Kurzsichtige Lösungen für wiederkehrende Probleme können die digitale Transformation eines Unternehmens vereiteln. Diese Fragen sollten Entscheider stellen, um die Digitalisierung erfolgreich zu meistern. [...]
Angesichts der immer schneller fortschreitenden, technologischen Entwicklung befinden sich viele Organisationen in einer umfassenden Transformation. Schnelle, regelmäßige und kontinuierliche Feedback-Schleifen zwischen Entwicklern und Kunden sollen helfen, Produkte zu optimieren, die Zeit zur Marktreife zu verkürzen und bislang unerschlossene Werte auszuschöpfen. Die Herausforderungen dabei lassen sich zehn typischen Fehlermustern – sogenannten Antipatterns – zuordnen. Entscheider sollten sie kennen und wissen, an welchen Stellschrauben sie drehen können, um ihre Transformations-Projekte erfolgreich zu Ende zu bringen. Folgende Fragen können dabei helfen:
1. Passt die Technologie zum Projekt?
Entscheider sollten hellhörig werden, wenn nur betriebswirtschaftliche Fragen wie Kosten und Skalierbarkeit in Technologie-Entscheidungen einfließen. Stattdessen gilt es, Wert darauf zu legen, Entscheidungen inklusive Risiken und Benefits wirklich zu durchdringen und mit Blick auf die langfristige Entwicklung zu bewerten.
Nicht jede passt automatisch zu jeder Situation, nur weil sie kostengünstig und en vogue ist. Dabei kann es Führungskräften helfen, Sinn und Zweck der Vorschläge in möglichst einfacher Form darstellen zu lassen und Fragen zu stellen, wie: „Erklären Sie mir die Technologie und ihren Nutzen als wäre ich ein Grundschüler.“
2. Ist die Technologie reif für den Einsatz?
Eine neue Spitzentechnologie mit vielversprechenden Funktionen kann dazu verleiten, sie vorschnell zu implementieren. Um zu vermeiden, dass unausgereifte Lösungen kritische Rollen übernehmen und auf diese Weise zu Risiken für das gesamte werden, ist eine umfassende Prüfung im Vorfeld essentiell – Stichwort Due Diligence. Am besten konzentrieren sich Entscheider auf Technologien, mit denen die Mitarbeiter vertraut sind, und betrachten Trends mit der gebotenen Skepsis.
3. Sind alle Private-Cloud-Anwendungen nötig?
Die Versuchung kann groß sein, mehrere Private-Cloud-Anbieter zu beauftragen und viele verschiedene Lösungen für die Cloud-Infrastruktur zu nutzen. Doch wenn der Aufbau einer funktionierenden, zusammenhängenden Cloud-Infrastruktur nicht zu den größten Stärken einer Organisation zählt, sollten sich Entscheider im ersten Schritt auf einen der zentralen Public-Cloud-Anbieter beschränken. So werden unnötiger Wettbewerb und eine strukturelle Verzettelung vermieden, die die belasten können.
4. Ist ein komplett neues System notwendig?
Ganze Systeme zu ersetzen ist häufig komplex, teuer und riskant. Solche Initiativen binden außerdem wichtige Kapazitäten innerhalb der Organisation. Ein kompletter Systemaustausch lohnt sich deshalb meist erst dann, wenn alle anderen Optionen erschöpft sind. Sinnvoll sind deshalb etwa die Fragen, ob das bestehende mittel- und langfristig verbessert werden kann, ob ein neues System einen echten Mehrwert bietet und wie skalierbar es ist.
Außerdem gilt es zu klären, ob das alte System auf einmal ausgetauscht oder auch schrittweise außer Dienst genommen und ersetzt werden kann.
5. Haben die Entwickler die Bereitstellungswege berücksichtigt?
Was banal klingt, führt häufig zu einer Herausforderung für das ganze Projekt: Ändert die etwas an der Architektur, den Produktionswegen und den digitalen Lösungen können wochen- oder monatelange Anpassungsprozesse anstehen. Im Optimalfall sollte der Produktionspfad deshalb bereits im Vorfeld detailliert skizziert werden.
Auf Basis dieser Grundlage können dann die Stärken und Herausforderungen des Systems identifiziert werden. Anschließend lassen sich die notwendigen Anpassungen, Vereinfachungen und Optimierungen planen und umsetzen – bestenfalls ohne die Betriebsabläufe zu belasten.
6. Was ist wichtiger: Output oder Bilanzergebnis?
Wohlmeinende Experten konzentrieren sich oftmals darauf, technologischen Output sicherzustellen. Das ist im ersten Schritt auch sinnvoll, schließlich sind die Ergebnisse leicht messbar und entsprechend gut zu managen.
Dennoch sollte unbedingt auch die geschäftliche Seite nicht aus den Augen verloren werden, um die durch technologische Lösungen erzeugten Impulse so nah wie möglich an den echten Kundenbedürfnissen zu orientieren. Ein Weg dahin ist, Technologie- und Business-Experten zu einem engen, ständigen Austausch zu bringen und sie gemeinsame Ziele und Verantwortlichkeiten festlegen zu lassen.
7. IT – Kostenfaktor oder Mehrwert?
Es ist weder sinnvoll noch zeitgemäß die IT-Abteilung ausschließlich als Kostenfaktor zu betrachten. Es geht nicht nur um reine Kostenminimierung, sondern um einen Mix aus effizienter Arbeit, Erfahrung und Talent. Entscheider sollten aus diesem Grund anhand einer Cost-of-Ownership-Analyse die richtigen Kompromisse für ihr Unternehmen finden und Kompetenz-Modelle für ihre eigenen Experten und ihre externen Partner entwickeln, die klare Kosten- und Nutzenvergleiche möglich machen.
8. Geht es um Plattform- oder Unternehmensentwicklung?
Unternehmen investieren zu Recht viel Geld, Zeit und Mühe, um eine Plattform zu implementieren und weiterzuentwickeln – häufig jedoch mit Scheuklappen. Auch die Business-Seite muss sich mit der Funktionsweise einer Plattform anfreunden können und ihren Nutzen verstehen.
Sollte kein wirtschaftlicher Mehrwert darin zu erkennen sein, werden Mitarbeiter unter Umständen nur wenig Verständnis für die technologische Seite haben. Aus diesem Grund sollten die grundlegenden Unternehmensziele immer Teil der zu den technischen Lösungen sein, um alle Stakeholder mitzunehmen.
9. Ist der Drittanbieter immer die beste Lösung?
Dass Unternehmen bestimmte Bereiche ihrer Infrastruktur auslagern, ist gang und gäbe. Doch ist es selten eine gute Lösung, so viele Plattformen und Untergruppen wie nur irgend möglich systematisch auszulagern. Abhängigkeiten schränken Organisationen ein, weil Kontrolle über wichtige Elemente und möglicherweise eigenes geistiges Eigentum verloren geht.
Stattdessen sollten Entscheider klare Grenzen für das Outsourcing kritischer Technologien und Aktivitäten definieren und, wenn kritische Technologien bereits ausgelagert sind, Strategien entwickeln, sie zurückzuholen.
10. Management oder Technologie?
Entwickelt sich ein Unternehmen weiter, bekommen talentierte Technikexperten oft immer mehr Personalverantwortung und werden unter Umständen sogar zu Vollzeit-Managern. Das kann dazu führen, dass sie immer weniger Zeit für ihre eigentlichen technischen Kernkompetenzen haben.
Um dem entgegenzuwirken, sollten diesen Experten bestimmte technologische Verantwortlichkeiten zugeschrieben werden, um ihr Know-how weiterhin aktiv miteinzubeziehen. Dabei hilft, wenn durch Belohnungssysteme und saubere Qualitätskriterien eine gesunde Leistungskultur innerhalb des Technikbereichs geschaffen werden kann.
*Sven Blumberg ist Senior Partner im Düsseldorfer Office der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey. Er leitet McKinsey Technology in EMEA-Raum.
Be the first to comment