Blutdruckmessung geht jetzt auch am Handgelenk. PCtipp hat das Armband, das vom Schweizer Start-up Aktiia entwickelt wurde, ausprobiert. [...]
Ein Schweizer Start-up aus Neuchâtel mit dem Namen Aktiia hat nach eigenen Angaben die weltweit erste 24/7-Blutdruckmessung am Handgelenk entwickelt. Laut Herstellerwebseite stehen hinter dem Aktiia-Produkt 15 Jahre Forschung und Entwicklung. Im Lieferumfang des Testgeräts befinden sich ein schlichtes schwarzes Armband plus eine Blutdruck-Manschette. Beides koppelt man mit der Aktiia-App.
Interessant am Aktiia-Armband ist, dass es nebenher jede Stunde den Blutdruck misst, ohne dass man etwas unternehmen muss. Und das geschieht somit auch nachts, was hilft, den Blutdruck rund um die Uhr zu überwachen. Das Aktiia-Armband verwendet optische Photoplethysmographie-Signale (PPG) am Handgelenk des Nutzers. Mithilfe der Pulswellenanalyse (PWA) berechnet das Band die Blutdruckwerte.
Der Durchschnitts-Blutdruckmesser, der mit Manschette zuhause selbst misst, verwendet die klassische Manschette i.d.R. einmal pro Woche. Auch bei mir liegt irgendwo eine Blutdruck-Manschette herum, doch sie staubt in irgend einer Schublade vor sich hin. Darum war ich gespannt, ob das mit dem Aktiia-Armband für mich besser klappt. So viel vorweg: Es ist recht interessant, wenn man plötzlich seinen Blutdruckverlauf, über den ganzen Tag verteilt, oder für die ganze Woche, anschauen kann.
Wie funktioniert’s?
Aktiia verwendet einen optischen Sensor, der am Handgelenk getragen wird, ähnlich wie bei Smartwatches. Die Messung erfolgt automatisch. Dies läuft also nebenher, während Sie arbeiten, einfach ihrem Alltag nachgehen – oder schlafen.
Aktiia geht davon aus, dass Personen ihren Blutdruck mit Manschette einmal pro Woche messen. Das wäre für mich schon sensationell. Das Aktiia-Armband misst laut Hersteller den Blutdruck automatisch 100 Mal pro Woche, sowohl tagsüber als auch nachts. Die Daten sind anschließend in der App ersichtlich.
Was mich persönlich beim Messen mit einer Manschette nervt: Man muss jeweils still und in einer gewissen Haltung bzw. Armposition sitzen und eine ganze Weile warten, bis das Gerät fertig ist. Sich das Teil selbst – in der exakten Position – um den Arm zu kleben ist auch nicht ganz ohne. Entweder sitzt es zu locker oder zu eng oder das Gerät hat sich verschoben, wenn das Band passend umgeschnallt wurde… Außerdem finde ich den sich aufbauenden Druck auf den Oberarm unangenehm.
Bei Aktiia gibts zwar auch eine Manschette, doch sie wird nur zur Kalibrierung des Armbandes und einmal im Monat zur Kontrolle benötigt. Das klingt für mich schon mal besser als die herkömmliche Blutdruck-Manschette.
Inbetriebnahme
Beide Geräte werden mit der kostenlosen Aktiia-App gekoppelt. Dies ist recht selbsterklärend, man wird Schritt für Schritt durch den Prozess gelotst. Ich habe das Armband mit einem Android-10-Smartphone gekoppelt, es gab keinerlei Probleme.
Damit die Blutdruckmessung mit dem Armband funktioniert, wird zunächst ein Kalibrierungsvorgang mit dem Blutdruckmessgerät durchgeführt. Wer also die Blutdruck-Manschette hasst: Auch hier müssen Sie sich das Teil um den Oberarm kletten; allerdings viel seltener als gewohnt. Wie auf der vorherigen Seite erwähnt, wird damit zu Beginn das Band kalibriert. Wie Sie die Manschette mit der App koppeln, haben wir hier beschrieben. Nach einer Initialisierung benötigt man die Manschette nur noch ca. einmal im Monat, um sicherzustellen, ob das Armband weiterhin akkurate Ergebnisse liefert. Das Fälligkeitsdatum für den Termin dafür steht in der App.
Die Aktiia-App
Und damit sind wir bei der Schaltzentrale, der Aktiia-App. Die App ist nicht überladen und leicht zu bedienen. Sowohl Band als auch Manschette werden zunächst zur kostenlosen App (Android, iOS) hinzugefügt. Danach tragen Sie das Armband und gehen Ihrem Alltag nach.
Das Armband misst den Blutdruck regelmäßig und automatisch. Die Werte finden Sie in der App unter dem Tab Start. Tippen Sie auf eine der vertikalen Linien mit bunten Punkten am Ende, um oberhalb die Details angezeigt zu bekommen.
Beispiel: AUG. 08, 22:00 Uhr, SYS 114, DIA 61, BMP 71.
Hinweis: Bei der Blutdruckmessung wird der Druck in den Blutgefäßen (Arterien) gemessen. Der «obere» Wert (systolisch) informiert über den Druck der entsteht, während sich das Herz zusammenzieht. Der «untere» Wert (diastolisch) wird gemessen, wenn das Herz entspannt ist. Nebst Blutdruck-Werten (mmHG, Millimeter Quecksilbersäule) wird auch die Ruheherzfrequenz (BMP) ermittelt und angezeigt.
Die Standardanzeige in der App ist pro Tag. Tippen Sie rechts davon auf Woche oder Monat, um das entsprechende angezeigt zu bekommen. Oberhalb der Grafik wird jeweils der Blutdruckwert SYS/DIA, mmHg im Durchschnitt angezeigt: Bsp: 114/64.
Bericht erstellen
Beim Tab Geräte sehen Sie sowohl Band als auch Manschette samt Akkustand. Zudem wird die nächste Initialisierung mit der Manschette hier angezeigt (Datum). Unter Profil können Sie einen Schlafenszeitplan wählen und einen Bericht erstellen (s. unten).Jene, die beispielsweise einen zu hohen Blutdruck haben und diesen darum genau überwachen müssen und auch mit dem Arzt besprechen, können sich einen Bericht erstellen (PDF). Dieser findet sich unter Profil/Bericht erstellen. Sie können sich als Zeitraum eine Woche oder den Monat auswählen.
Der Bericht zeigt eine Übersichtstabelle und eine Diagrammansicht (Blutdruck, mmHG) sowie die Ruheherzfrequenz (BPM).Ein Kreisdiagramm zeigt den systolischen Blutdruck («oberer» Wert) sowie den diastolischen Blutdruck («unterer» Wert).
Wann ist der Blutdruck zu hoch oder zu tief?
Falls Sie nicht sicher sind, was Ihre Blutdruck-Werte bedeuten: Tippen Sie auf das Info-Symbol gleich links vom Durchschnittswert in der App. Hier wird grafisch dargestellt (s. Screenshot links), dass ein Wert mit SYS 120 / DIA 80 optimal ist, 130 / 85 normal, 140 / 90 erhöht etc.
Beispielsweise kann ein erhöhter nächtlicher Blutdruck in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen, die Schlaganfälle oder Herzinfarkte zur Folge haben können. Lesenswert ist beispielsweise dieser Blog-Eintrag der Klinik Hirslanden: Herzenssache: Der richtige Blutdruck.
Normalerweise muss man sich eher sorgen, ob der Blutdruck zu hoch ist. Zu meiner Verwunderung war meiner chronisch tiefer als 120 / 80. Ich hatte den Verdacht, dass mein Blutdruck ab und an zu tief ist, doch da ich regelmäßig Sport mache und mich mehrheitlich gesund ernähre, messe ich den Blutdruck nicht regelmäßig.
Falls Sie bei sich den Verdacht auf eine Hypotonie (tiefer Blutdruck haben), dieser Hirslanden-Blogeintrag zum Thema erklärt das wichtigste. Besprechen Sie allfällige Unklarheiten und Fragen jedoch lieber mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.
Erfahrungen mit dem Aktiia-Armband, Akkulaufzeit
Das schwarze, schmale Band ist durchaus schlicht-elegant, während es sich ums Handgelenk schmiegt. Doch für mich ist es nicht schön genug, um als Schmuck durchzugehen und nicht funktional genug, um es als Fitnesstracker oder gar Smartwatch zu sehen bzw. nutzen zu können.
Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich unbewusst das Handgelenk hebe und drehe, um auf die Uhr zu blicken oder zu prüfen, ob Nachrichten angekommen sind. Doch das ist vergebens, denn das Band hat weder eine digitale Zeitangabe noch ist es smart – es misst lediglich immer wieder auf der Unterseite automatisch den Blutdruck und die Ruheherzfrequenz (BMP). Das ist toll, aber dafür ist das Gerät relativ teuer. Momentan legt man für das Blutdruck-Armband plus Manschette im Aktiia-Shop rund Fr. 200.- (ca. 185 Euro) hin (Stand: 12.08.21). Weiteres hierzu weiter hinten unter Verfügbarkeit und Preise.
Akkulaufzeit
Der Hersteller verspricht eine Akkulebensdauer von bis zu neun Tagen. Währenddessen misst Aktiia praktisch stündlich im Hintergrund. In unserem Alltagstest kam das mit den 9 Tagen knapp hin. Nach sieben Tagen ist der Akkustand bei 30 Prozent. Dass es also erst nach über einer Woche mal aufs Ladegerät muss, gefällt.
Verfügbarkeit und Preise
Verfügbarkeit
Das Aktiia-Armband ist ab sofort in der Schweiz, in Deutschland und Österreich sowie in Frankreich und Irland erhältlich. Hierzulande kann man es zwar via Hersteller vorbestellen, es wird aber laut Webseite erst im Oktober 2021 ausgeliefert.
Preise
Im Hersteller-Shop kostet das 24-Stunden-Blutdruckarmband derzeit rund Fr. 200.- (ca. 185 Euro, Stand: 12.08.21). Zum Preis ist folgendes zu sagen: Aktiia-Nutzerinnen und -nutzer kaufen für das genannte Geld die Ausrüstung (Armband + Manschette) und haben während der Produktlebensdauer kostenlosen Zugriff auf ihre Daten, den aktuellen Funktionsumfang wie 24-Stunden-Durchschnitt, prozentuale Reichweite, wöchentlicher bzw. monatlicher zusammenfassenden PDF-Bericht.
Doch nun hat Aktiia seine Preisstrategie nach dem Launch verändert. Man arbeitet an einem Abo-Modell mit Premium-Features.
Neues Abo-Modell: Premium-Features
Aktiia ist derzeit dabei, einen neuen Premium-Service zu entwickeln. Dieser bietet laut Hersteller erweiterte Analysen, tiefere Einblicke in die Herz-Kreislauf-Gesundheit sowie personalisierte Tipps zur Verbesserung der Herzgesundheit. Für diesen Premium-Service wird zukünftig monatlich eine Gebühr erhoben. Der Premium-Dienst ist freiwillig, das heißt, man muss sich anmelden und es wird kein Geld automatisch abgebucht.
Hinweis: Momentan sind weder die monatlichen Kosten bekannt, noch kann man die Premium-Services bereits buchen (Stand: 12.08.21).
Auf Nachfrage wurde PCtipp versichert, dass sich für Kunden, die das Armband (und die Manschette) kaufen, nach Ablauf eines Jahres im Prinzip nichts ändert. Alles, was das Gerät jetzt kann und aufzeichnet, werde auch so bleiben. Kundinnen behalten alle historischen Daten/Messwerte plus den aktuellen Funktionsumfang. Ob das dann auch so kommt, bleibt abzuwarten.
Ob Fr. 200.- (ca. 185 Euro) für Armband und Manschette plus aktuellen Funktionsumfang völlig OK oder zu teuer sind, muss jede/r für sich entscheiden. Für mich persönlich wäre das Armband mit Fr. 200.- zu teuer, da dem Gerät die smarten Funktionen fehlen. Zudem gibt es für rund 100 Franken mehr beispielsweise eine Gesundheitsuhr samt smarter Features, die Withings-Scan Watch (unser Test). Die Macher dieser Hybriduhr setzen ganz auf gesundheitsbewusste Nutzerinnen und Nutzer; Sauerstoffsättigung im Blut-Messung (SpO2), Herzfrequenzmessung (bpm) und Elektrokardiogramm-Aufzeichnung (EKG) stehen im Fokus. Allerdings misst diese nicht den Blutdruck.
Hingegen die gerade vorgestellte Galaxy Watch 4 von Samsung schon. Außerdem misst das Samsung-Wearable den Herzschlag sowie Blutsauerstoffgehalt (und nebenbei bemerkt: ganz neu den BMI). Die smarte Watch soll ab 27. August ab Fr. 269.- (ca. 250 Euro) erhältlich sein. PCtipp kann das Wearable hoffentlich bald testen.
Fazit
Die Idee, dass man nicht mehr wöchentlich eine Blutdruck-Manschette umschnallen und während der Messung stillsitzen muss, gefällt. Wer bisher darauf gesetzt hat, für den ist dieser Ansatz mit Armband, das man tatsächlich kaum wahrnimmt während des Tragens, sehr interessant. Während man früher ca. einmal pro Woche die Manschette benötigte, geht hiermit (fast) alles von selbst. 100 Mal pro Woche misst das Armband Ihre Blutdruckwerte, was auch eine Überwachung während der Schlafphase ermöglicht.
Wer die Werte bisher physisch notierte oder in eine Excel-Tabelle tippte: Die aufgezeichneten Werte findet man in der Aktiia-App. Wer möchte, kann diese Daten als PDF-Datei exportieren und mit der Ärztin oder dem Arzt anschauen. Alles in allem ein sehr interessanter Ansatz. Auch ist das Design schlicht und das Armband trägt sich sehr angenehm. Der Preis ist mit rund Fr. 200.- (ca. 185 Euro) für mich eher hoch, da das Armband keine sonstigen (smarten) Funktionen bietet.
Wer erweiterte Analysen und personalisierte Tipps möchte, muss künftig den Premium-Service buchen, der allerdings erstens noch in Arbeit ist und zweitens konnte uns der Hersteller noch keinen genauen Preis pro Monat nennen (siehe auch: Preise: «Neues Abo-Modell» auf der vorherigen Seite).
Dennoch: Wer keinerlei Chichi wie Uhr oder smarte Benachrichtigungen braucht und kein knappes Budget hat, dem sei das Aktiia-Armband empfohlen. Wer Fitnessbändern oder gar Smartwatches nicht abgeneigt ist, sollte sich überlegen, ob eine smarte Gesundheitswatch oder z.B. die Galaxy Watch 4 mit Blutdruckmess-Funktion nicht besser passt.
Da es sich nicht um einen „Fitnesstracker, oder Wearable“ handelt sondern um einen medizinischen Blutdruckmesser sind die Vergleiche nicht gerechtfertigt, hier wurde mit Kliniken und Ärzten zusammen gearbeitet und ein Produkt mit höchsterGenauigkeit zu erstellen das auch seinen Nutzen darin begründet, Patienten den Alltag zuerleichtern.Mit einer „Smartwatch“ würde ich keinen Blutdruck überwachen wollen?.
Grüsse eines Blutdruck Patienten
Hier bin ich ganz ihrer Meinung.
Ich denke auch nicht, dass eine Smartwatch mit der Genauigkeit mithalten kann. Und die bekannten Smartwatches im Gegensatz zu Aktiia nicht automatisch messen, sondern nur beim Auslösen durch den Benutzer. Eine Messung während des Schlafes ist daher unmöglich. Dabei sind die Nachtwerte ein wichtiger Wert.
Ich bin im Besitz von zwischenzeitlich 4 Smartwatch mit Blutdruckmessfunktion, aber die Werte liegen im Vergleich mit der Oberarmmanschette so weit auseinander (bis zu 40 mmg), dass diese Werte einem Lottotipp eher entsprechen als einer medizinisch wertvollen Aussage.
Auch andere von der Smartwatch zur Verfügung gestellten Messwerte weichen von den realen Werten gravierend ab. (Lufttemperatur lt. Smartwatch +3°, tatsächliche Temperatur -7°; Puls lt. Smartwatch 81, real 57, Sauerstoffmessung lt. Smartwatch <95, tatsächlich 98. Alle medizinischen Werte wurden mehrmals in einer Arztpraxis getestet.)
Wenn das Aktiia (durch die Kalibrierung) annähernd richtige Daten liefert, sind die ~€ 200,– gerechtfertigt.
Funktioniert ab einem Wert von unter 30 Prozent Akkuladung gar nicht meht
Habe eigentlich großes Interesse an dem Armband, allerdings hält mich zur Zeit die nicht vorhandene Wasserdichtigkeit von einem Kauf ab. Wie empfindlich ist das Armband auf stärkeres Schwitzen oder einem Regenschauer den man abbekommt?
Ich habe Aktiia jetzt drei Monate. Ich denke, dass ein paar Tropfen oder Schweiß kein Problem darstellen. Immerhin ist das Gehäuse von allen Seiten wirklich gut geschlossen. Baden sollte man halt nicht damit gehen. Ich denke, dass es durch die kleine Größe schwierig ist dieses Wasserdicht zu produzieren.
In unserer Allgemeinarztpraxis wollen wir diese RR Messung jetzt regelmäßig durchführen. Um das Aufspielen der App zu vermeiden, wollen wir für die Patienten noch ein zusätzlichen iPhone kaufen. Ein ältere einfache Version. Wer weiß ab welcher iPhone Generation eine Actiia Koplung möglich ist. Danke. AJ