Die Euphorie für Lieferdrohnen ist in letzter Zeit etwas abgeflaut. Jetzt ist ein Patentantrag von Amazon aufgetaucht, der die wichtigsten Drohnen-Nachteile vermeiden soll. Beobachtern aus Deutschland und der Schweiz könnte das Konzept allerdings bekannt vorkommen. [...]
Einen neuen Weg, die Warenauslieferung durch das Zusammenwirken zwischen von Menschen gesteuerten Lieferwagen und automatisierten Robotern zu revolutionieren, weist ein Patentantrag, der jetzt in den USA veröffentlicht wurde. Das Patent mit der Nummer US 2021/0209543 A1 wurde am 8. Juli erteilt. Es beschreibt einen Lieferwagen, der als Basisstation für Drohnen oder Lieferroboter dient. Der Fahrer fährt den Wagen in einen Straßenzug, von dort schwärmen die mitgeführten Roboter aus und erledigen den Rest.
Schlauer Van, dumme Drohne
Die Besonderheit dabei ist, dass der Lieferwagen nicht nur als Transporter für die Roboter – und die Ware natürlich – dient, sondern als Kommandozentrale. Laut Patentantrag soll das Fahrzeug mit Radar, Video, Lidar und Funkantennen ausgestattet sein und so die „dummen“ Roboter vor Ort mit exakten Informationen füttern, die sie benötigen, um ihr Ziel zu erreichen.
Nicht zu unterschätzen auch der Fahrer: Im Gegensatz zu einer Drohne, die im Logistik-Hub startet und dann den ganzen Weg bis zum Empfänger und zurück allein zurücklegen muss, kann bei diesem System ein Mensch schnell eingreifen, wenn es Probleme bei der Übergabe der Ware gibt. Zudem können Roboter deutlich kostengünstiger ausfallen, wenn sie nur auf eine geringe Reichweite ausgelegt sind.
Logistik-Experten aus dem deutschsprachigen Raum könnte das Konzept indes bekannt vorkommen. Bereits am 27. November 2017 berichtete unser Logistik-Newsletter (damals hieß er noch nicht „Delivery News“) über das Projekt „Vans & Drones“, durchgeführt von Mercedes-Benz und dem Schweizer Logistik-Start-up Siroop.
In Zürich setzte Mercedes-Benz damals Lieferwagen ein, die mit Lieferdrohnen kooperierten. Hier lief die Kette allerdings anders ab: Nicht der Van transportiert die Drohne zum Ziel, sondern der Van ist das Ziel, das die Drohne ansteuert – die Auslieferung übernimmt dann der Fahrer. Seitdem ist es um „Vans & Drones“ still geworden, Projektpartner Siroop wurde inzwischen abgewickelt.
Ob aus dem Amazon–Patent jemals ein funktionsfähiges Produkt wird, bleibt abzuwarten. Möglich ist alles.
*Frank Kemper ist seit Anfang 2020 Mitglied der Chefredaktion von INTERNET WORLD. Der gebürtige Niedersachse stieß 2001 zum Team und leitet seit 2013 die Print-Ausgabe von INTERNET WORLD BUSINESS. Der Absolvent der Deutschen Journalistenschule in München blickt auf 30 Jahre Redaktionserfahrung in verschiedenen Verlagen zurück und ist nahezu ebenso lang online.
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