9 Gründe, Ihr Rechenzentrum zu behalten

Es gibt immer weniger Gründe, ein eigenes Datacenter zu betreiben. Einige davon sind aber sehr überzeugend. [...]

Datacenter oder Cloud? Kaum zu glauben, aber es gibt auch gute Gründe dafür, dass eigene Rechenzentrum nicht einzustampfen. (c) pixabay.com

Die Cloud verdrängt in ihrer Einfachheit und ihrem Komfort bei vielen Anwendern den Wunsch, ein eigenes Rechenzentrum vorzuhalten. Das liegt nicht zuletzt an der Innovationsgeschwindigkeit in der Cloud: Der Move weg vom Datacenter ist auch darin begründet, dass Cloud-Serviceanbieter immer wieder mit innovativen Produkten überzeugen, die Zeit und Geld sparen.

Doch bei all den unbestreitbar guten Gründen für den Wechsel in die Cloud gibt es auch gute Argumente dafür, sich dem Trend zu widersetzen und das eigene Rechenzentrum am Laufen zu halten. Hier kommen neun Gründe, die dafür sprechen, zumindest einen Teil Ihres Codes vor Ort in einem Rack laufen zu lassen, das Ihrem Unternehmen gehört.

1. Lokaler Speed

Die Cloud bietet viele Vorteile für global agierende Unternehmen – zum Beispiel, um Remote Worker zu unterstützen. Halten sich Ihre Mitarbeiter allerdings auf demselben Firmengelände auf und greifen auf dieselben Server zu, ergeben sich durchaus Nachteile, wenn die Daten erst den Erdball umrunden müssen, um dann in der Cloud verarbeitet zu werden. Lokale Server sind schneller. Zudem bedeuten weniger Netzwerksprünge weniger Fehlerquellen. Wenn die Bits das Gebäude nie verlassen, kommen Sie mit weniger Bandbreite aus. Das sind gute Gründe dafür, Server nahe am Ort des Geschehens zu betreiben.

2. Technisch kompromisslos

Zweifellos kann die Cloud befreiend wirken, weil die Anbieter ihren Kunden viel von dem Ärger nehmen, den der Betrieb von Servern, der Kauf von Maschinen oder die Installation und Pflege von Software mit sich bringen. Es kann aber auch beruhigend sein, diese Aufgaben selbst in der Hand zu haben. Vor allem, wenn Sie Ihre eigenen Lösungen betreiben wollen, sind die Reibungsverluste bei einer Cloud-Migration zu hoch. Die Zeitersparnis, die der Wechsel in die Cloud bedeuten kann, ist den Aufwand in solchen Fällen nicht immer wert.

Ein Beispiel: In einem meiner Projekte wurde Legacy Code verwendet, der eine alte Version von Python erforderte. Der Cloud-Anbieter nutzte jedoch die neueste Version von Ubuntu, die wiederum eine neuere Version von Python erforderte. Ich konnte mich entscheiden, ob ich mich entweder mit verschiedenen Versionen herumplagen oder meine Lieblingsversion von Python auf einem eigenen Rechner installieren wollte. Letzteres war deutlich einfacher als den Code neu zu schreiben.

3. Keine Nachbarn

Cloud-Unternehmen müssen alle Kunden glücklich machen. Viele verschiedene Anwendungen nutzen in einer Multi-Tenancy-Welt die gleichen Services. Sich einem Cloud-Dienst zu verpflichten, heißt, mit den Nachbarn auskommen zu müssen. In Extremfällen können diese aber bösartig sein. Angriffstechniken wie Rowhammer haben gezeigt, dass es möglich ist, andere Benutzer auf derselben Hardware zu kompromittieren. Sicher, das ist (noch) kein weit verbreitetes Problem.
Dennoch: Einer der großen Vorteile eines eigenen Datacenters ist, sich nicht mit den Nachbarn herumärgern zu müssen.

4. Kontrolle

Moderne Verträge sind nicht in Stein gemeißelt und meistens nicht einmal mehr auf Papier geschrieben. Tauchen Probleme auf, kann es vorkommen, dass Anbieter ihre Kunden kurzerhand mit dem Hinweis auf einen Verstoß gegen irgendwelche undefinierten Klauseln in den AGBs abwimmeln. Die Internetforen quellen über mit traurigen Geschichten von Entwicklern und Unternehmen, die am Ende eine Kündigung von ihrem Cloud-Anbieter erhalten haben. In manchen Fällen verzichten die Anbieterunternehmen sogar darauf und drehen einfach den Cloud-Hahn zu.

Vielleicht haben Sie gute Anwälte. Vielleicht glauben Sie auch, solche Geschichten sind übertrieben und passieren Ihnen nicht. Andererseits erscheint die Wahrscheinlichkeit gering, dass Cloud-Anbieter Irrtümer eingestahen und freiwillig auf Einnahmen verzichten. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass die Anzahl der juristischen Fallstricke sinkt, wenn Unternehmen die Kontrolle über ihre Hardware behalten.

5. Macht

Viele Cloud-Provider müssen sich des Vorwurfs erwehren, ihre Serviceleistungen seien lückenhaft. Einige geben sogar Absichtlich keine telefonischen Kontaktmöglichkeiten an, andere antworten generell nicht auf E-Mails. Auf die seltenen großartigen Geschichten von Mitarbeitern eines Cloud-Unternehmens, die sich für ihre Kunden besonders ins Zeug gelegt haben, kommen in den Internet-Foren mindestens zehn Schimpftiraden über namen- und gesichtslose Datenkraken.

Von den Verantwortlichen im eigenen Rechenzentrum werden Manager schnell Antworten erhalten. In Sitcoms werden zwar gerne Witze darüber gemacht, wie selten man den internen IT-Support zu Gesicht bekommt, unbestritten möchten die Kolleginnen und Kollegen aber doch wohl weiter ihr Gehalt beziehen.

6. Preisfrage

Die neueste Hardware ist auch immer die teuerste. Wenn Ihre Workloads Sie zwingen, mit starken Schwankungen umzugehen, ist es vielleicht wirklich sinnvoll, sich auf die Cloud zu verlassen. Sind die zu bewältigenden Aufgaben aber eher wenig aufregend und vorhersehbar, können Sie viel Geld sparen, wenn Sie sich mit Servern zufrieden geben, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.

Natürlich gibt es dabei auch versteckte Kosten zu beachten, ältere Geräte gehen beispielsweise häufiger kaputt. Wenn Sie aber gelegentliche Ausfallzeiten verkraften können un dzudem über Mitarbeiter verfügen, die in der Lage sind die Hardware zu reparieren, ist es eine günstige Alternative, Hardware auch mal länger zu nutzen.

7. Lasten

Unternehmen mit stark schwankenden, aber im Allgemeinen vorhersehbaren Rechenlasten kommen mit der Cloud in der Regel am besten zurecht. Videostreaming-Dienste erleben zum Beispiel zuverlässig einen Peak an Freitag- und Samstagabenden. Deshalb nutzen sie die Cloud-Rechenpower für ein paar Stunden und fahren sie wieder zurück, sobald die Nutzer schlafen gehen.

Wenn Ihr Unternehmen kontinuierlich hohe Rechenleistung verlangt, kann der Betrieb eines eigenen Rechenzentrums günstiger sein. Eine Cloud-Maschine für 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche zu bezahlen, ist teuer – auch nach dem Abzug von Rabatten. Darüber hinaus ist die Budgetkalkulation für ein wettbewerbsfähiges lokales Datacenter einfach, wenn Sie mit einem 24-Stunden-Betrieb planen.

8. Grundbesitz

Die Pandemie hat die Welt der Gewerbeimmobilien auf den Kopf gestellt. Einige Unternehmen sitzen auf ungenutzten Räumlichkeiten, für die der Mietvertrag erst in ein paar Jahren ausläuft. In einem solchen Fall kann es sich lohnen, dort ein paar Serverracks zu betreiben, anstatt in die Cloud zu gehen.

9. Lokale Talente

Manche Unternehmen möchten mit möglichst wenig Personal auskommen, um ihre Kosten zu senken. Ein eigenes Rechenzentrum mit den entsprechenden Mitarbeitern zu betreiben, kann teuer werden. Das sind Kosten, die für einen CIO am schwersten zu rechtfertigen sind. Besser wird die Bilanz, wenn die Beschäftigten im Datacenter zusätzlich einige andere Aufgaben erledigen. Solche Services werden Sie von einem Cloud-Anbieter nicht bekommen. Und gute Witze an der Kaffeemaschine wird er auch nicht erzählen.

*Peter Wayner schreibt unter anderem für unsere US-Schwesterpublikation InfoWorld.com und ist Autor verschiedener Bücher – unter anderem zu den Themen Open Source Software, autonomes Fahren und digitale Transaktionen.


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