Banken müssen digital werden

Rund 70 Prozent aller Finanzdienstleister im deutschsprachigen Raum planen innerhalb der nächsten zwölf Monate die Umsetzung eines Programms, um effizienter zu werden. Dabei spielen Maßnahmen zur Ertragssteigerung mittlerweile eine ähnlich große Rolle wie Kosteneinsparungen. Finanzdienstleister sollen nach Meinung von Horváth & Partners mutiger werden und eine umfassende Digitalisierungsstrategie entwickeln. [...]

Finanzdienstleister müssen mutiger werden und eine Digitalisierungsstrategie entwickeln. (c) pixabay
Finanzdienstleister müssen mutiger werden und eine Digitalisierungsstrategie entwickeln. (c) pixabay

Die Finanzbranche steht unter Druck: Immer mehr branchenfremde Unternehmen übernehmen klassische Bankdienstleistungen. Geldinstitute müssen deutlich effizienter werden, wenn sie am Markt bestehen bleiben wollen. „Um profitabel zu bleiben, sollten Banken mittelfristig 30 Prozent der Kosten einsparen oder zusätzliche Erträge in gleicher Höhe erwirtschaften“, empfiehlt Marcus Dahmen, Leiter des Beratungsbereichs Banking Transformation bei Horváth & Partners.

Zwar haben alle befragten Institute die Kosten im Blick. Jedoch ist die absolute Höhe der geplanten Einsparungen verglichen mit der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2016 auf den ersten Blick rückläufig: 2016 plante die Branche noch Einsparungen von rund 67 Mrd. Euro. Heute sind es insgesamt etwa 57 Mrd. Euro. Die Mehrheit der Befragten plant nur noch Einsparungen von bis zu 15 Prozent. Allerdings hat sich der Anteil der Häuser, die Einsparungen von mehr als 20 Prozent anstreben, gegenüber 2016 fast verdoppelt.

„Wir beobachten ein klares Auseinanderdriften der Institute: Während die Top Performer sich deutlich ambitioniertere Ziele zur Steigerung der Effizienz setzen, sind die Low Performer mutloser geworden“, sagt Dahmen. Horváth & Partners hat die Top– und Low Performer anhand der Cost Income Ratios (CIR) aus 2015 und 2016 ermittelt. Die Banken mit den jeweils unteren und oberen 40 Prozent der CIRs gelten als Top– bzw. Low Performer. Fast drei Viertel der Low Performer streben Kosteneinsparungen von unter 15 Prozent an, obwohl sie heute schon weniger profitabel sind. Von den Top Performern planen hingegen rund ein Drittel eine Reduzierung der Kosten um mehr als 20 Prozent.

Einsparungen stehen Ertragssteigerungen gegenüber

Ein ähnliches Bild zeigt sich auf der Ertragsseite. Während jeder zweite Top Performer seine Erträge um mehr als 15 Prozent steigern möchte, ist es bei den Low Performern nur jeder fünfte. Würden die angestrebten Ertragssteigerungen tatsächlich in die Tat umgesetzt, entspräche das einer Summe von rund 51 Mrd. Euro. „Dass die Summe der geplanten Ertragssteigerungen in etwa der Höhe der Kostenreduzierungen entspricht, ist neu. In unserer Befragung vor zwei Jahren gaben 41 Prozent der Finanzdienstleister ausschließlich Kosteneinsparungen als Maßnahmen zur Effizienzsteigerung an“, sagt Dahmen.

Knapp ein Drittel der künftigen Erträge soll dabei aus neuen Einnahmequellen kommen. Dazu zählen beispielsweise die Erschließung neuer Kundengruppen, die Nutzung neuer Vertriebswege oder der Aufbau eines digitalen Ökosystems.

Digitalisierungsstrategien oft zu eindimensional

„Wir stellen fest, dass sich viele Banken auf einzelne Maßnahmen beschränken, um effizienter zu werden. Stattdessen sollten sie sich trauen, eine umfassende Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, die alle Geschäftsbereiche umfasst“, rät Dahmen. Beispielsweise halten es 82 Prozent der Befragten für wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich, dass sie ihre Vertriebskanäle optimieren, um effizienter zu werden. Das sind 22 Prozent mehr als noch 2016.

Zur Verbesserung der Vertriebskanäle zählen Filialnetzanpassungen, die Nutzung mehrerer Vertriebswege oder der Ausbau des digitalen Ökosystems. Vielfach wird auf Kooperationen mit neuen Anbietern wie FinTechs gesetzt. Vor allem die Top Performer erschließen auf diesem Wege Potenziale (86 Prozent). „Banken kaufen sich digitale Vertriebsmöglichkeiten ein, anstatt selbst daran zu arbeiten. Sie müssen aufpassen, dass die FinTechs nicht ihr komplettes Geschäftsmodell übernehmen“, warnt Dahmen.

Um Kunden zu halten oder zu gewinnen, müssen die Betreuungsmodelle angepasst werden. 81 Prozent der Befragten gaben an, das Coverage Model wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich optimieren zu wollen – ein Zuwachs von 56 Prozent gegenüber 2016.

Kaum Veränderungen gegenüber der letzten Befragung gab es hinsichtlich des Produkt- und Dienstleistungsportfolios. 68 Prozent der Finanzdienstleister wollen hier ansetzen, um den Vertrieb zu optimieren. Das sind lediglich drei Prozent mehr als 2016. Der ehemals wichtige Wachstumstreiber wird, vermutlich aufgrund gestiegener regulatorischer Anforderungen, unbedeutender.

Stellschrauben Standardisierung und Automatisierung

Für die Bereiche Operations/Back Office gelten nach wie vor die Standardisierung, die Prozess-/Qualitätsoptimierung und die Automatisierung als meistgenutzte Hebel zur Effizienzsteigerung. So kann der Einsatz von Robotic Process Automation (RPA) gerade bei simplen Vorgängen unterstützen. „Effizienzsteigernde Maßnahmen der Prozess– und Qualitätsoptimierung sowie Automatisierung bleiben auf hohem Niveau wichtig. Sie sind aber alleine kaum in der Lage, hinreichend hohe Effizienzpotenziale im Sinne des vom Markt geforderten Transformationsbedarfs zu liefern“, sagt Dahmen.

Diese Meinung teilen auch die Befragten und haben daher die Produktionsplanung und -steuerung auf Platz vier der wichtigsten Maßnahmen zur Optimierung der Back-Office-Bereiche genannt. Gab 2016 nur jedes zweite Institut an, hier ansetzen zu wollen, um die Effizienz zu erhöhen, sind es 2018 bereits 80 Prozent der Umfrageteilnehmer.

„Gegenüber 2016 zeigen sich in der aktuellen Studie doch einige gravierende Änderungen hinsichtlich geplanter Effizienzsteigerungsmaßnahmen der Banken. Wir raten den Unternehmen jedoch ausdrücklich, nicht zu ungeduldig zu sein und klare Ziele zu definieren, die mittelfristig erreicht werden sollen“, sagt Dahmen. „Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich die Aufmerksamkeit der Führungskräfte auf permanente Sparinitiativen richtet, statt notwendige Wachstumsinitiativen zu forcieren.“


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