Für Unternehmen, die ihre Anwendungen vom Rechenzentrum in die Cloud umziehen möchten, bieten sich mehrere Optionen. Doch welche Migrationsstrategie ist die beste für einen nahtlosen Umzug in die Cloud? [...]
Rehosting, Replatforming, Refactoring, Rebuild und Repurchasing sind die gebräuchlichsten Strategien von Unternehmen, um Anwendungen in die Cloud zu migrieren. Welche davon gewählt wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab: Neben individuellen Kriterien – etwa dem vorgegebenen Zeitrahmen, den vorhandenen zeitlichen und personellen Ressourcen im Unternehmen und der Architektur der jeweiligen Applikation – spielen auch die Vor- und Nachteile der jeweiligen Strategie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wir haben die unterschiedlichen Ansätze genauer unter die Lupe genommen.
1. Rehosting
Beim Rehosting, auch als „Lift and Shift“ bekannt, wird die Anwendung unverändert in die Cloud migriert. Dadurch weist sie dieselbe Funktionalität auf wie zuvor, aber nicht mehr. Dennoch ergeben sich allein durch die Cloud-Infrastruktur und die Virtualisierung bereits einige Vorteile: Zum einen gibt es eine automatische Ausfallsicherung (Failover) bei unerwarteten Fehlern, zum anderen bieten sich weitere Möglichkeiten hinsichtlich der Überwachung und Leistungskontrolle der Applikation.
Außerdem ist die Lösung bereits zu kleineren Skalierungseffekten fähig. Hinzu kommt, dass das Unternehmen in der Lage ist, einen Teil der Betriebsverantwortung an den Cloud-Provider zu delegieren, der von nun an für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur verantwortlich ist.
Bessondere Eignung: Da diese Methode den geringsten Aufwand mit sich bringt, eignet sie sich gut für eine Migration mit engem Zeitrahmen.
2. Replatforming
Bei dieser Strategie bleibt zwar der Kern der Applikation bestehen, doch werden einige wenige Anwendungsmodule – nämlich diejenigen, die am meisten von den Cloud-Funktionen profitieren – gezielt umgebaut. Daraus ergeben sich Skalierungseffekte und Automatisierungspotenziale.
Auch ist es so möglich, den Umbau in kleinem Rahmen anzugehen und die Migration erst mit wachsender Erfahrung schrittweise stärker voranzutreiben. Voraussetzung: Die Architektur der Applikation ist so konzipiert, dass sich die Transformation auch modulweise vornehmen lässt.
Besondere Eignung: Da ein modularer Aufbau bei älteren Systemen eher selten der Fall ist, ist dieser Ansatz der Cloud-Migration eher für jüngere Anwendungen geeignet.
3. Refactoring
Bei dieser Herangehensweise gilt es, schrittweise immer mehr Anwendungsmodulen eine Cloud-Fähigkeit zu verleihen. Da hierbei jedoch auch die innere Architektur umstrukturiert wird, liegt der Fokus nicht auf dem Umbau einiger weniger Software-Bestandteile. Vielmehr sind mehrere Module gleichzeitig in Bearbeitung.
Das wiederum heißt: Jede Änderung der Architektur ist gleichbedeutend mit einem tieferen Eingriff, wodurch im Anschluss umfangreiche Regressionstests erforderlich sind. Ein Pluspunkt: Refactoring erlaubt es, die Software als echte Cloud-Native-Anwendung zu konzipieren.
Besondere Eignung: Da der Fokus dieser Migrationsmethode darauf liegt, den Code einer Anwendung verständlicher zu machen, ohne dabei ihr Verhalten zu verändern, eignet sich Refactoring insbesondere für historisch gewachsene Systeme mit größeren Strukturproblemen.
4. Rebuild
Bei der Neuimplementierung der digitalen Lösung (Rebuild) kann das Unternehmen die Software vollständig neu aufsetzen – und somit von vornherein für Cloud-Native-Fähigkeit sorgen. Dies wiederum ist jedoch mit einigem Aufwand verbunden, der sich meist nicht durch die Effizienzvorteile von Cloud Native allein rechtfertigen lässt. Damit sich diese Migrationsstrategie wirklich lohnt, muss die Umstellung vielmehr weitere Vorteile mit sich bringen – etwa die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Besondere Eignung: Für großangelegte Business-Transformationen ist Rebuild eher interessant als für kleinere Digitalisierungsvorhaben.
5. Repurchasing
Repurchasing ist keine eigenständige Migrationsstrategie, sondern vielmehr eine Sonderform des Replatforming. Hierbei dient eine branchenspezifische Software als Fundament, das Standardfunktionen wie etwa die Rechnungsstellung übernimmt und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben sichert. Fachspezifische Bereiche hingegen werden durch eigens programmierte Microservices abgedeckt. Vor- und Nachteile gleichen dem Replatforming. Voraussetzung hier ist nur: Die Standardsoftware muss eine Kommunikation über APIs ermöglichen.
Besondere Eignung: Diese Migrationsstrategie ist eine gute Alternative, wenn das System neu aufgezogen werden soll, ein kompletter Rebuild jedoch zu aufwendig ist.
Alleingang oder Umzugshelfer?
Egal, für welche Methode sich ein Unternehmen auch entscheidet – die Modernisierung seiner IT wird niemals vollständig abgeschlossen sein. Denn häufig bedingen äußere Faktoren eine Anpassung der Anwendung – seien es neue Regulatorien, veränderte Marktbedingungen oder schlichtweg eine Kursänderung der Firmenstrategie.
Können die ohnehin schon überlasteten IT-Abteilungen den Umzug nicht allein bewältigen, bieten sich erfahrene Dienstleister als Umzugshelfer an: Sie beraten bei der Auswahl der richtigen Strategie berät und stehen auch bei der Migration mit Rat und Tat zur Seite, damit der Umzug in die Cloud gelingt. (mb)
*Patric Walldorf ist Commercial Director bei der Claranet GmbH und beschäftigt sich mit den Themen der Unternehmens-IT und Cloud.
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