Agentic AI verändert die Reisebranche: Chancen und Herausforderungen

Die neue McKinsey-Studie „Remapping Travel with Agentic AI“ untersucht, wie Agentic AI die Reisebranche neu gestalten könnte. ITWelt.at hat sich den Report angesehen. [...]

Neben dem Kundenerlebnis sieht McKinsey erhebliches Potenzial in internen Prozessen der Reisebranche. (c) Pexels
Neben dem Kundenerlebnis sieht McKinsey erhebliches Potenzial in internen Prozessen der Reisebranche. (c) Pexels

Die Reisebranche hat in den letzten Jahrzehnten mehrere technologische Umbrüche erlebt – von globalen Buchungssystemen über Online-Reiseportale bis hin zu mobilen Anwendungen. Auch künstliche Intelligenz spielt seit Jahren eine wachsende Rolle, etwa bei dynamischer Preisgestaltung, Prognosen oder Chatbots. Doch der wirtschaftliche Nutzen von GenAI bleibt laut McKinsey bislang begrenzt: Zwar nutzen 78 Prozent der Unternehmen entsprechende Lösungen, aber über 80 Prozent berichten von keinem messbaren Ergebnisbeitrag.

Agentic AI soll dieses Dilemma lösen. Während GenAI eher beratend agiert, übernimmt Agentic AI eigenständig Aufgaben. Sie erkennt Probleme, entwickelt Lösungen und führt diese ohne menschliche Eingriffe aus. Damit könne die Technologie zu einem Schlüssel werden, um die Produktivitätsgewinne zu realisieren, die viele Unternehmen bislang vergeblich gesucht haben.

Agentic AI: Das nächste Kapitel

Die Studie beschreibt Agentic AI als eine Weiterentwicklung bisheriger KI-Systeme. Sie zeichnet sich durch drei Eigenschaften aus:

  • Autonomie: Entscheidungen werden eigenständig getroffen, auch in mehrstufigen Prozessen.
  • Integration: Zugriff auf externe Tools, APIs und Altsysteme, auch über Benutzeroberflächen.
  • Langzeitspeicher: Kontext, Präferenzen und frühere Interaktionen werden gespeichert.

Damit unterscheidet sich Agentic AI fundamental von klassischen Automatisierungen. Sie könne sowohl strukturierte Daten (Flugpläne, Preise) als auch unstrukturierte Informationen (Bewertungen, Chatprotokolle) in Echtzeit kombinieren. Besonders im Reiseumfeld, das von fragmentierten Systemen geprägt ist, soll dies entscheidende Vorteile bringen.

Potenzial im Kundenerlebnis

Verbraucher zeigen zunehmende Offenheit für KI-gestützte Reiseplanung, sind aber vorsichtig, wenn es um kritische Schritte wie Visaformalitäten oder Reklamationen geht. Nur zwei Prozent sind aktuell bereit, einer KI die volle Autonomie beim Buchen einzuräumen. Dennoch äußern fast 70 Prozent Interesse an einem digitalen Assistenten, der Reisen komplett managt.

Die Studie illustriert dies anhand eines Beispiels: Ein Vielreisender möchte eine Reise auf die Malediven buchen. Während er bei GenAI zahlreiche Schritte selbst erledigen müsste, könnte Agentic AI seinen Kalender prüfen, Bonuspunkte einlösen, Ernährungspräferenzen berücksichtigen und am Ende eine fertige, personalisierte Reise vorschlagen – buchbar mit einem Klick.

Bereits existierende Anwendungen wie SkyLink (Business-Reisen) oder Layla (Privatreisen) zeigen, wie solche Systeme funktionieren können. Ergänzend verweist die Studie auf Vorbilder außerhalb der Branche, etwa Amazons Alexa+ oder Tonal im Fitnessbereich, die proaktiv auf Nutzerbedürfnisse reagieren.

Effizienzsteigerungen in internen Abläufen

Neben dem Kundenerlebnis sieht McKinsey erhebliches Potenzial in internen Prozessen. Beispiele sind:

  • Hotelbetrieb: Automatisierte Zimmerzuweisung, vorausschauende Wartung, dynamische Einsatzplanung im Housekeeping und Menüoptimierung könnten die Produktivität um 10 bis 30 Prozent steigern.
  • Airlines: Verbesserungen durch Lastfaktor-Optimierung, dynamische Preisgestaltung, individualisierte Treueprogramme oder personalisierte Bundle-Angebote.
  • Mitarbeiterentlastung: Frontline-Teams könnten sich stärker auf persönliche Betreuung konzentrieren, während Agentic AI Standardaufgaben wie Umbuchungen oder Rückerstattungen übernimmt.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Die Studie weist jedoch auf Hindernisse hin:

  • Zersplitterte Datenlandschaften: Unterschiedliche Systeme und proprietäre Strukturen erschweren den Aufbau zentraler KI-Modelle.
  • Kultur und Investitionsschwerpunkte: Viele Reiseunternehmen setzen weiterhin auf den menschlichen Service und investieren weniger in Technologie.
  • Talent-Engpässe: Es fehlen Fachkräfte mit ausreichendem KI-Knowhow, weshalb Upskilling eine zentrale Rolle spielen soll.

Erfolgsfaktoren für die Einführung

McKinsey empfiehlt einen mehrstufigen Ansatz:

  • Technologische Grundlagen schaffen: Cloud-Infrastruktur, Datenintegration und Modernisierung von Altsystemen.
  • Digitale Roadmaps entwickeln: Klare Ziele, Priorisierung relevanter Use Cases und gemeinsame Verantwortung von IT und Fachbereichen.
  • Mitarbeiter qualifizieren: Schwerpunkt auf Weiterbildung bestehender Teams statt Neueinstellungen, um Kosten und Fluktuation zu reduzieren.
  • Kulturwandel fördern: Flexibilität, Experimentierfreude und die Fähigkeit, Projekte schnell anzupassen oder einzustellen.
  • Prozesse neu gestalten: Nicht nur bestehende Abläufe automatisieren, sondern Geschäftsmodelle und Journeys neu denken.

Das Fazit der ITWelt-Redaktion

Agentic AI könnte für die Reisebranche den entscheidenden Schritt darstellen, um die Potenziale der künstlichen Intelligenz tatsächlich nutzbar zu machen. Sie soll helfen, komplexe Systeme zu verbinden, personalisierte Kundenerlebnisse zu ermöglichen und interne Effizienz deutlich zu steigern. Entscheidend wird sein, dass Unternehmen nicht nur einzelne Pilotprojekte starten, sondern die Technologie strategisch und unternehmensweit einsetzen.

Ob Hotels, Airlines oder Reiseplattformen – wer Agentic AI erfolgreich integriert, könnte sich langfristig Wettbewerbsvorteile sichern. Gleichzeitig bleibt der menschliche Faktor zentral: KI soll Prozesse erleichtern, nicht die persönliche Betreuung ersetzen.


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