4. IGV Nahverkehrskongress in Salzburg: Digitalisierung im Fokus

Am 25. und 26. April 2017 widmete sich ein hochkarätig besetzter Branchentreff der deutschsprachigen Mobilitätsexperten ganz den Kernfragen künftiger Mobilität. Dabei stand die digitale Transformation im Fokus. [...]

Die technischen Möglichkeiten sind auch in Fragen der Mobilität scheinbar unbegrenzt, doch wie werden und wollen wir uns künftig von A nach B bewegen? Sind selbstfahrende Autos die Antwort auf Stau und Stress oder droht mit fortschreitender Digitalisierung der große Jobkiller im Öffentlichen Verkehr? Immerhin machen Personalkosten derzeit einen großen Teil der Kosten aus, da erscheint der Modebegriff „autonomes Fahren“ zumindest aus Sicht der Beschäftigten möglicherweise in einem ganz anderen Licht. 
Am 4. Nahverkehrskongress, veranstaltet von der Interessengemeinschaft Österreichischer Verkehrsverbünde (IGV) und dem Fachverband der Schienenbahnen (WKO) gemeinsam mit den Gastgebern Land Salzburg, Salzburger Verkehrsverbund (SVV) und Salzburg AG wurden diese wichtigen Fragen offen und kontrovers diskutiert.
Megatrends der Mobilität
Diskussionsbeiträge und teilweise aufrüttelnde Impulse kamen vom Zukunftsforscher Matthias Horx, der das Konzept der Megatrends anhand der Mobilitätsfrage plastisch darlegte und gleich einmal vor allzu großer Sicherheit bei der Prognose von Zukunftsfragen warnte. Unterschätzen dürfe man aber weder in der Automobilbranche noch im Öffentlichen Verkehr die massiven Umwälzungen, die durch Digitalisierung, neue Arbeits- und Lebensformen oder gesellschaftliche Umbrüche möglich sind. Der Drohne als großem Heilsbringer in Transport- und Mobilitätsfragen erteilt Horx auf Nachfrage eine klare Absage.
Initiative ist gefragt
Aus der Sicht eines Insiders der Automobilindustrie beleuchtete Thomas Waschke die Fragen, wie sich die Menschen der Zukunft bewegen werden, wie Mobilität in urbanen Räumen morgen aussehen könnte oder welche Art von Autos in ein paar Jahrzehnten unterwegs sein könnten. Den Vertretern des Öffentlichen Verkehrs schenkte Waschke jedenfalls reinen Wein ein – Bewegung und Initiative seien gefragt, einfach Weitermachen keine vielversprechende Zukunftsoption.
Der Strategieberater Michael Schützenhofer präsentierte ein Potpourri an möglichen Mobilitätsformen, die durch fortschreitende Digitalisierung denkbar sind – von Musks Hyperloop bis zum mobilen Büro der Zukunft, das sich zu und mit den Menschen bewegt, anstatt wie heute umgekehrt.
Digitalisierung, Datenmanagement und wirtschaftliche Aspekte waren die Leitthemen von Friedemann Brockmeyer (Civity) und Alexander Gänsdorfer (T-Mobile). Auf den Boden der Realität und dann gleich wieder in luftige Höhen wurden die Teilnehmer des 4. Nahverkehrskongresses von Markus Schrentewein befördert. Der Vertreter des weltweit erfolgreichen österreichischen Unternehmens Doppelmayr berichtete von den bahnbrechenden Möglichkeiten von Seilbahnen als Nahverkehrsmittel im städtischen Bereich.
Podiumsdiskussion zu aktuellen und künftigen Herausforderungen
Der Kongress bot seinem Publikum zum Abschluss eine Podiumsdiskussion zwischen Vertretern unterschiedlichster Interessen zum Thema „Wer ist komplementär, wer Konkurrenz zum ÖV und was bringt die Zukunft?“. So räumten Verantwortliche der Schienen- und Regionalbusdienstleister (ÖBB-PV und Dr. Richard) sowie des Salzburger Verkehrsverbundes (SVV) „Newcomern“ wie Uber durchaus große Chancen als ergänzende Mikro-ÖV-Option ein. Als Ergänzung deshalb, weil Fahrgäste ja auch auf dem letzten Kilometer zum Ziel gebracht werden wollen – und dafür sind die klassischen Busse und Bahnen schlicht zu wenig flexibel und zu teuer. ISTmobil-Stimme Alexander Stiasny, Bsc, ermahnt bei aller Euphorie über neue Mobilitätslösungen samt Newcomern wie Uber, dass die Erfüllung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie Nacht- bzw. Arbeitszeitbeschränkungen nicht in Frage gestellt werden dürfen. Seitens Uber gibt es die Zusage, alle rechtlichen Kriterien zu erfüllen und in Österreich und Deutschland keine Privatleute zu engagieren, sondern Mietautofirmen und Taxiunternehmen. Dadurch stehe die Frage nach der sozialen Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern außer Diskussion.
Auch die Podiumsdiskussion streifte kurzzeitig das Thema „Autonomes Fahren“, wobei der provokative Impuls der Zubetonierung aller Schienen zugunsten von Asphaltstraßen für selbstfahrende Autos auf recht starken Widerstand nicht nur seitens der ÖBB stieß. Wie Klaus Garstenauer von den ÖBB kann sich auch Allegra Frommer, SVV, autonome Fahrzeuge im ÖV-Alltag zwar vorstellen, plädierte aber für die Priorisierung realer Probleme. „Der ÖV sei nicht sexy“ und schafft es im Gegensatz zur Automobilbranche mehr schlecht als recht, sich durch ein positives Image im Bewusstsein der Menschen zu manifestieren. Nichtsdestoweniger sind die großen Mobilitätsströme – etwa zur Stoßzeit in großen Städten – nicht mit noch mehr PKWs, sondern nur mit großen Gefäßen (U-Bahn, Bussen und Bahnen) zu bewerkstelligen.
Franz Schwammenhöfer vom BMVIT ließ zum Schluss durch den Hinweis, aufhorchen dass niemand sich vor der gegenseitigen Wegnahme von Fahrgästen fürchten müsse, denn das ganze System sollte mehr sein als die Summe seiner Fahrgäste.
Testfahrt mit selbstfahrendem Minibus
Die Teilnehmenden konnten nach Ende des Kongresses noch eine Testfahrt mit einem selbstfahrenden Minibus machen. Der Minibus fuhr dabei auf einer vorgegebenen Teststrecke vollständig automatisiert im Mischverkehr. Organisiert wurde die Fahrt von der Salzburg Research Forschungsgesellschaft, das Testfahrzeug stammt von der französischen Firma Navya. Es handelte sich dabei um das Modell „Arma“, das als intelligentes, elektrisch betriebenes Shuttle für bis zu 15 Personen konzipiert wurde.


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