Ablösung durch Teams und Co.: Mit Corona stirbt die TK-Anlage

Spätestens seit der Coronapandemie ist klar: Die alte Telefonanlage hat ausgedient und wandert in die Cloud. Dort verschmilzt sie mit Videokonferenzdiensten wie Zoom oder Teams. Wir zeigen, was bei der Umstellung zu beachten ist. [...]

Mit Corona stirbt die klassische TK-Anlage - egal ob IP-PBX oder POTS (c) pixabay.com

In vielen Unternehmen sitzt die Mehrheit der Mitarbeiter derzeit im Homeoffice und selbst Grundschüler nutzen Zoom und Teams als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Nach der Coronapandemie werden Homeoffice und videobasierte Kommunikation zur neuen Normalität gehören.

Für Unternehmen, die schon einen großen Teil ihrer Applikationen aus der Cloud beziehen, war die Umstellung verhältnismäßig einfach: Mancher Chef konnte innerhalb von Tagen seine gesamte Belegschaft ins heimische Arbeitszimmer schicken, teilweise sind ganze Call Center ins Homeoffice umgezogen. Selbst Börsenhändler, die mit hochspezialisierten Endgeräten arbeiten, tauschten den Handelssaal gegen das heimische Wohnzimmer. Andere stellen sich die Frage, ob jetzt nicht der ideale Zeitpunkt gekommen ist, den digitalen Arbeitsplatz einzuführen.

Die PBX hat ausgedient

Eine Konsequenz ist schon abzusehen: Unternehmen werden endgültig von ihrer alten Telefonanlage im Keller Abschied nehmen. Die Ankündigung, das ISDN-Netz abzuschalten, hatte bereits das Ende der klassischen PBX eingeläutet; während der Pandemie wurden vielen Firmen aber noch einmal drastisch vor Augen geführt, wie viel flexibler eine Cloud-basierte Lösung ist. Viele Firmen migrieren ihre Telefonanlage daher in die Cloud, also dorthin, wo Services wie ZoomMicrosoft Teams oder Cisco Webex ohnehin schon sind. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob man nicht Telefonie und Videokonferenz miteinander verschmelzen kann.

Eine zentralisierte Lösung, die Sprach- und Videokommunikation umfasst und alle Dienste unternehmens- und weltweit zur Verfügung stellt, offeriert zahlreiche Vorteile. So fällt der Schulungsaufwand geringer aus und es gibt einen zentralen Helpdesk. Das spart gleich aus mehreren Gründen Kosten. Eine herkömmliche Telefonanlage verschlingt nämlich auch dann Geld, wenn sie nicht benutzt wird, Cloud-Telefonie wird dagegen nach Nutzung (Pay-per-Use) abgerechnet. Für internationale Unternehmen, die andere Unternehmen zukaufen oder mit ihnen fusionieren, kommt es zudem auf Flexibilität an.

Eine Cloud-Lösung lässt sich leicht skalieren und auf weitere Unternehmensstandorte ausrollen. Außerdem schafft eine Telefonie-Lösung mit zentralisierten SIP-Trunks die Möglichkeit, günstigere Minutenpreise mit einem Carrier zu verhandeln und verbessert Monitoring und Reporting. Multinationale Kunden können die Abrechnung in verschiedenen Währungen erhalten oder in Kostenstellen abbilden.

Dies Migrationsfragen müssen Sie klären

Bevor Unternehmen ihre alte Telefonanlage stilllegen, sind ein paar grundsätzliche Fragen zu klären:

  • Stellt man das ganze Unternehmen auf einmal um oder geht man schrittweise nach Standorten vor?
  • Reicht die Bandbreite der Internetverbindung und ist gegebenenfalls eine Umstellung der Netzwerktopologie mit dezentralen Internet-Breakouts sinnvoll?
  • Welche regulatorischen Hürden sind In den jeweiligen Ländern zu beachten?
  • Gibt es Branchenvorgaben – wie etwa bei Banken, wo bestimmte Telefonate aufgezeichnet werden müssen?

In Europa stellt die DSGVO außerdem hohe Ansprüche an den Schutz personenbezogener Daten. Vieles spricht daher dafür, nicht einfach nur die Telefonie-Lösungen von Zoom, Microsoft oder Cisco zu abonnieren, sondern diese als Managed Service bei einem globalen Telekommunikationsdienstleister zu buchen. Dieser kann dann eine gezielte Anbindung an das jeweilige Cloud-Angebot – etwa Zoom – über die gegebenenfalls vom Kunden bereits genutzte Infrastruktur des TK-Dienstleisters anbieten und auch die Qualitätssicherung und das Monitoring übernehmen.

Teams, Zoom und Webex als Telefon nutzen

Die Integration der Sprachtelefonie erfolgt dabei in der Regel über den globalen SIP-Dienst des TK-Providers oder über die klassische Einwahl ins Telefonnetz, damit auch weiterhin Nutzer an Konferenzen teilnehmen können, die „nur“ ein normales Telefon oder Handy zur Verfügung haben. Bei Bedarf können auch kostenlose Einwahlnummern zur Verfügung gestellt werden. Bucht der Kunde „Zoom Phone“ hinzu, kann er Zoom sogar anstelle seines Telefons benutzen. Der Nutzer kann dann also nicht nur andere Zoom-Videokonferenzteilnehmer, sondern weltweit jeden gewöhnlichen Telefonanschluss anrufen – und ist umgekehrt auch unter seiner gewohnten Festnetznummer erreichbar. Damit entfällt die Notwendigkeit, noch ein Telefon auf dem Schreibtisch zu haben.

Weitere Aspekte, die für einen Managed Service sprechen, sind Security-Optionen wie eine weitergehende Verschlüsselung der Kommunikation, den Schutz der Benutzer-IDs der Anwender, sichere und belastbare Anbindungen inklusive Ende-zu-Ende-Monitoring der Verbindungsqualität oder dedizierte Netzwerk-Gateways. Unternehmen können damit sicher sein, dass ihre Daten geschützt sind und die DSGVO eingehalten wird. Sorgen, wie sie sich Privatkunden hinsichtlich des Datenschutzes bei kostenlosen Videoangeboten machen müssen, haben die Nutzer eines Managed Service nicht.

Der neue Service eignet sich vor allem für Unternehmen, die „Video first“ als Devise ausgegeben haben. Das ist zum Beispiel interessant für Banken, die das Video-Ident-Verfahren zur Anmeldung von Neukunden nutzen, oder für Callcenter. Hier ist Zoom am stärksten. Der Dienst kommt aus der Realtime-Kommunikation, eignet sich also bestens für Videokonferenzen und fürs Telefonieren. Microsoft hingegen kennt man vor allem von den Desktop-Anwendungen, seine Dienste sind stark in der nicht-linearen Kommunikation, etwa mit E-Mail oder Chats, Video benötigt hier mehr Bandbreite als andere Lösungen. Doch Microsoft hat mit Teams Phone nachgelegt und ist erfolgreich bei Unternehmen, die sowieso bereits Microsoft 365 nutzen. Anbieter von Managed Services sollten hier herstellerneutral agieren, also sowohl Zoom als auch Microsoft Teams und Cisco Webex unterstützen. Um einen Investitionsschutz für bereits vorhandene Videokonferenzsysteme sicherzustellen, sollten auch Video Interoperability Services angeboten werden, so dass beispielsweise Microsoft Teams mit bereits vorhandenen Cisco-Telepräsenzsystemen funktioniert.

Führt ein Unternehmen so einen Dienst ein, muss es auch die Mitarbeiter überzeugen. Zum Beispiel die Vorstandsassistenz, die mit dem größten Telefonapparat im Unternehmen ihren Herrschaftsanspruch dokumentiert. Oder Mitarbeiter, die ganz gut ohne Videokonferenzen auskommen und ein Tischtelefon bevorzugen. Deshalb birgt so eine Umstellung möglicherweise Konfliktpotenzial, weshalb ein Adoption Service wichtig ist.

Telefonnummer bleibt, KI kommt hinzu

Dabei erklären Experten nicht nur technische Funktionen, sondern verstehen sich als Unterstützer im Change-Prozess. Gemeinsam mit dem Management legen sie Nutzertypen fest, so genannte Personas, die später unterschiedliche Ausstattungen an Hard- und Software bekommen. Auch wenn die Telefonanlage in der Cloud steckt, muss die Vorstandsassistenz also nicht auf einen Telefonapparat verzichten. Die Mitarbeiter können mit Soft-Client und einem Headset telefonieren, müssen es aber nicht. Ziel ist es, eine digitale Kultur zu etablieren und die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern. Natürlich wird die alte Telefonanlage erst dann abgeschaltet, wenn dieses Ziel erreicht ist. Und jeder Nutzer behält seine bisherige Telefonnummer.

Und der digitale Arbeitsplatz steht noch am Anfang der Entwicklung, wenn man bedenkt, was in den nächsten Jahren am Arbeitsplatz Einzug halten wird. Lösungen auf Basis von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen identifizieren Personen in einer Videokonferenz durch Gesichtserkennung oder in einer Telefonkonferenz an der Stimme. Sie fertigen ein Transkript an und erstellen automatisch eine Zusammenfassung. Und in nicht allzu ferner Zukunft wird es bei allen Herstellern auch Live-Übersetzungen in den wichtigsten Sprachen geben.

*Sven Klindworth ist Leiter IT & UCC Solutions für Deutschland beim globalen Kommunikationsdienstleister BT.


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