9. Zürcher Konferenz und Netzwerktreffen – Technologieoutlook und IT-Trends als Chance für Europa

Zum bereits neunten Mal lud am 8. 9. 2015 das Future Network gemeinsam mit der Schweizer Informatik Gesellschaft, ICTswitzerland, OCG, AIT, SCCH und CON•ECT Eventmanagement zum Technologieoutlook an der Universität Zürich ein. Branchenvertreter und Wissenschaftler diskutierten rege zum Schwerpunkt-Thema "Digital Society and Economy 4.0". Welche Herausforderungen und Chancen bieten Big Data und Industrie 4.0? Welche gesellschaftlichen Implikationen bringt das Internet der Dinge mit sich? [...]

„Solche offenen Daten sind natürlich toll, aber die Frage ist: Wo kriegen wir sie her? Facebook, Apple oder Google geben sie uns sicher nicht. Aber mit unseren Smartphones und den sensorbestückten Geräten, die noch kommen, haben wir die notwendigen Werkzeuge, um Daten selber zu sammeln und zu vernetzen“, erklärte Helbing.

DER WEG ZUM FEUDALISMUS 2.0

Einen etwas pessimistischeren Blick auf das digitale Zeitalter warf der Rostocker Universitätsprofessor Clemens Cap in seinem Vortrag. Er stellte die nicht unberechtigte Frage, ob die Entmündigung von Endanwender durch Konzerne wie Apple, Microsoft, Amazon oder Google nicht längst auf feudale Machtverhältnisse in der Kundenbeziehung hindeuten. „Einige wenige Lehnsherren erlauben die Nutzung ihrer Geräte und Dienste. Die Endanwender, die modernen Vasallen, profitieren einerseits davon, müssen gleichzeitig aber alle Regeln und Vorgaben bedingungslos akzeptieren, um das erstandene Gerät, sei es nun ein iPhone, ein Windows-PC, oder den bezahlten Dropbox-Account überhaupt verwenden zu können“, sagte Cap.

Dass die Bevormundung noch eher zunehme, würden Berichte über Windows 10 zeigen, das im Hintergrund praktisch immer Daten an Microsoft sende. „Es ist bekannt, dass Microsoft bei Skype-Chats und E-Mails wie etwa auch Google mitliest und dadurch auch schon User wegen Kinderpornografie verpfiffen hat. Abgesehen vom ernsten Thema in diesem Fall: Dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen in den privaten Kommunikationsverkehr von Kunden hineinschaut und Personen unter Generalverdacht stellt, erinnert schwer an Spitzelmethoden von Regimen“, zeigte sich Cap kritisch. Die Methode werde auch nicht besser, wenn sie automatisiert von Computern oder Algorithmen durchgeführt werde.

Andere angeführte Beispiele betrafen die Beschränkungen Apples bei der Nutzung seines Ökosystems. Das iPhone sei praktisch unbrauchbar, wenn man keine Apple-ID und den damit verknüpften AGB zustimmt. Unverständlich sei auch, dass man als User nach einem Upgrade nicht mehr zu einer vorherigen Version zurückkehren könne. Auch dass nur Apps im Store freigeschaltet werden können, die dem Weltbild Apples entsprechen, entspreche einem digitalen Feudalismus 2.0. „Nach Kant wäre die Zeit nun reif für die digitale Auf klärung. Ungeachtet einiger Open-Source-Projekte und Hardware wie dem Librem-Notebook, bei dem sich im Sinne des Datenschutzes Mikrofon, Kamera und WLAN mit Kill Switch abschalten lassen, bin ich mir aber nicht sicher, ob der eingeschlagene Weg noch umkehrbar ist“, zeigte sich Cap skeptisch.

DER MENSCH IN DER INDUSTRIE 4.0

Ebenfalls zum Nachdenken regte Priska Altorfer von der Schweizer Informatik Gesellschaft an. Sie warf einen Blick auf kulturelle und ethische Aspekte, die beim Thema Industrie 4.0 aufgrund der technischen Herausforderungen oftmals übersehen werden.

In den wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sei die Diskussion meist von Fragen der Effizienz- und Effektivitätssteigerung geplant.

Neben der Automatisierung von vielen Arbeitsschritten, die Menschen in gewissen Produktionsprozessen überflüssig machen, sei von vielen Beschäftigten auch eine hohe Flexibilität und Individualisierung gefordert, die mit gesellschaftlichen Begebenheiten – Stichwort unflexibler Schulalltag und Öffnungszeiten – oftmals nur schwer unter einen Hut zu bringen seien.

„Keine Frage, der erste Enthusiasmus hinsichtlich der vierten industriellen Revolution ist gewichen. Wir werden nicht umhin kommen, uns auch brennenden kulturellen und ethischen Fragen zu stellen“, sagte Altorfer. „Wie reagieren wir auf neue Geschlechterrollen in dieser völlig veränderten Arbeitswelt? Fühlen wir uns als Do-it-yourself-Menschen, die mit ihrem kleinen Startup ihr eigenes Ziel verfolgen, noch für die Gemeinschaft verantwortlich oder nur für uns selbst? Wo steht der Mensch in der Wertschöpfungskette neben den neuen Maschinen, die in der Fabrik 4.0 ihren Dienst verrichten?“ Neben diesen gesellschaftlichen Implikationen blieben in dieser vernetzten Welt zudem viele Sicherheitsfragen noch unbeantwortet, so Altorfer.

DIE DROHNEN KOMMEN

Mit verblüffenden Einblicken in die Welt der Drohnen-Forschung an der Universität Zürich fand das Netzwerktreffen einen würdigen wie unterhaltsamen Abschluss. Doktorand Elias Müggler referierte über Einsatzgebiete von unbemannten Drohnen und stellte eine neue Technologie vor, die am Institut für Informatik (Robotics and Perception Group) entwickelt wird. Um die Flugobjekte bei Rettungs- und Sucheinsätzen noch unabhängiger agieren zu lassen, bekommen diese ein auf den Boden ausgerichtetes Kameraauge. Anstatt sich auf GPS und menschliche Steuerung verlassen zu müssen, die etwa in geschlossenen Räumen oder in der Stadt schnell an ihre Grenzen stoßen, scannt und analysiert die Drohne die Umgebung. Die Auswertung von markanten Bodenpunkten, die zur Orientierung dienen, erfolgt direkt an Bord auf einem Minicomputer. Weitere Sensoren, wie ein Beschleunigungssensor und Gyroskope helfen, die Punkte in Relation zu setzen und den Quadrocopter mit vier Rotoren zu stabilisieren.

„Der Vorteil liegt auf der Hand: Das System ist völlig unabhängig von externer Infrastruktur. Auch menschliche Fehlleistungen, die gerade in einer Krisen- und Stresssituation bei der Steuerung auf treten können, sind so vermeidbar“, erklärte Müggler. Auch wenn die prinzipiell bestehende Funkverbindung zu den Einsatzkräften abreiße, könne die Drohne weiterhin ihre Arbeit verrichten und im Ernstfall Leben retten, sagte Müggler. Beim Projekt an der Universität Zürich handelt es sich um Grundlagenforschung. Erklärtes Ziel sei es aber, derartige Drohnentechnologie künftig in Such- und Rettungseinsätzen verwenden zu können. (pi)

http://www.future-network.at

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