Zwischen Konsolidierung und Innovation

Während ERP-Anbieter mit Themen wie Mobility und Cloud neue Umsatzquellen wittern, zählen für die Anwenderunternehmen vor allem zwei Dinge, wenn es um ihre ERP-Systeme geht: Konsolidierung bzw. Standardisierung und bessere Usability. [...]

MOBILE FIRST
Eine Tatsache, die SAP-Geschäfsführer Klaus Sickinger durchaus bewusst ist: „Wir haben sicher einen gewissen Aufholbedarf, was Oberflächen betrifft.“ Der SAP-Weg zu mehr Benutzerfreundlichkeit heißt „mobile first“. Neue Anwendungen werden für mobile Geräte entwickelt, da sie sich dann problemlos auch auf Desktops einsetzen lassen, was umgekehrt nicht der Fall ist. „Wir adressieren das Thema Usability stark mit mobilen Apps“, sagt Sickinger. Das funktioniere deshalb gut, „weil Apps für eine bestimmte Rolle, eine bestimmte Tätigkeit programmiert sind, was die Benutzerfreundlichkeit enorm erhöht“. 25 derartige Apps für sehr häufig genutzte Rollen bietet SAP inzwischen an – bis Ende des Jahres sollen es 200 sein. „So können wir viele SAP-Prozesse mobil machen und gleichzeitig bekommt der User mobil und auch am Desktop die gleiche Oberfläche.“

Die gleiche Nutzeroberfläche zu haben, egal welches Gerät man verwendet, wird gerade im Hinblick auf die steigende Zahl mobiler Geräte immer wichtiger. Doch die meisten ERP-Systeme sind dafür noch zu wenig gerüstet. Laut Auswertungen von Trovarit unterstützen knapp zwei Drittel der 229 untersuchten ERP-Systeme zumindest eine der am Markt vertretenen Mobil-Plattformen. Aber eben nur eine: Knapp die Hälfte dieser ERP-Lösungen beschränkt sich auf eine Mobilplattform und unterstützt entweder iOS oder Windows Mobile oder Android. Ein Umstand der angesichts der Vielfalt an Endgeräten durchaus relevante Einschränkungen der mobilen Nutzbarkeit mit sich bringt. Navax-Chefin Lisa Kuhn denkt in diesem Zusammenhang beispielsweise an ein Reizwort vieler CIO: BYOD. „BYOD wird den ERP-Markt massiv verändern.“ Aber noch nicht so bald: „Viele CIO wehren sich derzeit gegen BYOD. Das Thema erfordert eine Umstellung in den Köpfen und in den Prozessen, aber wir müssen uns darauf einstellen.“

Ähnliches gilt auch für ERP-Lösungen aus der Cloud. Anwendungsfälle wie der von Osiatis sind derzeit noch die Ausnahme und Entscheidundsträger wie Robert Musil, die „null Angst vor Cloud haben“, ebenfalls. Lisa Kuhn zufolge werden sich ERP-Systeme aus der Cloud erst in fünf bis zehn Jahren durchsetzen. „Die ERP-Hersteller pushen das stark, aber der Markt nimmt das noch nicht wirklich an.“ Eine sehr emotionale Sichtweise trübt oft den Blick auf die handfesten Vorteile von Cloud-Systemen, gegen die „technisch und wirtschaftlich gesehen wenig spricht“. Sicherheitsbedenken sind allgegenwärtig. „Wir glauben heute, dass Daten im eigenen Serverraum gut geschützt sind, nur weil die Tür zu ist und er am Firmenareal steht“, so Kuhn. SAP-Chef Sickinger geht noch einen Schritt weiter: „Aus meiner Sicht wäre der Schritt zu einer Cloud-Lösung für viele Unternehmen ein Sicherheitsgewinn.“

TEURE CLOUD-SYSTEME?
Datenschutz ist jedoch nicht das einzige Argument, das derzeit noch gegen Cloud-Services spricht. Auch die Kosten sollten genau unter die Lupe genommen werden. „Was ich in den letzten Jahren beim Vergleich von Cloud- mit konventionellen Angeboten gesehen habe, war, dass für Unternehmen, die nicht zwischen CAPEX und OPEX unterscheiden müssen, und die die Hardware und Systeme ohnehin weiterfahren müssen, ein Cloud-ERP-System schon auf fünf Jahre gerechnet teurer ist, als ein Lizenzkauf samt Updatevertrag“, kritisiert Trovarit-Manager Schober.

Das komplette ERP-System als SaaS zu beziehen kommt also für die große Mehrheit der Unternehmen derzeit nicht in Frage. Was dagegen auf Anwenderseite durchaus gut ankommt, sind hybride Architekturen, bei denen das on-premise installierte ERP-System um verschiedene Cloud-Services ergänzt wird. Dieses Vorgehen geht Hand in Hand mit dem Wunsch vieler Unternehmen, bzw. den Fachabteilungen dieser Unternehmen, nach neuer ERP-Funktionalität, auf die man auch in Zeiten der Konsolidierung nicht verzichten will.

PROZESSOPTIMIERUNG
Egal ob Cloud, on-premise oder hybrid – eines gilt für alle ERP-Projekte: Anwender sollten sie als Chance zur Prozessoptimierung betrachten. „Viele Unternehmen glauben, dass sie mit der Einführung eines neuen ERP-Systems alle Prozess- und Organisationsprobleme vom Tisch wischen“, sagt Lisa Kuhn. „Das funktioniert aber so nicht.“ Ein moderneres ERP-System hat zweifellos seine Vorteile und wird wahrscheinlich auch zu höherer Akzeptanz führen, aber bestehende Probleme werden damit nicht von selbst ausgeräumt. „Der reine Tausch von Technologie ist einfach. Man muss aber auch die Optimierungsmöglichkeiten der eigenen Prozesse mitbetrachten. Nur Geld für eine neue Software auf den Tisch zu legen, reicht nicht.“ Kuhn vermisst bei ERP-Projekten oft „den Blick nach innen. Den macht man oft nicht gerne. Veränderung ist immer schwierig.“ Die Kritik richtet sich aber nicht nur an die Anwender, sondern gilt auch für Systemintegratoren wie eben Navax: „Es ist heute nicht mehr nur der technische Implementierer gefragt, sondern es ist der Prozessberater. Kunden und IT-Dienstleister sollten daher laut Kuhn stärker aufeinander zugehen.

Und auch die ERP-Hersteller selbst sind gefordert. Die Anbieter der ERP-Systeme positionieren sich oft als reine Werkzeuglieferanten. „Ein ERP-Anbieter hat kürzlich zu mir gesagt, dass er eben nicht Unternehmensberater sei, auch gewerberechtlich nicht, und wie ein Kunde sein System verwendet, liege allein in der Verantwortung des Kunden“, erzählt Michael Schober. Die Erwartungshaltung der Kunden sei aber, dass der ERP/CRM/BI-Lieferant auch Business-Knowhow mitbringt. „Es wäre dem Erfolg von Business-Software-Projekten daher aus meiner Sicht sehr zuträglich, wenn sich die Kunden und Anbieter auch die Unterstützung von externen Unternehmensberatern einholen würden.“ (oli)


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