Millionen von Menschen, die ein iPhone gekauft haben, um es mit ihren Facebook– und Instagram-Konten zu verwenden. Natürlich verkauft Apple Facebook nicht als Feature, wenn es das iPhone XS vermarktet. Doch es besteht wie automatisch die implizite Annahme, dass Kunden auf ihre bevorzugten Apps zugreifen können – immer und überall. Und immer, wenn Apple und Facebook in einen Streit geraten, wird eben diese Beziehung zur Geisel genommen. Facebook wusste, dass Apple sich rächen würde, aber es ging trotzdem wissentlich an den Richtlinien von Apple vorbei. Warum? Weil es den Hebel in der Hand hat: uns.

Das soll nicht heißen, dass Facebook Apples Servicebedingungen offenkundig ignoriert hat, nur weil es weiß, dass Apple seine Apps nicht wirklich aus dem Store entfernen würde, doch es gibt definitiv Spielraum. Jede Drohung, jede weitere Vergeltung würde uns weit mehr bestrafen, als es Apple oder Facebook schaden würde. Wie letzte Woche gezeigt wurde, hat Apple durchaus die Macht, die Dinge für Facebook schwierig zu gestalten, indem es zum Beispiel den Stecker der internen iOS-Apps zieht, doch auch Facebook hat noch so manches Ass im Ärmel. Und ob es uns gefällt oder nicht, unser Gesicht ist auf jedem von ihnen abgebildet.

Geld regiert die Welt

Bei Google ist es etwas anders. Google bietet zwar wesentlich mehr Apps als Facebook, ist aber bei weitem nicht so unerlässlich. Die meisten von ihnen werden von Apples eigenen Diensten dupliziert. Wie Facebook kann Google sie ganz einfach zu Web-Apps machen und den App Store damit vollständig umgehen.

Google möchte allerdings Ihre Daten. Es gibt einen Grund dafür, dass das Unternehmen Milliarden von Dollar im Jahr ausgibt, um die Standardsuchmaschine für iPhones zu sein: Werbeanzeigen und Daten. Und natürlich will Apple dafür Geld von Google. Deshalb stank die stundenlange Zertifizierungsentfernung letzte Woche eindeutig nach Melodrama. Wenn die Facebook-News nicht zuerst ans Licht gekommen wären, hätten Apple und Google ihre Differenzen womöglich im Hintergrund geklärt. Weder Apple noch Google sind bereit, ihre Beziehung zu riskieren, so dass das, was sich letztendlich aus Konsequenz daraus ergab, weitgehend obligatorisch war. Und letztlich waren wir Nutzer wieder die Bauern.

Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass Apple seine Benutzer vor Apps wie Research und Screenwise Meter schützen möchte. Es ist jedoch auch eine Tatsache, dass Apple keine der Apps gestoppt hat, bis sie öffentlich bekannt wurden. Es schien sich auch nicht um Rückgabe der gesammelten Daten zu bemühen. Entweder wusste Apple über die Existenz beider Apps Bescheid und tat nichts dagegen, oder es übersah einen eklatanten Missbrauch seiner eigenen App Store-Richtlinien, der sich direkt vor seiner Nase abspielte. In beiden Fällen scheint Apple bereit zu sein, den Status Quo zu schützen, komme was da wolle.

Für den Moment ist alles gut. Wir können wie bisher posten und scrollen. Apple hat sich öffentlich für den Datenschutz eingesetzt, und Facebook und Google haben zugestimmt, sich an Apples Regeln zu halten. Aber lassen Sie sich nicht irren, keines der beteiligten Unternehmen hat bei dieser Sache viel verloren. Ja, Google und Facebook mussten ihre Apps zum Sammeln von Daten herunterfahren, aber sie haben immer noch die Daten von mehreren Jahren. Und jetzt wissen wir, dass alle drei Unternehmen bereit sind, mit unserem Vertrauen zu spielen.

*Michael Simon ist Redakteur bei PCWorld und MacWorld.


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