Zukunftsorientierte ERP-Strategie

ERP-Projekte werden in der Regel noch immer als Einzelvorhaben realisiert. Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG, setzt sich für einen ganzheitlichen Ansatz ein, der mit Roadmapping kombiniert wird. [...]

ERP-Installationen stellen in Unternehmen das Rückgrat der Business-Software-Infrastruktur dar und werden meist unternehmensweit über die in die Auftragsabwicklung involvierten Bereiche und Standorte hinweg eingesetzt. Bei kontinuierlich steigender Tendenz arbeiten dabei zwischen 20 Prozent (größere Fertigungsunternehmen) und 90 Prozent (kleinere Dienstleister) der Mitarbeiter eines Unternehmens mit einer ERP-Lösung. Darüber hinaus werden im ERP-System viele Informationen aus bereichsspezifischen Anwendungen (zum Beispiel CRM/Vertrieb, PDM/Entwicklung, MES/Produktion, DMS/Informationsmanagement) gebündelt beziehungsweise auch zur weiteren Verarbeitung an diese Anwendungen weitergegeben.

Trotz ihrer Bedeutung für das Unternehmen werden ERP-Infrastrukturprojekte – seien es einzelne Anpassungen, die Auswahl und Einführung einer neuen Lösung oder die umfassende Modernisierung einer bestehenden Lösung – in der Praxis noch meist als isolierte Einzelvorhaben durchgeführt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Lebensdauer von ERP-Installationen einerseits und der wachsenden Geschwindigkeit des technologischen Wandels im ERP-Bereich andererseits, scheint hier ein Perspektivwechsel geboten: Weg von isolierten Einzelprojekten hin zu einer ganzheitlichen Bewirtschaftung über den gesamten ERP-Lebenszyklus gemäß einer umfassenden IT-Strategie.

ÜBERSICHT BEHALTEN
Die starke Verflechtung des ERP-Systems mit allen Unternehmensbereichen und -anwendungen ist Voraussetzung für eine effiziente Auftragsabwicklung ohne Medienbrüche. Gleichzeitig stellt sie aber auch eine große Herausforderung dar, wenn es darum geht, Prozesse und Software-Unterstützung miteinander im Einklang zu halten.

Neue Märkte oder Produkte, neue Technologien (z.B. Tablet-PC und Cloud-Lösungen), verändertes Nutzerverhalten (z.B. „Apple-Manie“) und/oder neue gesetzliche Rahmenbedingungen erfordern regelmäßig eine Anpassung von Unternehmensstrukturen und -prozessen. Dies schlägt sich insbesondere in neuen Anforderungen an die Business-Software-Infrastruktur mit dem ERP-System im Kern nieder – sei es im Hinblick auf notwendige Ergänzungen (z.B. in Bereichen wie CRM, MES, PLM, DMS und BI) oder bezogen auf Anpassungen der bestehenden Software-Lösungen. In der Praxis lässt sich in diesem Zusammenhang nicht selten eine Maßnahmen- und Investitionsplanung beobachten, die durch Zufälligkeiten und oft auch durch „Vorrats-Bedarfe“ gekennzeichnet ist. Der tatsächliche Investitionsbedarf, nicht zuletzt aber auch die Machbarkeit von Investitionsprojekten vor dem Hintergrund verfügbarer Personalkapazitäten und fachlicher Abhängigkeiten, kristallisiert sich dann oft erst im Nachgang heraus. Die Investitionsplanung hat mit der Realität oftmals nicht mehr viel zu tun, so dass Budgets entweder in „Projektruinen“ versickern oder mangels Abruf gerne auch wieder „kassiert“ werden.

Neben unklar oder gar nicht formulierten strategischen Rahmenbedingungen und Vorgaben zeichnen in der Regel mangelnde Übersicht über den Status Quo (u.a. Lösungsportfolio, Prozessunterstützung durch vorhandene Software, laufende Projekte) und verfügbare Handlungsoptionen für solche Fehlentwicklungen verantwortlich.

Darüber hinaus leidet eine zielführende Priorisierung von Investitionen und Optimierungen oftmals unter dem schwer quantifizierbaren Nutzen solcher Maßnahmen. So nannten zum Beispiel die Teilnehmer einer aktuellen Trovarit-Studie zum Thema ERP-Modernisierung als ein Hauptargument gegen Modernisierungsinvestitionen das „erwartete Kosten-/Nutzenverhältnis“ (ca. 31 Prozent). Gleichzeitig gaben fast 25 Prozent der Teilnehmer an, dass bei ihnen Unsicherheit über den Nutzen von Modernisierungsmaßnahmen besteht.

Dieselbe Studie zeigt aber auch recht eindeutig, was Investitionen in eine moderne ERP-Infrastruktur bringen: Vergleicht man, welcher Nutzen einer älteren bzw. einer modernisierten ERP-Installationen beigemessen wird, offenbaren die modernisierten deutliche Vorteile im Hinblick auf die Transparenz im Unternehmen sowie auf die Effizienz der Geschäftsprozesse.

REGELMÄSSIG NACHJUSTIEREN
Will man an dieser Stelle vermeiden dass Optimierungspotenziale ungenutzt bleiben, empfiehlt es sich, die Geschäftsprozesse und ihre Unterstützung durch die Software-Infrastruktur regelmäßig zu überprüfen und einem Abgleich mit den strategischen Vorgaben zu unterziehen. Eine solche Bestandsaufnahme in Form einer umfassenden Einsatzanalyse der ERP-Landschaft sollte angesichts der heutigen Dynamik in Unternehmen spätestens alle drei Jahre erfolgen, wenn nicht besondere Ereignisse eine derartige Analyse früher erforderlich machen.

Trotz aller Sinnhaftigkeit scheitern solche Analysen in der Praxis oft am Mangel verfügbarer und effizienter Werkzeuge sowie dem erforderlichen (Personal-) Aufwand. Strukturierte Verfahren wie die „ERP-Roadmap“ der Trovarit leisten hier wertvolle Hilfe, indem sie den Aufwand für die Standortbestimmung sowie die nachfolgende Erarbeitung eines Masterplans für die Weiterentwicklung der Software-Infrastruktur minimieren und gleichzeitig über Vergleichswerte und Referenzmodelle die Ergebnisse absichern.

Strukturierte Workshops und Befragungen von Management, Anwendern und IT liefern bereits nach zwei bis drei Wochen fundierte Antworten auf folgende Fragen:
– Welchen Einfluss haben die Unternehmensprozesse und -funktionen im Hinblick auf den Unternehmenserfolg?
– Welche Reife weisen die Unternehmensprozesse bezüglich Stabilität und Steuerbarkeit auf?
– In welchem Umfang und in welcher Güte unterstützt die vorhandene Software-Infrastruktur die Abwicklung der Unternehmensprozesse?

ERP-ROADMAP
Ausgehend von diesen Informationen werden Optimierungspotenziale und Handlungsfelder sowohl für einzelne Unternehmensbereiche als auch für Querschnitts­aufgaben ermittelt, konsolidiert und priorisiert. Für relevante Handlungsfelder werden Lösungsansätze erarbeitet und im Hinblick auf Nutzen bzw. Aufwand sowie etwaige wechselseitige Abhängigkeiten grob bewertet.

Es empfiehlt sich, das entstehende Maßnahmenportfolio nicht nur im Hinblick auf Aufwand und Nutzen zu bewerten und zu priorisieren. Angesichts knapper Kapazitäten sowie aufgrund etwaiger inhaltlicher Abhängigkeiten einzelner Maßnahmen sollte eine Art Fahrplan (die sogenannte „ERP-Roadmap“) formuliert werden, in den die Maßnahmen auch zeitlich eingeordnet werden.

Neue Impulse für Optimierungen kann neben den Beiträgen von Management und Fachpersonal nicht zuletzt auch ein Gespräch mit dem betreuenden ERP-Anbieter liefern, der letztlich das Potenzial seines Lösungsangebotes am besten kennt: Unter Umständen wurden sogar lösungsseitige Innovationen bereits über Updates bereitgestellt, bisher aber nicht eingesetzt.

In diesem Fall wird das volle Potenzial der eingesetzten ERP-Lösung zur Optimierung von Unternehmensprozessen oder des ERP-Betriebs als solchem nicht genutzt. Im anderen Extremfall kann eine derartige Einsatzanalyse auch so massive Defizite der vorhandenen ERP-Infrastruktur aufdecken, dass damit der Anstoß für eine Ersatzinvestition gegeben werden kann.

Die Vorgehensweise des Roadmapping erlaubt es strukturiert und effizient den Status Quo des aktuellen Software-Einsatz zu erfassen und zu bewerten, mögliche Handlungsoptionen zu erarbeiten und diese mit der entwickelten Software-Strategie abzugleichen. Damit steht Entscheidungsträgern ein Rahmen zur Verfügung, Maßnahmen und Projekte in den notwendigen strategischen Kontext zu bringen und regelmäßig die Wirksamkeit zu prüfen.

* Karsten Sontow ist Vorstand der Trovarit AG. Als Spin-Off des Forschungsinstituts für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen steht Trovarit in einer langjährigen Tradition, die wissenschaftlich fundierte Unternehmens- und Prozessmodelle mit praxiserprobten Verfahren zur Software-Evaluation und Einsatzanalyse verknüpft.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*