Laut der Studie "Abgrenzung (freier) Dienstverträge von Werkverträgen im Bereich UBIT" gehen die derzeit gültigen Rahmenbedingungen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt ein. Die Fachgruppe UBIT Wien fordert nun die Entschärfung der Rechtsfolgen bei nachträglicher "Aufdeckung von Scheinselbstständigkeit" sowie die Schaffung klarer Abgrenzungskriterien oder Sonderregelungen für hochqualifizierte wissensbasierte Tätigkeiten. [...]
Häufig wird die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Dienstleisters als Kriterium für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses herangezogen. Allerdings habe der Oberste Gerichtshof bereits festgestellt, dass Umstände, die allein in der Natur der Tätigkeit liegen, für persönliche Abhängigkeit von vornherein nicht relevant sein können, so die UBIT. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein Unternehmensberater, IT-Dienstleister oder Buchhalter für die Erfüllung seiner Arbeit auch vor Ort in den fremden Betrieb eingebunden sein muss. Auch die Benützung von Kunden-Hard- und Software ist besonders aus Sicherheitsgründen oftmals notwendig, um den Arbeitsauftrag entsprechend erfüllen zu können. Das bedeutet der UBIT zufolge, dass diese Umstände keinen Aussagegehalt für eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit haben können.
BETRIEBSMITTEL: WISSEN UND INFORMATION
Ein weiteres, veraltetes Definitionskriterium selbstständiger Unternehmen stellt derzeit noch das Vorhandensein eigener Betriebsmittel dar. Ursprünglich waren damit Sachmittel wie Maschinen, Werkzeug und Material etc. gemeint. „In Zeiten, in denen Information und Wissen die wesentlichen Faktoren einer modernen Dienstleistungsgesellschaft darstellen, ist es praxisfern und wirtschaftsfeindlich, dass immaterielle Güter wie hochspezialisiertes Wissen nicht als Betriebsmittel gelten“, argumentiert Bodenstein. „Die Rechtslehre hat bereits festgestellt, dass auch immaterielle Güter eine Form der Betriebsmittel darstellen können. Es wäre daher an der Zeit, dass hier auch die Rechtsprechung nachzieht“, so Schopper.
Ebenfalls kritisch zu hinterfragen ist das Abgrenzungskriterium des Weisungsrechtes. Dass sachbezogene Weisungen und Kontrollen die persönliche Unabhängigkeit nicht ausschließen, ist unbestritten. Für Rechtsunsicherheit sorgt allerdings die sogenannte „stille Autorität“ im Bereich der persönlichen Weisungen. „Sie ist nur schwer entkräftbar und stellt hochqualifizierte Tätigkeiten mit hohem Ermessensspielraum unter Generalverdacht einer persönlichen Weisungsgebundenheit“, so Schopper.
Sowohl die persönliche Arbeitspflicht als auch das Fehlen des Vertretungsrechtes sind dem Sozialversicherungsrecht nach klassische Dienstvertragskriterien. Beide Abgrenzungsmerkmale greifen aber zu kurz, weil sie oft auch bei Tätigkeiten wissensbasierter Dienstleiter erfüllt sind. „Ein Auftraggeber engagiert beispielsweise einen erfahrenen Berater, weil ganz besondere Fach- und Branchenkenntnisse benötigt werden. Es ist nachvollziehbar, dass sich dieser Berater zur Lösung von hochkomplexen Aufgaben nicht einfach vertreten lassen kann, sondern die Arbeit höchstpersönlich erbringen muss. Oftmals auch noch im Betrieb des Auftraggebers vor Ort. Wenn dieser dann auch noch für die Auslesung firmenspezifischer Daten die Soft- und Hardware des Auftraggebers benutzen muss, dann wären nach der gängigen Interpretation bereits einige zentrale Kriterien eines klassischen Dienstverhältnisses erfüllt und die Probleme nehmen ihren Lauf“, schildert Bodenstein ein einfaches Beispiel aus der Praxis.
„Hier zeigt sich, dass man eben nicht alle Unternehmer über einen Kamm scheren kann. Die Arbeitsweise der wissensbasierten Dienstleister wird derzeit bei der Anwendung der Abgrenzungskriterien leider zu wenig berücksichtigt“, sagt Schopper. (pi)
Be the first to comment