Alpbach im Zeichen von Aufklärung 2.0

IT, Digitalisierung und die Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen die Wirtschaftsgespräche beim Forum Alpbach. [...]

Neben Polit- und Wirtschafts-Prominenz, Wissenschaftlern und Journalisten sind auch ICT-Unternehmen wie SAP, Microsoft, Fabasoft, Atos, A1 und T-Mobile im Tiroler Alpendorf mit dabei.
„New Enlightenment“ – neue Aufklärung ist das diesjährige Schwerpunktthema in Alpbach, zum Auftakt der Wirtschaftsgespräche zeigte der Film „Dizziness is my name“ provokant, aggressiv und mit verzerrter Stimme „produktive und kreative Möglichkeiten, die sich in Situationen des Taumelns eröffnen“. Der Umbruch der Wirtschaft, die Transformation und die Digitalisierung waren und sind das rote Band, das sich quer durch alle Vorträge, Panel-Diskussionen und Workshops in Alpbach zieht – vor der atemberaubenden Kulisse des Tiroler Alpendorfs auf knapp 1.000 m und im nagelneuen Kongresszentrum, das im August gerade noch rechtzeitig zum Forum Alpbach fertiggestellt wurde.

„Wie können unsere bestehenden Modelle zukunftsfähig oder enkelfit sein? Ist Marktwirtschaft zukunftsfähig oder braucht es staatlichen Subventionismus?“, stellt Claus Raidl, Präsident der österreichischen Nationalbank, bei der Eröffnung die entscheidenden Fragen in den Raum. AK-Präsident Rudolf Kaske ist naturgemäß die „soziale Stabilität“ ein Anliegen, „öffentliche Infrastruktur und Bildung“ nennt er als Rezepte gegen die steigende Arbeitslosigkeit. „Wir müssen statt Verwirrung wieder Orientierung vermitteln“, knüpft WK-Präsident Christoph Leitl an den eingangs präsentierten Film an.

Aus für den Kapitalismus
Die Keynote-Speaker vermitteln internationales Flair. Robin Chase, Mit-Gründerin der Car-Sharing FIrma Zipcar und Autorin des Buches „Peers Inc.“ sowie der chilenische Daten- und Visualiserungs-Spezialist Cesar Hidalgo, bekannt durch sein Buch „Information grows“, bringen einiges an Denkanstößen ein. Chase prangert den Klimawandel/die globale Erwärmung und die „Ungleichheit“ bzw. Kluft in der Gesellschaft an und prophezeit das Ende des Kapitalismus: „Jetzt ist es Zeit für etwas Neues“. Ihrer Meinung nach soll das eine „Collaborative Economy“ sein, wobei Dinge geteilt werden, etwa Autos (Car-Sharing) oder Wissen (Wikipedia).
Hidalgo wiederum ist überzeugt, dass Wirtschaftssysteme „dazulernen“ können. Aber „wie lernen Economies? Und welche Länder sind gut in welchen Branchen?“, fragt der Chilene. Dazu formuliert er drei Thesen: Lernen ist pfadabhängig, d.h. man lernt Dinge leichter und schneller, die auf bereits Bekanntem aufbauen. Unsere Wirtschaftssysteme sind sehr komplex. Drittens beeinflussen sich auch benachbarte Länder. Staaten, tendieren dazu, die gleichen Dinge zu exportieren wie ihre Nachbarländer – sie lernen praktisch voneinander. Bedenklich ist laut Hidalgo, dass Europa in den „Zukunftsbranchen“ IT und Elektronik so gut wie nicht unter den ersten zehn zu finden ist, USA und Asien haben da eindeutig die Nase vorn – einzig SAP ist als deutsches Software-Haus bildet da eine Ausnahme.

Schneller und mutiger sein
Für Wirtschaftsstaatssekretär Harald Mahrer läuft der Veränderungsprozess viel zu langsam: „Wir sind in Europa wahnsinnig angstgetrieben. Es gilt, wesentlich mutiger und schneller Entscheidungen zu treffen“. Als Beispiele für die rasante Veränderung nennt er den Druck menschlicher Organe, Emotion Tracking sowie smarte Materialien. „Es sind auch bei uns viele Erkenntnisse da, wir müssen nur endlich etwas tun“, betont Mahrer. Für mehr Schnelligkeit plädiert auch Gerhard Zeiler, Präsident des US-Medienunternehmens Turner International: „Wir müssen im Veränderungsprozess schneller werden. Bei uns ist alles verboten, was nicht extra erlaubt ist. Wenn man heute etwas Neues probiert, hat man gleich ein negatives Stigma.“

Im danach folgenden Gespräch „Marktwirtschaft neu denken oder neu starten“ zwischen Ex-Finanzminister von Griechenland, Yanis Varoufakis, und Ökonom Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, plädiert der Grieche für ein bedingungsloses Grundeinkommen, während Fuest pragmatisch feststellt: „Das ist nicht finanzierbar.“ Ansonsten verliert sich der Grieche in Reflexionen über seine längst abgelaufene Zeit als Finanzminister. Fuest verwehrt sich dafür gegen die These der „Ungleichheit“. Anhand von Zahlen zeigt er, dass die Ungleichheit sogar weltweit in den letzten Jahren gesunken ist.

Praktisch Digitalisierung testen
Am Mittwoch war der Tag der Breakout Sessions und Workshops, die traditionell in der Hauptschule in Alpbach stattfinden. Insgesamt wurden 22 Workshops angeboten. Im Turnsaal konnte man beim SAP-Workshop ausprobieren, wie digitale Transformation durch „Business Model Development & Innovation“ (BMDI) funktioniert. SAP hat dazu eine systematische Methode entwickelt, wie man zu neuen (Geschäfts-) Ideen kommt. Dabei spielt gemeinsames Brainstorming im Team eine wichtige Rolle – das wurde am Beispiel IKEA gezeigt. In Gruppen von acht bis zehn Personen kam dabei in kürzester Zeit ein erstaunlicher Output an Ideen zustande, etwa zur Frage: „Wir können wir unseren Kunden individuelle Möbel anbieten?“. Basierend auf CANVAS wurden zu einigen Ideen dann Schlüsselfaktoren wie zentraler Wert/Nutzen, Kundensegmente, notwendige Ressourcen, CRM und Vertriebskanäle überlegt. Fazit der meisten Teilnehmer: „Eine tolle Methode und wert, im eigenen Unternehmen auszuprobieren.“ 

Aus IT-Sicht spannend war auch die von Microsoft organisierte Breakout-Session zum Thema Big Data mit T-Mobile CEO Andreas Bierwirth, Microsoft Chefin Dorothee Ritz, der Wiener Stadträtin Renate Brauner sowie Anwalt Rainer Knyrim. Dass Big Data in Zukunft ein noch viel wichtigeres Thema wird, war allen klar. Neben Datenwachstum und -bewältigung, Datenschutz und sinnvoller Datennutzung und Daten-Analyse kamen auch Themen wie notwendige Infrastruktur und Datenhaltung in Europa versus USA zur Sprache. Brauners Ziel dabei ist es, Wien als Smart City zu positionieren, Daten und entsprechende Daten-Analyse helfen dabei – etwa bei Verkehrssteuerung, im Bildungs- oder Gesundheitsbereich. Basis für Big Data Bewältigung ist die notwendige Infrastruktur, das ist auch eine Chance für die deutsche Telekom, zu der T-Mobile gehört, meinte Andreas Bierwirth, sich gegenüber den USA zu behaupten: „Wenn wir die Daten in Europa speichern und bearbeiten, werden wir über Industrie 4.0 erfolgreich in die Zukunft gehen“, so Bierwirth. Und noch ein Thema kam aufs Tapet: Die Freizügigkeit der Leute, ihre Daten ins Netz zu stellen und via Social Media noch viel mehr an persönlichen Dingen. „Das kommt noch viel stärker, die Daten der Leute sind im freien Umlauf“, verwies Microsoft Chefin Dorothee Ritz auch auf die Gefahren des (sorglosen) Umgangs mit Daten.


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