ABN Amro Bank CIO: Nachhaltigkeit ist einfach mehr als ein Buzzword

Für Dorothée Appel von der ABN Amro Bank sollten CIOs nicht nur IT-Landschaften optimieren, sondern sich auch für Nachhaltigkeit verantwortlich fühlen. [...]

"Es regt mich auf, wenn heutzutage Nachhaltigkeit immer noch als Buzzword bezeichnet wird", sagt ABN Amro Bank CIO Dorothée Appel auf den Hamburger IT-Strategietagen (c) cio.de

Wie eigentlich alle IT-Führungskräfte hat Dorothée Appel ihre mehr als 30-jährige Laufbahn vor allem damit verbracht, Prozesse zu optimieren. Egal, ob es für sie bei Microsoft um Prozessautomation, bei der ING Direktbank um Plattform-Business-Modelle oder bei der Zurich Versicherung um Data Driven Agility ging. Ziel war es stets, effizienter zu werden im Dienst von mehr Umsatz und/oder Gewinn.

Seit Oktober 2020 ist sie CIO der niederländischen ABN Amro Bank, und auch dort arbeitet sie natürlich daran, Abläufe zu optimieren, damit das Geldinstitut (noch) erfolgreicher wird. Allerdings sollten sich CIOs heute aus ihrer Sicht nicht nur dafür verantwortlich fühlen, Business-Strategien und regulatorische Anforderungen umzusetzen, sondern auch dafür, ihre IT-Organisation inklusive umliegender Ecosysteme im Sinne der ESG Nachhaltigkeitsziele umzubauen und zu steuern.

ABN Amro hat sich das Motto „Banking for better – for generations to come“ auf die Fahnen geschrieben. Nachhaltigkeit ist dabei ein Teil der Unternehmensstrategie. Dorothée Appel ärgert sich manchmal darüber, dass der Begriff so inflationär als Buzzword verwendet – und damit auch entwertet wird. „Wir sollten uns öfter vor Augen führen, welche Bedeutung nachhaltiges Wirtschaften in Zukunft hat. Für 90 Prozent der Menschen wird davon schlicht das Überleben abhängen.“

Wissen, wie wenig eine Applikation verbrauchen könnte

Aus Sicht von Dorothée Appel hat Nachhaltigkeit für IT-Organisationen und ihre Mitarbeiter drei Dimensionen. Erstens müssten sie natürlich „den eigenen IT-Shop optimieren“. Dazu gehört Hardware Circularity, also der möglichst nachhaltige Einsatz von Rechnerkapazitäten. Appel spricht von „Right Sizing“: Maschinen sollen nur so viel Energie verbrauchen, wie für ihre Aufgaben unerlässlich ist – und kein bisschen mehr. Ob das gelingt, hänge natürlich maßgeblich von den Applikationen ab. „Die meisten Unternehmen haben haufenweise Junk installiert, den sie gar nicht brauchen, der aber immer noch Unmengen Strom frisst.“

Eine Einordnung von Dorothée Appel: Die Technologie und Digitalisierung in den vergangenen 30 Jahren (c) cio.de

Und auch bei notwendigen Anwendungen lohne es sich, den energetischen Fußabdruck genauer unter die Lupe zu nehmen. „Wir wollen wissen, wie viel eine Applikation aktuell verbraucht – und wie wenig sie verbrauchen könnte.“ Um das herauszufinden, entwickelt ABN Amro aktuell in Kooperation mit der Freien Universität Amsterdam ein Framework. Wobei die CIO gesteht, dass es sehr komplex ist, die Nachhaltigkeit von Applikationen exakt abzubilden. „Es gibt hier auch für uns noch viel zu lernen“, so Dorothée Appel.

Neudefinition des Begriffs Effizienz notwendig

Bei der zweiten Dimension, mit der sich CIOs aus ihrer Sicht beschäftigen sollten, geht es um Nachhaltigkeit als Teil der Business-Strategie. Es geht darum, auch Geschäftspartner und Kunden bei dem Thema mitzunehmen.

Bemerkenswert ist ein Tool der deutschen ABN Amro-Tochter Bethmann Bank, welches die Nachhaltigkeit von Portfolios messen und Kunden den CO²-Abdruck ihres Investments vor Augen führen kann. Neben einem monatlichen Report gehört auf Wunsch auch eine Beratung mit dem Ziel der Optimierung zum Service.

Die dritte Dimension von Nachhaltigkeit rückt persönliche Verantwortlichkeiten in den Mittelpunkt. CIOs sollten sich nach Ansicht von Dorothée Appel auch dafür zuständig fühlen, mit Partnern und Mitarbeitern über diese Verantwortung zu sprechen und Sensibilität für das Thema zu wecken.

Darüber hinaus müssten sich CIOs künftig ein paar neue, sehr grundsätzliche Fragen stellen. Appel erinnert an dieser Stelle an das sogenannte Jevons-ParadoxonWilliam Stanley Jevons errechnete im 19. Jahrhundert, wie sich die gestiegene Effizienz von Dampfmaschinen auf den Kohleverbrauch ausgewirkt. Ergebnis: Je effizienter die Maschinen wurden, desto mehr stieg insgesamt der Kohleverbrauch. Weil natürlich immer mehr Dampfmaschinen zum Einsatz kamen. Die Analogie zur IT liegt auf der Hand. „Eine gesunde Wirtschaft“, so Dorothée Appels Learning daraus, „darf nicht nur auf Wachstum aufgebaut sein“.

*Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.


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