Wenn Projektmanager zur Selbsttäuschung neigen, kann das Projekte rasant ins Unglück stürzen. Wir haben die gängigsten Lügen im Projektmanagement zusammengefasst. [...]
Sie sind Projektmanager in einem spannenden Projekt. Die Timeline ist gesetzt, Entscheidungen sind getroffen, die Projektziele abgesteckt und kommuniziert, die Entscheidung für das geeignete Projektmanagement-Tool steht. Was kann also noch schiefgehen? Die Antwort auf diese Frage lautet leider: Alles.
Einer Studie des Project Management Institute zufolge berichten Unternehmen, die das Projektmanagement unterschätzen, über rund 67 Prozent mehr Projektfehlschläge. Dabei nimmt das Unglück meist mit Projektmanagern ihren Anfang, die von falschen Vorstellungen darüber getrieben sind, wie ein erfolgreicher Projektverlauf geplant und erreicht werden kann.
Im Folgenden haben wir acht der gängigsten Lügen zusammengetragen, mit denen Projektmanager sich selbst – und den Projekterfolg – gefährden.
„Auf die Milestones kommt es an“
Sich an Meilensteinen auszurichten erscheint erstmal sinnvoll, aber es kann gefährlich werden. Denn Milestones sind keine Tasks und bringen die Mission kein Stück voran. Sie geben lediglich Aufschluss über die zurückgelegte Distanz. Es muss also jemanden geben, der Meilensteine in ganz konkrete Aufgaben zerlegt und allen Beteiligten klarmacht, was zu tun ist, um sie zu erreichen. Dieser Jemand ist der Projektmanager.
Viele Projektmanager betrachten Milestones aus genannten Gründen inzwischen als gefährlich: „Der Trick ist, große Projekte mit Geschick zu zerlegen“, meint Paige Costello, Product-Management-Verantwortliche bei Asana, einem Hersteller von Projekt-Management-Tools. „Manchmal wird von dem Milestone ausgegangen, der am weitesten entfernt ist, irgendein Datum in der Zukunft gewählt und die Finger gekreuzt. Aber je offensichtlicher die Komponenten werden, die zur Erreichung dieses Ziels nötig sind, umso verständlicher wird erst, welche Abläufe gleichzeitig stattfinden sollten und welche Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Projektkomponenten bestehen. Nur so kommt man zu einem guten Plan für den Projektablauf.“
„Wir wissen wann wir fertig sind“
Die Ziellinie zu kennen ist essenziell, um ein Rennen erfolgreich abschließen zu können. Auf das Projektmanagement übertragen, ist es jedoch allzu oft der Fall, dass PMs nicht eindeutig beschreiben können, wie die Zielerreichung – beziehungsweise der Endzustand – aussehen soll.
„Projektmanager sagen sich selbst: ‚Jeder weiß doch wie das Ziel aussieht'“, weiß Kim Kessler, Vice President of Product bei Caremerge. „Aber leider weiß es oft niemand. Es liegt in der Verantwortung des Projektmanagers, den Ideen der Stakeholder eine genaue Definition zu verleihen und diese am Projektablauf auszurichten. Ansonsten artet jedes Projekt in reine Spekulation aus.“
„Jeder misst mit gleichem Maß“
Eine weitere gängige Fehlannahme unter Proiektmanagern ist es, dass sich alle über die Maßstäbe einig sind, mit denen Erfolg beurteilt und gemessen wird. Tatsächlich ist es absolut wichtig, dass zu Beginn des Projekts die Frage steht, wie genau die Performance gemessen wird.
„Lautet die Zielsetzung diffus: ‚Wir wollen etwas intuitiver und einfacher gestalten‘, dann muss im Detail definiert werden, was das konkret heißt“, meint Kessler.
„Mühe und Ergebnis sind dasselbe“
Alle Projektbeteiligten hängen sich rein, bemühen sich, machen Überstunden, nehmen an Meetings teil und berichten über ihre Fortschritte. Also wird die nötige Arbeit perfekt erledigt – eine weitere gängige Fehlannahme.
„Jeder belügt jeden und denkt dabei, Mühe stünde synonym für Ertrag. Das ist aber nicht so. Bemühungen sind schwer zu quantifizieren, Ertrag lässt sich hingegen relativ einfach messen“, weiß Autor und Berater Glen B. Alleman.
Hilfreich ist in solchen Situationen eine Strategie, die das Projekt in messbare Abschnitte unterteilt. Schließlich möchte niemand drei Monate lang hart arbeiten, um am Ende schlecht bewertet zu werden. Deshalb sollten Projektmanager Tasks zugewiesen bekommen, die in einem bestimmten Zeitrahmen abgeschlossen werden können.
„Dieser Part wird einfach“
Nicht wenige Menschen im Projektmanagement-Umfeld wissen: Wenn Projektmanager davon überzeugt sind, dass jetzt „nur noch der einfache Teil“ eines Vorhabens ansteht, kommt es oft zu vielen unschönen Ereignissen. Zum Beispiel zu unerwarteten technischen Problemen, Verständnisschwierigkeiten hinsichtlich der Zielsetzung von Tasks, Ressourcenknappheit, unzureichendem Budget oder der schmerzlichen Erkenntnis, dass es keinen Backup-Plan gibt.
„Die Komplexität einer Anforderung von Beginn an nicht zu verstehen, ist der Gipfel der Selbstverleugnung“, ist Beth Scudder, Client Services Manager bei Saggezza überzeugt. „Übernimmt jemand einen bestimmten Task, von dem die Verantwortlichen nicht wissen, dass sich die Aufgabe maßgeblich auf verschiedene andere Aspekte des Projekts auswirkt, kann das ins Unglück führen.“
Nehmen Sie deshalb jede Aufgabe, von der Sie eigentlich denken, dass sie einfach zu bewältigen ist, noch einmal unter die Lupe. Wie sind Sie zu dieser Einschätzung gekommen? Haben Sie die Zielsetzung wirklich verstanden? Und wissen Sie genau, was zur Zielerreichung notwendig ist?
„Wer braucht schon einen Plan B?“
„Einer der gängigsten Wege, wie sich Projektmanager etwas vormachen, besteht darin, unangenehme oder riskante Aufgaben selbst zu übernehmen, weil sie glauben, sie bekommen das schon hin“, weiß Costello. „Sie reden sich ein, dass sie einfach ein bisschen härter arbeiten, in der nächsten Projektphase den Rückstand aufholen, notfalls ein paar Nachtschichten einlegen und so am Ende zum Projekt-Superhelden werden.“
Tatsächlich läuft es im Regelfall eher so ab, dass solche Projektmanager am Ende dabei zusehen müssen, wie das gesamte Projekt gegen die Wand fährt. Schuld ist die Fehleinschätzung, alles selbst regeln zu können und deshalb auch keinen Plan B zu brauchen, beziehungsweise absichtlich darauf verzichten zu können, Experten mit einzubinden.
„Es wäre besser, Herausforderungen und Probleme mit dem Team zu teilen und sie dann gemeinsam anzugehen,“ empfiehlt Costello.
„Keiner weiß zu schätzen was ich tue“
Die Person mit dem Plan aber ohne technische Skills zu sein, ist keine schöne Rolle. Oft entsteht das Gefühl, die eigenen Leistungen würden nicht anerkannt. Das ist dann allerdings ungefähr so, als würde man behaupten, das Steuerruder eines Schiffs wäre nutzlos, weil es unter Wasser und damit nicht sichtbar ist.
„Es gibt immer Prozesse und Technologien, die alles besser und effizienter machen“, meint ChenLi Wang, Senior Vice President bei Pango. „Am Ende ist aber entscheidend, dass das gesamte Team an einem Strang zieht, um das Ziel zu erreichen. Das sicherzustellen, ist die Aufgabe des Projektmanagers.“
Dabei ist Wang nicht der einzige Entscheider, der den Wert guter Projektmanagement-Arbeit zu schätzen weiß. Laut vorgenannter PMI-Umfrage trifft das auf zwei Drittel der Führungskräfte zu. Darüber hinaus priorisiert knapp die Hälfte der in diesem Rahmen befragten Organisationen die Entwicklung einer Unternehmenskultur, die das Projektmanagement wertschätzt.
„Ich bin Projektmanager, keine Führungskraft“
„Projektmanager sind Risikomanager. Und Risikomanagement ist der Extremfall dessen, wie Erwachsene Projekte managen“, ist Alleman überzeugt.
Wer im Team ein Ziel erreichen will, braucht Führungsqualitäten. Schließlich sind es Menschen, die am Ende für den erfolgreichen Abschluss sorgen – nicht Meilensteine, Deadlines, Budgets oder Ressourcen.
„Entscheidend sind die Menschen“, stimmt Wang zu. „Es kommt darauf an, ein Team zu bilden, dessen Zusammenarbeit von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist – und natürlich darauf, Projektmanager einzusetzen, die das Beste aus diesen Menschen herausholen können.“
Projektmanager sind also weit mehr als nur die Typen, die Häkchen hinter Tasks setzen. Sie sind Berater, Orientierungsgeber, Mentalcoach und Führungskraft in einer Person.
*Christina Wood schreibt als freiberufliche Autorin unter anderem für unsere US-Schwesterpublikationen CIO.com, InfoWorld.com und CSO Online.
**Florian Maier beschäftigt sich für Computerwoche mit vielen Themen rund um Technologie und Management. Daneben betätigt er sich auch in sozialen Netzen.
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