Jeder dritte Innovationsmanager sagt, dass er aus Angst schon einmal Innovationen verhindert hat. Das zeigt der deutsche Trendindex 2016 von 2b Ahead Think Tank. [...]
Der aktuelle Deutsche Trendindex zeigt Widersprüchliches. Einerseits modernisieren sich Unternehmen, andererseits verhindern sogar Manager, die für Innovationen verantwortlich sind, dass sich etwas ändert. Der Deutsche Trendindex ist eine regelmäßige Befragung von rund 200 Entscheidern, durchgeführt wird sie vom 2b Ahead Think Tank. Dieser ist nach eigener Darstellung das größte Zukunftsforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum.
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Nur zehn Prozent der Befragten glauben, dass Innovationsprojekte ohne Machtkämpfe ablaufen
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Innovationsmanager bekommen wenig Unterstützung, wenn sie Entscheidungen auf unsicherer Basis treffen müssen
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Es fehlt eine Kultur, die ein Scheitern zulässt
Der Index kann einen Wert von bis zu 200 Zählern erreichen. Ab 100 Zählern aufwärts sprechen die Zukunftsforscher von wachsender Trendorientierung. Deutsche Unternehmen erreichen derzeit 144 Punkte. Sechs Monate zuvor waren es mit 127 deutlich weniger.
DIE TRENDS DER KOMMENDEN ZWEI JAHRE
Knapp jedes dritte Unternehmen orientiert sich an Trendscouts und Trendradaren. In den nächsten zwei Jahren wollen sie auf den demografischen Wandel reagieren (48 Prozent), das Omnichannel-Management ausbauen (46 Prozent) und per Big Data-Analysen ihre Kunden besser verstehen (43 Prozent). Konkrete Technologie-Trends wie 3D-Druck, Virtual und Augmented Reality sowie das selbstfahrende Auto halten sie noch nicht jetzt für relevant, sondern möglicherweise in fünf Jahren.
Die Stimmung innerhalb der Unternehmen ist gut: Mehr als acht von zehn Befragten (81 Prozent) sind positiv oder sehr positiv gestimmt. Immerhin knapp jeder Zweite (48 Prozent) sagt das nicht nur für die eigene Firma, sondern auch für die Gesamtwirtschaft. Doch die positive Nachricht über den steigenden Trendindex wird durch weitergehende Analysen gedämpft. Die Forscher wollten wissen, woran Innovationen scheitern.
OPEN INNOVATION ALS GEGENMITTEL
Die Antworten kreisen um Emotionales. 52 Prozent der Befragten sprechen von Angst vor Innovationen. 35 Prozent der Innovations-Chefs gehen einen Schritt weiter und erklären sogar, selbst schon einmal eine Innovation verhindert zu haben, und zwar teils unbewusst, teils aber auch bewusst. Die Forscher betonen: „Dies sind keine der üblichen Bedenkenträger, sondern diejenigen Führungspersonen, die das Unternehmen angestellt hat, um Innovationen zu befördern.“
Auf die Frage nach den Ursachen zeigt sich, dass Innovations-Manager wenig Unterstützung bekommen, wenn sie Entscheidungen auf unsicherer Basis treffen müssen. Ein geeignetes Mittel sehen die Forscher in Open Innovation.
Es geht dabei nicht nur um die Angst vor finanziellen Risiken. Die Studienteilnehmer machen auch eine „Kultur der deutschen Unternehmen“ verantwortlich, ein Verhalten, stets auf „Nummer sicher“ zu gehen, die Komfortzone nicht verlassen zu wollen. Es mangele an einer Kultur des Scheiterns.
Wie die Forscher schreiben, richtet sich nun manche Hoffnung auf die Jugend. Vielleicht, so die Aussagen mancher Befragten, sei diese Angst einfach eine Generationenfrage. Andere meinen, sie sei eben „in der deutschen Kultur verankert.“
INNOVATIONEN LÖSEN MACHTKÄMPFE AUS
Außerdem lösen Innovationen offenbar Machtkämpfe aus. 54 Prozent der Befragten geben an, Machtverluste zu befürchten. Andererseits erwarten 40 Prozent aller Studienteilnehmer – unter den Vorständen sind es 41 Prozent – einen Machtgewinn für sich. Lediglich jeder Zehnte traut seinem Unternehmen zu, Innovationsprojekte ohne Machtkämpfe durchzuführen. Das gelinge durch Kommunikation. Die Forscher raten denn auch zu internen regelmäßigen Diskussionsrunden, bei denen sich die Belegschaft über Innovationen informieren und Fragen stellen kann.
80 PROZENT HALTEN QUEREINSTEIGER FÜR INNOVATIVER
Ein weiterer Knackpunkt sind Glaubenssätze. Dass an bestehenden Regeln und Glaubenssätzen festgehalten wird, und dass das Innovationen hemmt, ist offenbar bekannt. 80 Prozent der Ingenieure und Fachexperten schreiben Quereinsteigern höhere Innovationsfähigkeit zu als eingearbeitete Experten. Dazu die Forscher: „Wollen die Unternehmen akzeptieren, dass ihre Langzeitexperten dauerhaft weniger innovativ sind?“
Die genannten Faktoren gelten als stärkste Innovationsverhinderer. Sie wirken massiver als politische und rechtliche Rahmenbedingungen oder bürokratische Hürden.
FÜHRUNGSETAGEN SIND NICHT BERATUNGSRESISTENT
Offenbar gibt es aber für alle genannten Innovationsblockaden Bewusstsein in den Führungsetagen. Denn die Befragung zeigt auch, dass sich die Unternehmen beraten lassen. Sie nutzen Innovationsschulungen, Workshops und Kreativitätstechniken. Die Zukunftsforscher schreiben: „Des Weiteren ist Feedback auf allen Ebenen eine vielversprechende Strategie. Diese erfordert allerdings entweder mutige Mitarbeiter oder – viel besser – eine offene und kritikfähige Unternehmenskultur.“
*Christiane Pütter ist Journalistin aus München und schreibt über IT, Business und Wissenschaft
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