Die Europäische Kommission hat kürzlich den Abschlussbericht einer Expertengruppe zum Thema "Besteuerung der digitalen Wirtschaft" erhalten. [...]
Diese unabhängige Gruppe sollte Schlüsselfragen im Zusammenhang mit der Besteuerung der digitalen Wirtschaft in der EU untersuchen und ihre Vorstellungen dazu präsentieren, wie auf verschiedene Herausforderungen und Chancen in diesem Bereich am besten reagiert werden kann. Der Vorsitzende der Gruppe, der ehemalige portugiesische Finanzminister Vítor Gaspar, stellte den Bericht letzte Woche Kommissionspräsident Barroso und Kommissionsmitglied Šemeta vor. Der Bericht wurde von der Gruppe, der noch sechs weitere Fachleute aus der ganzen EU aus unterschiedlichen, für die digitale Wirtschaft relevanten Bereichen angehörten, innerhalb von fünf Monaten erstellt.
Kommissionspräsident Barroso erklärte: „Da sich in der Krise die Aufmerksamkeit auf die öffentlichen Finanzen richtet, ist das Thema Steuergerechtigkeit sowohl für die Regierungen als auch für die Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund gerückt. Ein starker, sich rasch entwickelnder digitaler Sektor ist für unsere Wirtschaft positiv, wir müssen aber auch darüber nachdenken, wie wir unsere Steuersysteme am besten an die Online-Welt anpassen können. Ich begrüße den Bericht von Vítor Gaspar und der Expertengruppe, den die Kommission nunmehr aufmerksam prüfen wird, und aus dem sie zu gegebener Zeit Schlussfolgerungen zieht.“
Vítor Gaspar erklärte: „Die Digitalisierung eröffnet sowohl Unternehmen als auch Bürgerinnen und Bürgern vielversprechende Möglichkeiten. Für die Steuersysteme und Steuerverwaltungen – die sich an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen – ist sie aber auch mit neuen Herausforderungen und Möglichkeiten verbunden. Für mich war es sehr anregend, in der Gruppe mit motivierten Fachleuten zusammenzuarbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass unser Bericht die internationale Debatte über Steuerpolitik voranbringt.“
Algirdas Šemeta, für Steuern zuständiges Mitglied der Kommission, erklärte: „Ein einheitliches Konzept der EU zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ein unternehmensfreundlicheres Steuerumfeld für die digitale, aber auch die herkömmliche Wirtschaft sind für uns seit einigen Jahren übergeordnete Ziele. Die hochrangige Gruppe bestätigt, dass wir unsere Energie und unsere Bemühungen in der Steuerpolitik der EU hierauf konzentrieren müssen. Ich danke Vítor Gaspar und den übrigen Mitgliedern der Gruppe ganz herzlich für ihre sorgfältige Arbeit. Ihr Bericht enthält wertvolle Anregungen für die Festlegung unseres kurz- und längerfristigeren Konzepts bezüglich der Besteuerung in der digitalen Wirtschaft.“
Neelie Kroes, für die digitale Agenda zuständiges Mitglied der Kommission, fügte hinzu: „Es geht hier nicht länger nur um einen ‚digitalen Sektor‘, sondern um die gesamte Wirtschaft, die gewissermaßen digitalisiert wird. Es geht darum, die Voraussetzungen für Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen. Ich begrüße auch, dass die Gruppe die digitale Wirtschaft aus steuerlicher Sicht nicht nur als Herausforderung sieht, sondern auch als Lösung für Vereinfachung, Transparenz und Innovation im Steuerbereich.“
In dem von unabhängigen Experten erstellten Bericht werden Steuerfragen behandelt, die die digitale Wirtschaft im weitesten Sinn betreffen, etwa indirekte Steuern (Mehrwertsteuer) und direkte Steuern (Unternehmensbesteuerung), sowie Fragen allgemeiner Art, um festzustellen, wie durch die Steuerpolitik die Chancen, die die digitale Wirtschaft bietet, optimiert werden können.
Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts lauten:
- Die digitale Wirtschaft bedarf keiner gesonderten Steuerregelung. Die derzeitigen Bestimmungen sind gegebenenfalls anzupassen, um der Digitalisierung unserer Wirtschaft gerecht zu werden.
- Grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten werden durch die Digitalisierung vereinfacht. Die Beseitigung von Hemmnissen im Binnenmarkt, auch von Steuerhemmnissen, und die Schaffung eines unternehmensfreundlicheren Umfelds durch neutrale, vereinfachte und koordinierte Steuervorschriften sind daher wichtiger als je zuvor.
- Die bevorstehende Umstellung auf eine auf dem Bestimmungslandprinzip beruhende MwSt-Regelung für digitale Dienstleistungen sowie die Vereinfachung, die die kleine einzige Anlaufstelle für die Unternehmen bedeutet, werden begrüßt. Im Bericht wird empfohlen, diese Regelungen künftig auf alle Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen (von Unternehmen an Verbraucher) auszudehnen.
- Um Neutralität zu gewährleisten und für die Unternehmen in der EU gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen, empfiehlt die Gruppe, die MwSt-Befreiung von Kleinsendungen aus Nicht-EU-Ländern abzuschaffen. Unterstützend sollten eine einzige Anlaufstelle und eine beschleunigte Zollabfertigung vorgesehen werden.
- Im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist das so genannte BEPS-Projekt von G20 und OECD zur Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung von grundlegender Bedeutung für die weltweite Bekämpfung von Steuervermeidung und aggressiver Steuerplanung. In dem Bericht wird nachdrücklich empfohlen, dass die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Haltung einnehmen, um ein für die gesamte EU vorteilhaftes Ergebnis zu erzielen.
- Die Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs, die Überarbeitung der Verrechnungspreisvorschriften und die Überprüfung der Konzepte zur Definition und Anwendung der steuerlichen Präsenz sind für die EU vorrangige Bereiche des BEPS-Projekts.
- Die Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) bietet der EU die Gelegenheit, sich mit neuen internationalen Standards (etwa Gewinnaufteilungsmethoden) zu befassen und in der EU weitere Vereinfachungen zu erreichen.
- Langfristig könnten auch grundlegendere Reformen des Steuersystems geprüft werden, etwa eine auf dem Bestimmungslandprinzip basierende Körperschaftsteuer.
Die Expertengruppe zum Thema „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ wurde eingesetzt nach Diskussionen des Europäischen Rates vom Mai 2013, in denen die Staats- und Regierungschefs der EU erklärten, dass Anstrengungen unternommen werden müssen, um der Steuerproblematik in der digitalen Wirtschaft begegnen zu können. Im Oktober 2013 begrüßten die Staats- und Regierungschefs die Initiative der Kommission zur Einsetzung der Expertengruppe, die im Dezember 2013 zum ersten Mal zusammentrat.
Die Kommission will den Bericht nun prüfen und zu gegebener Zeit ein politisches Konzept beschließen. (pi/rnf)
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