Google hat in letzter Zeit einige meisterhafte AR-basierte Dienste entwickelt, doch Apples Hardware könnte am Ende diejenige sein, die triumphiert. [...]
Apple tut mehr als viele andere Unternehmen, sich für die Idee der Augmented Reality einzusetzen, aber es muss auch mehr leisten als andere, um zu zeigen, warum wir diese Vision teilen sollten. In letzter Zeit hat Google seinen Rückstand nämlich aufgeholt.
Google hat uns unter anderem gezeigt, wie man AR in Google Maps verwenden kann, um eine klare Übersicht darüber zu erhalten, wohin wir gehen müssen. Es hat uns gezeigt, wie wir herausfinden können, ob gewisse Kleidung zu unserer Garderobe passt, oder wie wir mit unseren Handykameras Schilder in anderen Sprachen lesen können.
Was jedoch Apple betrifft? Ihre AR-Ankündigungen konzentrieren sich in der Regel auf Neuheiten- und Bildungsapps von Drittanbietern, wie z.B. eine kürzlich veröffentlichte, mit der Sie einen virtuellen Rundgang in der Freiheitsstatue unternehmen können. Fauler Sonntagskram, mit anderen Worten. Im Gegensatz zu Google hat uns Apple nicht gezeigt, dass AR etwas sein kann, woran wir uns in den hektischen Momenten des Alltags wenden können. Ich habe mir im vergangenen Jahr viele Gedanken um das Thema gemacht, und ich habe nicht viel anderes gelesen als Gerüchte, die mich davon überzeugt haben, dass die Situation heute auch nicht besser ist.
Apple hat immer noch das Potenzial, Marktführer in Sachen AR zu sein, aber ich bezweifle, dass die Führung in etwa so aussehen würde wie der datengesteuerte Ansatz von Google. Google ist in dieser Hinsicht unantastbar. Apple könnte uns dagegen noch besser zeigen, wie AR unser Leben ganz ohne invasive Expeditionen in unsere Daten verbessern könnte. Und es könnte uns zeigen, auf welche Weise AR sonst noch nützlich sein kann: sowohl ein Werkzeug als auch ein Spielzeug. Wenn jemand AR cool aussehen lassen kann, dann mit Sicherheit Apple. Dies sind die besten Ideen, um diese Trendumkehr Wirklichkeit werden zu lassen.
1. TrueDepth-ähnliche 3D-Sensoren für die hintere iPhone-Kamera
Wenn Apple in die richtige Richtung gehen will, sollte es so etwas wie den TrueDepth-Sensor in die Rear-Kamera integrieren. Das maschinelle Lernmodell, das das ARKit von Apple auf modernen iPhones verwendet, ist einfach nicht genau genug. Google hat 2014 versucht, mit seinem Projekt Tango etwas Ähnliches zu bewerkstelligen, aber es wurde durch die zersplitterte Natur der Android-Landschaft vor dem Pixel daran gehindert. Im Jahr 2017 prognostizierte der zuverlässige Analyst Ming-Chi Kuo jedoch, dass wir in noch in diesem Jahr ein iPhone mit einem solchen 3D-Sensor zu sehen bekommen könnten. (Nach aktuellem Stand ist es sicher anzunehmen, dass wir es wahrscheinlich erst im nächsten Jahr zu Gesicht bekommen werden – wenn es überhaupt existiert.)
Alle Gerüchte deuten darauf hin, dass ein solcher Sensor nicht genau wie TrueDepth funktionieren würde, doch das Endergebnis wäre wohl im Wesentlichen das gleiche. TrueDepth arbeitet, indem es Ihr Gesicht mit 30.000 Lasern besprüht und die Entfernung misst, während es die Zeit erfasst, die benötigt wird, bis die Laser von den Objekten, auf die sie treffen, wieder zurückgeworfen werden. Wenn es funktioniert, wie beabsichtigt, könnte das Verfahren die Genauigkeit der Gesichtserkennung deutlich erhöhen, was wiederum seine Popularität steigern dürfte. Entwickler hätten mehr Grund zum Experimentieren, denn sie würden sich durch die Verwirrung des aktuellen Modells bei schlechten Lichtverhältnissen nicht so begrenzt fühlen, bei dem es schon schwer genug ist, zwei unterschiedlich farbige Objekte voneinander zu unterscheiden.
Wir haben bereits festgestellt, dass TrueDepth so gut funktioniert, dass einige Entwickler es für rudimentäre 3D-Scanner verwenden, und ich würde mich freuen zu sehen, wozu sie fähig wären, wenn ähnliche Technologien es auch bis zu den Rückobjektiven schaffen würden.
2. Weitere Integration von AR in FaceTime und andere kleinere Funktionen
Viele Leute behaupten, AR würde erst dann richtig durchstarten, wenn Apple eine gute AR-Brille auf den Markt bringt, aber diese Leute übersehen leicht die Bedeutung hilfreicher kleinerer Funktionen auf unseren Smartphones. So viele Apps scheinen für Brillen gemacht worden zu sein, weil sie einen zwingen, die App und die Kamera für mehrere batterielastige Minuten auf einmal laufen zu lassen, egal ob es sich nun um das Freiheitsstatuen-Modell oder ein Spiel wie Smash Tanks handelt.
Wir brauchen definitiv mehr Apps, die „kleiner“ denken. Wir brauchen diese Apps, damit sie für uns nützlich sind. Apples Measure App ist ein großartiges Beispiel für eine hilfreiche AR-App, die nicht länger als ein paar Sekunden offen bleiben muss. Sie und andere Apps werden allerdings erst dann noch präziser und nützlicher, wenn das iPhone einen geeigneten 3D-Sensor wie den oben beschriebenen besitzt. Jetzt sind das alles Neuheiten, aber eines Tages könnten sie Notwendigkeiten sein.
Im besten Fall müssten wir nicht einmal mehr zusätzliche Apps öffnen, um die Wunder der AR zu erleben. Sie wäre dann direkt in der Kamera. (Tatsächlich macht Google dies bereits mit Google Lens auf Pixel-Handys.) Auch hier hat Apple nicht die gleiche Datenkompetenz wie Google, aber das Unternehmen könnte sich immerhin dadurch von anderen abheben, dass es uns ermöglicht, AR noch weiter in FaceTime-Gespräche zu integrieren. Apple gibt bereits Hinweise darauf, indem es uns erlaubt, Memoji und Animoji in FaceTime mit den vorderen TrueDepth-Sensoren zu verwenden, aber noch interessanter ist die Art der Interaktivität zwischen den Rückkameras und Apps wie Vuforia Chalk.
Mit dieser App können zwei Personen in einem Gespräch die Rückkamera-Feeds des anderen sehen und dann bestimmte Objekte auf dem Bildschirm nachzeichnen. Die Linien jeder Person erscheinen in unterschiedlichen Farben, sodass es praktischerweise dazu geeignet ist ist, Papa dabei zu helfen, den HDMI-Anschluss oder die richtige Schachtel im Regal eines Lebensmittelgeschäfts aus Tausenden von Kilometern Entfernung zu finden; auch da die Kreise und Pfeile an ihrem Platz bleiben, selbst wenn sich die Kamera bewegt. Im Moment ist das Ganze noch etwas wackelig, aber das wird sich mit einem richtigen 3D-Sensor auf der Rückseite schnell ändern.
Es handelt sich um eine so unscheinbar kleine Funktion, dass sie vielleicht nicht einmal in den meisten FaceTime-Anrufen zum Einsatz kommt, aber die Leute wären dankbar, wenn sie die entsprechende Option hätten, wenn sie sie benötigen. Mit der Zeit, wie Cook schon 2016 bemerkte, könnten wir uns dann fragen, „wie wir jemals ohne sie gelebt haben“.
3. Eine stylische, erschwingliche AR-Brille gestalten
Gute AR kann schon auf dem iPhone beginnen, aber Apple braucht definitiv auch ein Headset für komplexere AR-Erlebnisse. Wenn es Apple gelingt, eine AR-Brille zu entwickeln, die tragbar, stilvoll und (relativ) erschwinglich ist, könnte es sich um den ersten echten „Game-Changer“ seit Jahren handeln.
Gerüchten zufolge hat Apple solche Geräte bereits in Arbeit. Das erste, wie von Cnet letztes Jahr berichtet, ist ein AR/VR-Headset mit dem Codenamen T288, das angeblich im nächsten Jahr auf den Markt kommen wird. Das scheint jedoch sehr optimistisch, auch weil dieses Gerät im Zeitalter des Weltraums eine satte Auflösung von 8K auf jedem Auge und einen megastarken 5nm Custom Apple Prozessor unterstützen soll.
Das andere Gerät ist eine reine AR-Brille, wie der Analyst Ming-Chu Kuo im vergangenen März prognostizierte. Ähnlich wie bei der originalen Apple Watch würde das iPhone den Großteil der Datenverarbeitung übernehmen, was in diesem Fall den drahtlosen Netzwerkbetrieb und die globale Positionierung beinhalten würde. Die Gläser selbst würden also nur die Orientierung und Darstellung selbst übernehmen. Kuo behauptet, dass Apple im nächsten Jahr mit der Herstellung dieser Geräte beginnen und sie irgendwann im Jahr 2020 in den Handel bringen wird.
Das AR/VR-Headset klingt zwar cool, aber ich würde darauf wetten, dass die Brille das revolutionäre „One More thing“-Gadget ist. Es ist nicht genug zu betonen, wie wichtig es ist, ein AR-Headset cool aussehen zu lassen, bevor die Öffentlichkeit es vollständig akzeptiert, und Tethering könnte die Methode sein, mit der Apple genau das erreicht. Die Befestigung würde bei der Akkulaufzeit und dem Gewicht helfen, aber vor allem würde es Apple ermöglichen, solche Brillen ein wenig anders aussehen zu lassen als normale Sonnenbrillen, besonders wenn es gelingt, die Sensoren in der Linse oder den Außenrändern zu verstecken. Das wäre eine große Verbesserung gegenüber Geräten wie dem Google Glass, das die Leute berüchtigterweise wie streberische Kriecher aussehen ließ.
Im Vergleich zu „echten“ AR-Headsets könnte sie revolutionär werden. Apples Hauptkonkurrentin wäre die Microsoft HoloLens 2, ein klobiges 3.500 US-Dollar-Rigg, das Sie wie einen dieser rebellischen Flugverkehrsleiter aus Star Wars aussehen lässt. Der Akku hält jedoch nur 2,5 Stunden. Es gibt auch den weniger etablierten Magic Leap, der Sie wie einen riesigen Käfer aussehen lässt. Beide Geräte richten sich eher an Handelsunternehmen und Entwickler als an Verbraucher.
Es ist schwer, den „Traum“, der hinter Geräten wie der HoloLens steckt, nicht zu lieben. Ihre multiplen Kameras scannen den Raum vor Ihnen und sind dabei in der Lage, Gesten ohne zusätzliche Controller zu interpretieren. So etwas könnte nützlich sein, jemandem mal eben beizubringen, wie man industrielle Geräte nutzt; ebenso wie Astronaut Scott Kelly es demonstrierte, als er die HoloLens benutzte, um den Betrieb in der Internationalen Raumstation zu erleichtern. Architekten nutzen es schon heute, um zu sehen, wie ihre Konstruktionen „live“ aussehen.
Die Nutzung eines solchen Apple-Geräts durch den Verbraucher wäre nahezu unbegrenzt. Sie könnten ein solches Gerät dazu verwenden, mehr Informationen beim Betrachten von Kunstwerken in Museen zu erhalten, oder Sie könnten es verwenden, um auf einer Wanderung am Wochenende Blumen und andere Pflanzen zu identifizieren. Sie könnten ein KI-Haustier halten, wenn Sie möchten. Die Technologie würde uns wieder begeistern (und auch aus Datenschutzgründen könnte es wahrscheinlich nicht schaden, wenn Apple die richtige Kamera davon fernhalten und 3D-Sensoren den größten Teil der Bildgebung übernehmen lassen würde). Die Zeit ist reif für Apple, seine Magie zu entfalten und diese Technologie zu verfeinern, so wie sie es mit dem iPhone getan haben, als BlackBerry und Palm noch Spitzenreiter waren.
Ein Wort der Warnung: Wenn Sie dachten, dass die Leute Sie dafür hassen, dass Sie AirPods in der Öffentlichkeit tragen, warten Sie einfach, bis sie Sie eine von diesen Brillen tragen sehen.
4. Den AR-Gamingbereich dominieren
Ich bin fest davon überzeugt, dass AR erst dann durchstarten wird, wenn Apple uns zeigt, wie wir es auch für alltägliche Aufgaben nutzen können; aber auch das Spielen hat seinen Platz. Im Moment ist AR-Gaming allerdings ein Witz. Es ist schwer, auch nur 10 All-AR-Spiele aufzuzählen, die es wirklich wert sind, gespielt zu werden. Viele Spiele haben ordentliche AR-Optionen, aber diese gehören in der Regel zu der Art von Dingen, über die man für ein paar Sekunden lächelt, bevor man wieder auf die normale (und schnellere) Art und Weise spielt.
Apple wäre in der Lage, all das zu ändern, aber wir werden es wahrscheinlich nicht erleben, bis Apple eine Brille wie die oben beschriebene auf den Markt bringt. Sie ist der Schlüsselbestandteil, der in so vielen vielversprechenden AR-Anwendungen fehlt. In AR Runner zum Beispiel müssen Sie das Smartphone während des Joggens halten, damit Sie den „Parcours“ vor sich sehen können. Meh. In Pokémon Go müssen Sie Ihr Smartphone umständlich bewegen, wenn Sie im digitalen Gras nach Pokémon suchen wollen. Gähn. Solche Aktivitäten sind in der Regel anstrengend, besonders wenn man in einem Spiel wie AR Dragon sein Handy für mehrere Minuten hochhalten muss.
Leichte AR-Brillen könnten solche Apps genau so magisch erscheinen lassen, wie ihre Entwickler es sich wünschen, und Apple selbst könnte helfen, dies zu verwirklichen. Es ist bereits bewiesen, dass sie bereit sind, kreative „normale“ Spiele teilweise über Apple Arcade zu finanzieren, so dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass sie dies nicht auch mit Augmented Reality tun würden. Wenn sie diesen exklusiven Ansatz mit guter Hardware kombinieren, könnte es noch Jahre dauern, bis die Konkurrenz aufholen kann.
5. AR für Akkus optimieren
All dies führt uns zu dem, was wahrscheinlich die langweiligste und zugleich wichtigste Zutat für Apples Dominanz ist: Die AR muss optimiert werden. Augmented Reality ist, wie sie vor allem auf dem iPhone zu beobachten ist, in der Regel nicht der Mühe wert. Es beginnt oft langsam, ist ungenau und gimmicky. Es gibt kaum einen Grund, es zu verwenden, wenn Nicht-AR-Methoden sowohl genauer als auch schneller sind.
Noch wichtiger ist, dass AR Ihren Akku so schnell entlädt, wie Wasser aus einer Tasse fließt, wie jeder, der Pokémon Go spielt, bestätigen kann. Nur wenige andere Anwendungen belasten ein Telefon so sehr, wie robuste AR-Anwendungen die Kamera, die Bewegungssensoren, das GPS, die CPU, den GPU und die Netzwerktools auf einmal. Spiele wie The Machines sehen toll aus, wenn Apple sie auf der Showbühne zeigt, aber all diese Spezialeffekte lassen Sie am Ende schnell nach Ihrem Ladegerät greifen. Dies ist nicht nur ein Problem des iPhone. Wie bereits erwähnt, schafft die Microsoft HoloLens 2 nur zwei Stunden Akkulaufzeit, und die Magic Leap erreicht nur drei.
Ich bin schon gespannt, wie Apple den Großteil der Datenverarbeitung für seine AR-Brille auf das iPhone übertragen will, denn das bedeutet, dass das Headset immerhin nicht unbedingt schrecklich aussehen wird, aber ich bezweifle, dass dies viel dazu beitragen wird, die Belastung des Akkus zu verringern. Andererseits, wenn Apple in naher Zukunft relativ kurze und kleinere iPhone-basierte Unternehmen wie Measure oder „interactive FaceTime“ in den Vordergrund stellt, muss es sich vielleicht nicht viel um diese Probleme kümmern, bis es wirklich bereit ist, diese anzugehen.
Die harte Realität
Hier ist mein Vorbehalt für all das: Tim Cook hat wiederholt betont, dass AR für die Prime Time noch nicht bereit ist.
„Das Sichtfeld, die Qualität des Displays selbst, ist einfach noch nicht da“, erklärte er 2017 dem The Independent, und vieles davon gilt auch heute noch. Auch wenn es aufregend ist, über all dieses Zeug zu spekulieren, ist die kalte Wahrheit, dass wir wahrscheinlich noch eine ganze Weile warten müssen, bis Tim Cooks Traum unsere Realität erweitert, abgesehen von Vorhersagen von Analysten wie Ming-Chi Kuo.
Ich glaube auch, dass es noch länger dauern wird, bis wir dort ankommen, solange wir eine AR-basierte Zukunft als eine Art Krieg zwischen den Ansätzen von Apple und Google betrachten. Das beste Ergebnis wäre wahrscheinlich, wenn ihre Bemühungen zusammenwirken würden. Apple könnte uns mit präziser und attraktiver Hardware begeistern, sei es mit der Brille oder zumindest mit beeindruckenden 3D-Sensoren hinten am iPhone. Google könnte seine datengesteuerten Goodies über Google Maps oder Google Translate liefern, die wir auf Apples Hardware über die Google-eigene App nutzen könnten. Davon würde jeder profitieren. Aber natürlich weiß ich auch, dass das nicht so einfach ist.
Ich weiss jedoch, dass ich gespannt bin, welche Form die Zukunft annehmen wird. Ich möchte nur, dass sich Apple sich die Zeit nimmt und damit wartet, die entsprechende Technologie anzukündigen, bis sie für die große Bühne auch wirklich bereit ist. Auf einer gewissen Ebene bin ich besorgt, dass es ein Stornierungsfiasko geben könne, wie es bei AirPower der Fall gewesen ist.
Aber wenn es einen AR-Headset-Blindgänger auslöst, der nach all den Jahren des Experimentierens und Gerüchten ungefähr so viele Wellen schlägt wie der HomePod?
Das wäre noch schlimmer.
*Leif Johnson ist Redakteur bei MacWorld.com
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