5G war das große Thema auf MWC und CeBIT. Das mobile Netz der Zukunft soll neue Anwendungen ermöglichen und die digitale Transformation unterstützen. Noch fehlt es jedoch an organisatorischen und technischen Voraussetzungen. [...]
5G – zwei Buchstaben, die bei so manch einem Mobilfunk-Enthusiasten für leuchtende Augen sorgen. Sie versprechen ganz neue Dimensionen bei Übertragungsraten: 10 Gigabit pro Sekunde und mehr sollen drin sein, bei extrem geringen Latenzzeiten von maximal einer Millisekunde. Die nächste Generation der Mobilfunknetze soll in der Lage sein, deutlich mehr Endgeräte zu versorgen – weltweit bis zu 100 Milliarden – und damit die Grundlage für neue Anwendungen wie Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M), Smart Cities und selbstfahrenden Autos legen.
Die ersten Geräte, die Übertragungsraten im Gigabit-Bereich schaffen, sind schon in der Pipeline. Der chinesische Hersteller ZTE hat auf dem diesjährigen Mobile World Congress ein solches Smartphone vorgestellt, und Qualcomm will noch dieses Jahr mit der Produktion eines 5G-Modems starten. Kommerziell verfügbar soll es 2018 sein – zwei Jahre vor dem geplanten offiziellen Start von 5G. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn eine Reihe von organisatorischen und technischen Voraussetzungen sind noch nicht gegeben.
Standardisierung und Investitionsbedarf bremsen 5G
Als erstes steht die Festlegung eines branchenübergreifenden Standards aus. Dieser wird benötigt, um sicherzustellen, dass Netze und Endgeräte miteinander kompatibel sind, fehlerfrei funktionieren und die versprochene Leistung liefern. Da über das neue Netz Services laufen sollen, die Milliarden von Geräten in Echtzeit miteinander verbinden, wird die Verlässlichkeit der Technologie umso wichtiger. Die erste Phase der Standardisierung für 5G wird erst Mitte 2018 abgeschlossen sein. Zwar wird mit Non-Standalone 5G New Radio eine Übergangstechnologie existieren, die LTE für Produktentwicklung und Tests verwendet. Finale Spezifikationen für das Standalone 5G werden aber nicht vor 2019 erwartet.
Doch Standards und Geräte allein reichen noch nicht, um 5G umzusetzen. Die hohen Anforderungen an 5G bezüglich Übertragungsraten, Latenzzeiten und der Zahl der unterstützten Geräte bedeuten, dass auch die Infrastruktur ausgebaut werden muss. Telekom-Chef Höttges schätzt, dass es 300 bis 500 Milliarden Euro kosten wird, um europaweit neue Antennen, Glasfaserkabel und Sendemasten zu installieren, die für den Betrieb von 5G benötigt werden. Nicht berücksichtigt sind darin die Kosten für neue Frequenzen, die auf die Telekommunikationsanbieter zukommen werden.
Die notwendigen Investitionen sind nicht von heute auf morgen zu stemmen. Es lässt sich vermuten, dass die 5G-Infrastruktur zunächst in Ballungsgebieten entstehen wird und ländliche Regionen erst nach und nach damit versorgt werden. Das bedeutet, dass Technologien, die auf 5G angewiesen sind, ebenfalls erst mit Verzögerung in der Breite ankommen werden. Für Anwendungen, die überall das neue Netz benötigen, wird das allerdings zum Problem. So werden Connected Cars außerhalb von 5G-Verbreitungsgebieten wohl nicht ihr ganzes Potenzial entfalten können. Echtzeit-Steuerungsdaten nützen nicht viel, wenn sie erst verspätet eintreffen.
Hohe Anforderungen an Netzwerke
Besonders für Telekommunikationsanbieter kommt noch hinzu, dass 5G mit komplexeren Netzwerken einhergeht. Die Kernversprechen von 5G lassen sich nur einlösen, wenn die Konfigurierung und Verwaltung von Netzwerken dramatisch flexibilisiert werden, um auf unterschiedliche Anwendungsszenarien reagieren zu können. Dies lässt sich erreichen, wenn Netzwerkfunktionen wie Routing, Switching, Load Balancing oder Firewalls virtualisiert, also per Software gesteuert werden.
Network Functions Virtualization (NFV) erlaubt die Trennung von Control Plane und User Plane. Das ist deswegen sinnvoll, weil unterschiedliche Anwendungen auch unterschiedliche Lastprofile haben. Vergleicht man beispielsweise ein Smartphone mit einem vernetzten Stromzähler, so zeigt sich, dass ersteres mit wenigen Control Plane Sessions eine hohe Last auf der User Plane erzeugt. Im zweiten Fall ist es umgekehrt. Durch separate Verwaltung beider Ebenen ist es möglich, das Netzwerk so zu konfigurieren, dass für das aktuelle Trafficmuster die optimale Leistung gegeben ist.
NFV ist auch die Grundlage für Technologien, die Latenzzeiten in 5G verringern. Besonders hervorzuheben sind hier Network Slicing und Edge Computing. Network Slicing bedeutet, dass auf einem physischen Netzwerk mehrere virtuelle aufgebaut sind. Diese sind wiederum für unterschiedliche Funktionen wie Sicherheit und hohe Übertragungskapazität optimiert und ermöglichen es, unterschiedliche Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen.
Dass mit Network Slicing auch extrem geringe Latenzzeiten erreicht werden könnten, haben Ericsson und die koreanische SK Telecom in einem Test auf dem MWC gezeigt. Eine andere Möglichkeit, Latenzzeiten zu senken, besteht im Edge Computing. Dabei kommt ein weites Netzwerk an verteilten Servern zum Einsatz, um Daten möglichst nah an dem Ort zu verarbeiten, wo sie entstehen. Angesichts steigender Datenmengen – ein autonomes Auto allein wird etwa 200 CPUs enthalten – werden knappe Bandbreiten zum Flaschenhals bei der Übertragung an die zentrale Datenverarbeitung. Da beim Edge Computing der Weg vom Netzwerkrand zur zentralen Recheneinheit und wieder zurück entfällt, entstehen weniger Verzögerungen und Bandbreitenbedarf.
Lohnt sich 5G für Netzbetreiber?
Schließlich ist die Frage, wie schnell sich 5G verbreiten wird, nicht nur eine technologische. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs werden Gewinnaussichten eine große Rolle dabei spielen, wie stark Anbieter die Entwicklung der Technologie vorantreiben. Grund genug dafür gibt es für Telekommunikationsanbieter, die seit Jahren mit fallenden Erlösen und steigenden Datenmengen zu kämpfen haben. Vor allem im Privatkundensegment ist die Zahlungsbereitschaft weitestgehend ausgeschöpft.
5G würde neue Anwendungsbereiche vor allem im B2B-Bereich ermöglichen, die zusätzliche Einnahmen mit sich brächten. Allen voran zu nennen ist das Internet der Dinge (IoT). Vernetzte Stromzähler etwa verursachen minimale Datenmengen, aber verlässliche Einkünfte. Hoffnungen ruhen auch auf Connected Cars, Smart Factories und Smart Cities. Je schneller sich tragfähige wirtschaftliche Konzepte herauskristallisieren, desto eher kann mit der Umsetzung von 5G gerechnet werden. Doch auch bei einem früher als geplanten Start des neuen Netzes wird LTE nicht über Nacht abgelöst. Beide Technologien werden koexistieren und sich ergänzen.
*Martin Klapdor ist Senior Solutions Architect bei Netscout.
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