Am 30. September 2016 fand im Audimax der ETH Zürich das zehnjährige Jubiläum des Zürcher Netzwerktreffens statt. Die vom Future Network, der Schweizer Informatik Gesellschaft, der ETH Zürich und anderen veranstaltete Konferenz widmete sich in diesem Jahr den Chancen und Herausforderungen, die durch die ETH Zürich und die digitale Gesellschaft entstehen. [...]
Wie verändert das Internet der Dinge und die Industrie 4.0 unser Arbeitsleben? Müssen die Bürger sich von Privatsphäre und Anonymität verabschieden? Anknüpfend an seinen Vortrag im Vorjahr übte Clemens Cap von der Universität Rostock einmal mehr Kritik an den „feudalen“ Verhältnissen zwischen Nutzern und den Technologiefirmen, die mit den persönlichen Daten ihrer Kunden Geld verdienen, diesen gleichzeitig aber jegliche informationelle Selbstbestimmung absprechen.
„Bei all den Diskussionen geht es immer nur um das Geschäftsmodell der Firmen. Doch was ist mit dem Geschäftsmodell der Bürger? Wir befinden uns einfach nicht auf Augenhöhe“, stellte Cap fest. Das beginne bei Flugbuchungen, wo Algorithmen im Hintergrund praktisch willkürlich Preise ausspucken und ende mit sehr persönlichen Geräten wie einem vernetzten Dildo, der Daten zur Nutzungsdauer und Temperatur sammle und diese laut den Nutzungsbedingungen an Behörden weitergebe, wählte Cap ein absurdes und gleichzeitig verstörendes Beispiel. Auch dass Firmen wie Google und Microsoft im Kampf gegen Kinderpornografie E-Mails ihrer Kunden auf verdächtige Fotos scannen und Nutzer dann an den Staat ausliefern, hinterlässt bei Cap trotz der ehrenwerten Absicht ein befremdliches Gefühl. „Wenn Privatunternehmen beginnen, im Auftrag der Behörden Menschen auszuspionieren, sind wir von einer Spitzelgesellschaft, wie es sie etwa in der DDR gegeben hat, nicht mehr weit entfernt“, kritisiert Cap. Verstärkt wird das Problem durch soziale Netzwerke wie Facebook, über die man durch die Auswertung der Daten von der politischen Einstellung bis zur sexuellen Orientierung praktisch alles über einen Bürger herausfinden kann.
Warnhinweise zur Privatsphäre
Cap zufolge sind völlig neue Ansätze gefragt, um das Ungleichgewicht zwischen Nutzern und Firmen bzw. Geräteherstellern wieder ins Lot zu bringen. Warnhinweise wie „das Log-in gefährdet ihre Privatsphäre“ könnten ein erster Schritt zur Bewusstseinsbildung sein. Gleichzeitig sollten Firmen gesetzlich verpflichtet werden, Usern Einsicht in alle gesammelten persönlichen Daten zu gewähren und eine Löschung derselben zu ermöglichen. Vorstellbar für Cap sind auch Steuerbegünstigungen für Firmen, die datenschutzfreundliche Produkte anbieten. Hersteller sollten garantieren müssen, dass ihre Geräte auch ohne Nutzung von Services bzw. die Angabe von persönlichen Daten verwendet werden können. Die Verletzung der Privatsphäre, wie etwa auch die geschäftsmäßige Weitergabe von Daten sollte hingegen strafbar sein. Technisch gesehen ist es für Cap auch denkbar, dass Daten nicht bei der Firma gespeichert werden, sondern von einer dritten, neutralen Anlaufstelle verwaltet werden. Über entsprechende Schnittstellen wird der Service wie gewohnt bereitgestellt. Eine Alternative könne die Verteilung der Daten anhand von Multiparty-Protokollen sein, die ein Missbrauch persönlicher Informationen durch einzelne Unternehmen ebenfalls verhindert oder zumindest erschwert. Blockchain-Technologien würden hier den Weg weisen.
Aufklärung 2.0
„Bürgerinnen und Bürger müssen nicht machtlos sein“, lautete hingegen die Kernaussage bzw. der Appell von Christof Tschohl vom österreichischen Research Institute. Der Mann weiß, wovon er spricht, brachte er als Erstbeschwerdeführer und Autor des Antrags an den Verfassungsgerichtshof doch die umstrittene Vorratsdatenspeicherung in Österreich und der EU zu Fall. Über 11.000 Personen hatten sich 2014 der Massenbeschwerde angeschlossen. Als Werterahmen für techische Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft schlägt, Tschohl eine Orientierung an den global gültigen Menschenrechten vor. „Die Unmündigkeit ist teilweise auch selbstverschuldet“, sagte Tschohl mit einem Hinweis auf die Freizügigkeit und den vorauseilenden Gehorsam, mit der Daten in sozialen Netzwerken, aber auch mit Technologiefirmen geteilt werden. Angesichts der Entwicklung zu smarten Städten, in denen riesige Datenmengen nicht nur gesammelt, sondern auch ausgewertet werden, müsse man sich auf einen gemeinsamen Nenner verständigen, um Grundrechte wie die Informations- und Meinungsfreiheit, aber auch den Schutz der Privatsphäre nicht dem Fortschritt zu opfern. „Ich hoffe sehr, dass wir in ein Aufklärungszeitalter 2.0 kommen, das neben der Smart City auch den smarten Bürger hervorbringt“, sagte Tschohl.
Cognitive Computing
Wie intelligente Computersysteme der Menschheit künftig dienen und einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten können, führte Peter Buhler vom IBM-Forschungslabor Rüschlikon aus. Damit aus der enormen Datenflut auch die richtigen Schlüsse gezogen werden können – etwa, um den Verkehr sicherer zu gestalten oder die medizinische Forschung voranzutreiben – seien selbstlernende, kognitive Computersysteme unumgänglich. „Auf Facebook werden 55 Millionen Updates täglich gepostet, in New York fallen allein 520 Terabyte an Daten täglich durch Überwachungskameras an. Das Problem daran ist, dass diese Daten aus Informatikperspektive unstrukturiert sind und damit für herkömmliche Computersysteme nicht oder nur sehr schwer zum Verarbeiten geeignet sind“, erklärt Buhler.
Über kognitiv agierende Systeme, die quasi menschliche Eigenschaften kopieren, und innerhalb gewisser Parameter eigenständig nach Lösungen für Probleme suchen, könne dieses Problem gelöst werden. Damit etwa auch Roboter komplexe Aufgaben besser bewältigen können – Stichwort Industrie 4.0 – müsse die Interaktion mit Menschen besser funktionieren. Als Beispiel führte der IBM-Forscher einen Roboter an, der eine bislang unbekannte Tätigkeit lernt, indem er seinem menschlichen Gegenüber einige Fragen dazu stellt. In dem gezeigten Video handelte es sich zwar nur um den vermeintlich einfachen Befehl, der Roboterarm möge den Gegenstand vor ihm anstoßen. Dass Computer mittlerweile Anweisungen in natürlicher Sprache verstehen und auch im Kontext interpretieren können, war aber faszinierend und unheimlich zugleich. Dass kognitive Computersysteme in absehbarer Zeit eine Bedrohung für den Menschen werden könnten, glaubt Buhler hingegen nicht. „Das Chaos in unseren Köpfen, das gleichzeitig auch unsere enorme Kreativität verursacht, konnte man bisher nicht in Computersystemen nachbilden oder durch diese ersetzen. Von daher denke ich nicht, dass kognitive Systeme uns als Menschheit gefährlich werden können. Vielmehr werden wir als Gesellschaft von ihnen profitieren, da wir durch sie Entscheidungen besser und intelligenter treffen können“, erklärte Buhler.
Digitale Welt braucht neue Konzepte
Auch Universitätsprofessor Dirk Helbing von der ETH Zürich zeigte sich in seiner Keynote davon überzeugt, dass intelligente Computersysteme uns helfen werden, die anstehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen besser zu bewältigen. Wer jedoch glaube, dass Künstliche Intelligenz oder auch Big Data bzw. das „Internet der Dinge“ alle Probleme lösen werde, liege falsch. „Allem technologischen Fortschritt zum Trotz sind sämtliche existenzielle Herausforderungen vom Klimawandel zur Finanz- und Wirtschaftskrise, von Kriegen, Massenflucht, Terrorismus bis zum generellen Mangel an nachhaltiger Entwicklung ungelöst“, lautete Helbings düsteres Fazit.
Während das Leben in den digitalen Filterblasen und die Aufbereitung personalisierter Inhalte durch Handy- und Computer-Dienste uns ein Stück weit ferngesteuert und unkreativ agieren lassen, sorgen scheinbar objektive Algorithmen dafür, dass diskriminierende Muster durch Technologie legitimiert werden. Zielführender als ein kontrollierender Top-down-Zugang seien folglich dezentrale Ansätze, in denen sich Systeme selber organisieren können. Helbing nannte als Beispiel das Ampelsystem einer Stadt. Um möglichst flüssige Verkehrsströme zu garantieren, sollten Ampeln folglich nicht von einer zentralen Stelle geschaltet werden, sondern sich der lokalen Verkehrssituation anpassen.
„Wir brauchen ein partizipatives Finanzsystem, in dem die Sharing Economy eine wichtige Rolle spielt, wie auch eine Verwaltung – Stichwort Governance 4.0 – wo Ideen und Lösungen auf Plattformen gesammelt, geteilt und in bestehende Prozesse integriert werden“, sagte Helbing. Als größte Herausforderungen neben dem Finanzsystem wertete Helbing die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wo in absehbarer Zeit durch die digitale Transformation und die damit einhergehende Automatisierung 50 Prozent der heutigen Jobs wegfallen werden könnten. Auch eine ökologische Produktionswende sei angesichts der begrenzten Ressourcen auf der Erde unabdingbar. Wer jedoch glaube, dass Künstliche Intelligenz oder auch Big Data bzw. das Internet der Dinge alle Probleme lösen werde, liege falsch. Mehr Daten heißt nicht automatisch besser.
Partizipativer Ansatz
Wie Bürgerinnen und Bürger besser in die Entscheidungsfindung eingebunden werden können, veranschaulichte Norbert Weidinger von der Magistratsdirektion der Stadt Wien anhand einer Reihe digitaler Bürgerbeteiligungsprojekte. „Digitale Werkzeuge sorgen dafür, dass Bürgerinnen und Bürger sich mehr an Entscheidungsprozessen beteiligen können. Das hat die gemeinsame Entwicklung der >Digital Agenda Vienna< - der IT-Strategie der Stadt - gezeigt", ist Weidinger überzeugt. Von der Partizipation, die durch elektronische Hilfsmittel wesentlich erleichtert werden, würden alle profitieren. Die Nachvollziehbarkeit, Akzeptanz und Qualität von Entscheidungen werde ebenso erhöht wie auch das Vertrauen in die Politik und öffentliche Verwaltung gestärkt. Dadurch ließen sich wiederum Pläne und Programme leichter und schneller umsetzen, was wiederum ein nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor sei, sagte Weidinger. Die im Rahmen der Bürgerbeteiligung entstandenen und verfeinerten Projekte wie eine App, um Störungen der Stadt zu melden, seien erst der Anfang, zeigte sich Weidinger motiviert.
Industrie 4.0 und Internet der Dinge
Zwei der wichtigsten Trends in der heutigen Industrie und Wirtschaft, nämlich die vierte industrielle Revolution – auch Industrie 4.0 genannt – und das vernetzte Internet der Dinge, durften beim Zürcher Netzwerktreffen nicht zu kurz kommen. „Beide Trends propagieren neue Technologien, um Geräte zu verbinden, Daten von verschiedenen Quellen zu sammeln und zu analysieren, um Erkenntnisse für industrielle Prozesse zu gewinnen. Wenn aber den gewonnenen Erkenntnissen keine Taten folgen, gibt es keine Produktivitätssteigerung, und damit auch keinen Nutzen für den Kunden“, warnte Roman Schlegel von ABB Switzerland. Als besonders spannendes Feld nannte Schlegel die Wartung von Maschinen. Mittels angebrachter Sensoren werden Informationen vom laufenden Betrieb aufgezeichnet. Bei Störungen, die von Mitarbeitern vor Ort nicht genau zu lokalisieren sind, kann per Fernwartung eine Diagnose und mitunter auch eine Behebung der Probleme durchgeführt werden. In vielen Fällen können fehlerhafte bzw. angeschlagene Bauteile ausgetauscht werden, bevor es zu einem teuren Gesamtversagen des Systems kommt. Wenn durch so ein Service Produktionsausfälle bzw. der Schaden durch defekte Maschinenteile minimiert werden können, seien Kunden auch bereit, dafür zu zahlen, ist Schlegel überzeugt.
Professor Klaus-Dieter Schewe vom Software Competence Center Hagenberg referierte über den aktuellen Status quo von Industrie 4.0 in Österreich. In seinem Vortrag forderte er mehr Mut zu einer echten Revolution ein: „Derzeit wird viel über die Industrie 4.0 geredet und so getan, dass das, was wir haben, bereits Industrie 4.0 sei. Dabei handelt es sich bei vielen Prozessen nur um kleine evolutionäre Schritte, die uns den Blick auf die wahre Revolution verstellen. In Wahrheit wird man das Gefühl nicht los, dass wir nicht genau wissen, was und wohin wir mit der Industrie 4.0 eigentlich wollen.“
Forschung für mehr Sicherheit
Aus wissenschaftlicher Sicht sei jetzt vor allem Interdisziplinarität gefragt, um verlässliche Nachweise zu bekommen, in welchen Bereichen Industrie 4.0 zu revolutionären neuen Prozessen und Ergebnissen führe, sagte Schewe. Auf die Notwendigkeit empirischer Forschung im Bereich der Informationssicherheit wies auch Edgar Weippl von Secure Business Austria Research hin. Viele Daten, die für Forschungszwecke nützlich wären, seien für Sicherheitsforscher aber leider nicht zugänglich, weil sie durch die Betreiber versteckt werden, sagte Weippl mit Hinweis auf große Cloud-Betreiber wie Amazon oder Google. Auch im Hintergrund ablaufende Prozesse seien oftmals für Forscher nicht transparent und somit nicht überprüfbar. Das sei insofern auch problematisch, da die Schwachstellen und Programmierfehler, die als Einfallstor für Angriffe dienen können, bei vielen Services über die Jahre eher zu- als abgenommen hätten, so Weippl. Ähnlich kritisch – gerade auch was die Infrastruktur betrifft, über die unsere Daten gesammelt und gespeichert werden – zeigte sich IBM-Forscher Jan Camenisch in seinem Vortrag. Bei den meisten Apps würden Funktionen und Benutzbarkeit im Vordergrund stehen, die Sicherheit werde – wenn überhaupt – erst am Schluss berücksichtigt:
„In vielen Fällen ist die Infrastruktur schon so komplex geworden, dass wir kaum noch wissen, wie sie im Detail funktioniert. Gerade im App-Bereich gibt es zudem keine vorgeschriebenen verbindlichen Tests, welche die Software auf Sicherheitslücken und schlechtes Design abklopfen.“ Dazu komme, dass gewisse Infrastruktur von Nachrichtendiensten und Behörden nachweislich geschwächt worden sei, um leichteren Zugriff auf sensible Daten zu erlangen. Als probates Mittel, um Systeme sicherer zu gestalten, legt Camenisch die Verschlüsselung von Daten zu jedem Zeitpunkt der Übertragungsstrecke nahe. Auch die Verteilung und Aufsplittung von Daten auf mehrere Server sei ein vielversprechender Ansatz, um das Risiko im Fall eines Server-Hacks zu minimieren.
Digitale Transformation
Im Rahmen der Konferenz gab Priska Altorfer von der Schweizer Informatikgesellschaft SI erste Einblicke in eine neue Studie über „Digitale Transformation und Gesellschaft“. Für diese wurden bisher über 20 Organisationen in elf Ländern befragt. Neben autonomen Systemen bringen die meisten befragten Firmen Automatisationsprozesse und Individualisierung mit digitaler Transformation in Verbindung. Während neue Business-Modelle, Produkte und Services bei über 80 Prozent der Befragten bereits konkret geplant oder umgesetzt sind, haben die Unternehmen bei neuen Produktionsmethoden und vor allem auch der Umsetzung neuer flexibler Arbeitszeitmodelle Nachholbedarf.
Einen launigen und gleichzeitig nachdenklich stimmenden Vortrag lieferte hingegen der Schweizer Journalist Christoph Pfluger zum Thema bargeldlose Gesellschaft ab. „Es gibt weltweit keine gültige, juristisch und ökonomisch kongruente Definition von Geld, obwohl es in den meisten Gesetzen und fast allen Verträgen eine wichtige Rolle spielt“, verblüffte Pfluger das anwesende Publikum mit einer überraschenden, wiewohl auch zutreffenden Aussage. Das bargeldlose Finanzleben verschärfe das vorherrschende Problem, dass das gesamte Finanzsystem auf dem Schuldenmachen von Banken auf baue. Während sich die aufgetürmten Schulden auf geschätzte 200 Billionen Euro belaufen, seien an aktuell verfügbarer Geldmenge nur 35 Billionen Euro vorhanden. „Aus meiner Sicht kann die angestrebte Bargeldabschaffung folglich nur mit einer Neuordnung des Geldwesensund der Beschränkung der Geldschöpfung auf demokratisch legitimierte und kontrollierte Zentralbanken einhergehen“, sagte Pfluger.
Podiumsdiskussion
Den Abschluss für den spannenden Konferenztag bildete eine hochkarätige Debatte, bei der unter anderem der Schweizer Nationalrat Franz Grüter Kritik am mäßigen Verständnis der Politik für die IKT-Branche übte: „Die IT-Branche erzeugt in der Schweiz eine Wertschöpfung von 27 Milliarden Schweizer Franken und beschäftigt 200.000 Arbeitskräfte – das ist etwa so viel wie die gesamte Pharmabranche. Wenn man dann weiß, dass die Bauern etwa 40 Vertreter im Parlament haben, für die IT-Branche aber maximal 15 Leute vorhanden sind, die einen Bezug haben, dann sieht man klar, wie unterrepräsentiert die Branche in der Politik ist.“
Zwar dürfe man die Rolle des Staates auch nicht komplett unterschätzen – immerhin sei dieser in der Schweiz weiterhin der größte IT-Auftraggeber – die visionären Ideen würden im Normalfall aber von den Unternehmen kommen. Damit die Dinge vorangehen, sollte man in den Staat daher wohl nicht die allergrößten Erwartungen setzen. Es liege nun vielmehr an der Zivilgesellschaft bzw.Öffentlichkeit, das Thema voranzutreibenund Druck auf die Politik aufzubauen, sagte Grüter.
Professor Abraham Bernstein von der Universität drängte wiederum darauf, dass die Frage der digitalen Transformation nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftspolitisch diskutiert werden müsse. „Wir müssen uns als Gesellschaft jetzt ganz klar fragen, wo wir ethisch und moralisch eigentlich hin wollen. Sonst laufen wir als Gesellschaft Gefahr, von der Technologie einfach überrollt zu werden. Wie sieht die Arbeit der Zukunft aus? Was sind die Einschränkungen für Technologie? Diese Diskussion findet immer noch nicht genug statt“, sagte Bernstein. Auch Universitätsprofessor Helbing ortet in allen Bevölkerungsschichten das Bedürfnis nach Debatte. Gleichzeitig fehle die Zukunftsperspektive. Jeder blicke ins Silicon Valley, anstatt Geschäftsmodelle zu entwerfen, die sich klar von dem unterscheiden, was von den Facebooks und Googles dieser Welt angeboten werden. „Warum setzen wir nicht ganz in der europäischen Tradition auf Privacy- und Democracy-by-Design oder schaffen partizipative Plattformen sowie eine Sharing-Economy? Wir müssen jetzt den Mut haben voranzugehen“, zeigte sich Helbing in der Diskussion kämpferisch.
Tom Kleiber von Microsoft Schweiz ortet immer stärkere Entwicklungsgeschwindigkeiten zwischen Industrie und Wirtschaft einerseits sowie der öffentlichen Hand und der Gesellschaft andererseits. „Wenn sich die Politik und Verwaltung nicht schleunigst stärker mit IT-Themen auseinandersetzen, wird der Abstand zur Wirtschaft irgendwann zu groß. Das ist eine beunruhigende Entwicklung“, erklärte Kleiber. „Die digitale Transformation der Verwaltung ist zumindest in Österreich längst da. Jetzt geht es darum, möglichst vieles positiv zu gestalten und darauf zu achten, dass kein Bürger und keine Bürgerin zurückgelassen wird“, sagte Norbert Weidinger von der Magistratsdirektion Wien. Die Problematik, dass Nutzer und Nutzerinnen in der jüngsten Vergangenheit statt mit Transparenz eher mit intransparenten Überwachungsvorgängen konfrontiert waren, bewertet auch Christof Tschohl vom Research Institute als kritisch. Der Staat sollte hier eigentlich nur mit Vorbildlichkeit punkten. Gleichzeitig brauche es eine Gesellschaft aus mündigen Bürgern und verantwortungsvollen Entwicklern. „Natürlich sind wir nicht machtlos“, machte Tschohl einmal mehr allen Anwesenden im Saal Mut.
Die Diskussion wurde von Reinhard Riedl von der Berner Fachhochschule moderiert. Als Veranstaltungspartner fungierten neben der Schweizer Informatikgesellschaft und dem Future Network auch die ETH Zürich, die Helpdesk und Servicecenter Vereinigung Schweiz, die ICTswitzerland sowie CON*ECT Eventmanagement, Institut für Informatik der Universität Zürich, das AIT sowie SBA Research.
Weitere Informationen
Das Future Network ist das internationale Netzwerk für IKT- und Business-Entscheider in Österreich und eine unabhängige Dialog- und Diskussionsplattform.http://www.future-network.at
Die Schweizer Informatikgesellschaft: http://www.s-i.ch
ETH Zürich: http://www.ethz.ch
* Bettina Hainschink ist Generalsekretärin des Future Network
Be the first to comment