Neun von zehn Unternehmen verspüren extrem volatile Märkte und unvorhersehbare Entwicklungen als Risiko für den wirtschaftlichen Erfolg. Neun von zehn Managern sehen daher die Agilität ihres Unternehmens als kritischen Faktor für Erfolg. Acht von zehn Unternehmen wollen agiler werden. Das hat das Institut für Innovation und Industrie Management an der TU Graz im Zuge seiner Forschungsarbeiten zum Thema Agilität festgestellt. [...]
Das Institut unter der Leitung von Prof. Christian Ramsauer veranstaltete unter dem Motto „Erfolgsfaktor Agilität“ eine industrieübergreifenden Tagung. Rund 150 Topmanager und Geschäftsführer folgten den Ausführungen des hochkarätigen Panels. Redner wie Karl-Friedrich Stracke, President Fahrzeugtechnik & Engineering bei Magna Steyr, und Christoph Lütke Schelhowe, Vice President Customer Experience bei Zalando, berichteten in der Aula der TU Graz darüber, wie sie damit umgehen, dass in der globalisierten Wirtschaft des Jahres 2017 nichts mehr planbar und alles möglich scheint. Das Fazit: Neben der Digitalisierung ist die Agilität von Unternehmen, also das Vorbereiten auf Unvorhersehbares, die wahrscheinlich wichtigste Herausforderung der Dekade.
Christian Ramsauer: „Agile Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich proaktiv auf Unsicherheiten vorbereiten und etwa Szenarien durchspielen und potentielle Handlungsmöglichkeiten erarbeiten. Dadurch können sie sehr schnell auf Veränderungen reagieren und mit allen Elementen der Wertschöpfungskette ihre wirtschaftliche Situation verbessern.“
Buchpräsentation „Erfolgsfaktor Agilität“
Am Freitag wurde ebenfalls das Buch „Erfolgsfaktor Agilität“ präsentiert, herausgegeben von Prof. Ramsauer, Detlef Kayser (Lufthansa) und Christoph Schmitz (McKinsey). Im Zuge der Forschungen haben die Autoren festgestellt, dass acht von zehn Vorständen und Geschäftsführern angeben, die Agilität ihrer Unternehmen mittelfristig steigern sowie die Anpassungsfähigkeit ihrer Unternehmen an schnell wechselnde Kundenforderungen erhöhen zu wollen.
Zudem besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Agilität von Unternehmen und deren Profitabilität sowie Break-Even-Level: Die Analysen der Autoren zeigen, dass agile Unternehmen mit einem Break-Even-Level (BE) von weniger als 60 Prozent des Umsatzes auf knapp 12 Prozent Umsatzrentabilität kommen. In Sachen Agilität durchschnittlich aufgestellte Unternehmen mit einem BE zwischen 60-80 Prozent erreichen lediglich 7,4 Prozent Umsatzrentabilität, unterdurchschnittlich agile Unternehmen hingegen mit einem BE größer als 80 Prozent überhaupt nur 2,5 Prozent Umsatzrentabilität schaffen. Agile Unternehmen, die ihre Ressourcen schneller als andere anpassen und verteilen können, erzielen schließlich im Schnitt einen um 2,4 Prozent höheren Shareholder-Return als nicht agile Unternehmen.
Autoindustrie im Umbruch – Agilität überlebenswichtig
Eine besonders betroffene Branche ist die Autoindustrie, die derzeit vor einem der größten Umbrüche seit Jahrzehnten steht. Die Digitalisierung treibt Themen wie Elektromobilität und Autonomes Fahren voran. Noch nie war die Variantenvielfalt in der Autoindustrie so groß wie heute. Gleichzeitig steigt der Kostendruck, vor allem seit Zulieferer aus Schwellenländern technisch aufgeholt haben. Immer wieder schütteln Wirtschaftskrisen die globalen Märkte durch. Neue Player aus der Elektronikindustrie drängen auf das Spielfeld. Also werden Investitionsentscheidungen bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinausgezögert. Dazu kommen die so genannten Black-Swan-Ereignisse, wie sie der amerikanische Ökonom Nicholas Taleb nennt: Ereignisse, von denen man allgemein geglaubt hat, sie wären gar nicht möglich. Tsunamis oder Erdbeben, die Spezialisten, die alle Hersteller global beliefern, einfach lahmlegen. Oder geopolitische Verwerfungen, Kriege, Krisen, Handelskonflikte, Drohungen.
„All diese Effekte sind seit Jahren zu beobachten. Nur schlagen sie heute gemeinsam durch und überlagern sich“, so Prof. Ramsauer bei der Tagung in Graz. „Agilität ist ein ganzheitliches Konzept, um an dieser geballten Masse an Unsicherheit die für das Unternehmen relevanten Themen zu identifizieren und denen dann auch zu begegnen. Das ist bereits heute für immer mehr Unternehmen überlebenswichtig.“
Fallbeispiel Magna Steyr
Der Automobilzulieferer Magna Steyr in Graz muss als weltweit führender markenunabhängiger Engineering- und Fertigungspartner für Automobilhersteller in einem volatilen Umfeld bestehen. Wenn bestehende Aufträge auslaufen, und sich gleichzeitig neue geplante Projekte verzögern ist das eine große Herausforderung. Ebenso, wenn in kurzer Zeit viele neue Aufträge hereinkommen: Nachdem das Unternehmen kürzlich mehrere Fahrzeugprojekte gewonnen hat, muss es in kurzer Zeit die Produktionskapazitäten aufbauen und über 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden.
„Die Märkte sind volatiler und unsicherer als bisher und darauf müssen wir reagieren. Agilität hilft uns, mit Unsicherheit proaktiv umzugehen, uns auf mögliche Herausforderungen vorzubereiten und im Fall des Falles deutlich rascher zu reagieren. Ein Beispiel sind Agreements mit der Belegschaft, die wir für einzelne Szenarien bereits getroffen haben. Dabei wird vorab ohne Zeitdruck vereinbart, wie wir auf gewisse Situationen reagieren können. Davon profitiert sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Agilität bringt also einen Benefit für alle Beteiligten“, erklärt Karl-Friedrich Stracke, President Fahrzeugtechnik & Engineering bei Magna Steyr.
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