App „Greta“ macht Kinofilme für blinde Menschen „sichtbar“

Experten der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs haben "Greta" mit einer Gruppe sehbeeinträchtigter Cineasten getestet. [...]

Filme ohne Bilder sind Alltag für rund 318.000 blinde und sehbehinderte Menschen in Österreich. Um „sehen“ zu können, was sich auf der Leinwand abspielt, benötigen sie eine zusätzliche akustische Bildbeschreibung, die Audiodeskription: In den Dialogpausen werden in knappen Worten die rein visuellen Elemente des Films erläutert. Hörfilme wurden in Kinos bisher kaum angeboten, der zusätzliche Aufwand für Technik und Personal hat die Kinobetreiber abgeschreckt: Im Kinosaal werden Sender installiert und die Besucher erhalten Funkkopfhörer (Empfänger), die die Mitarbeiter verteilen und einsammeln müssen. Das sollte sich aber in Zukunft ändern. Die kostenlose App „Greta“ für iPhone und Android-Smartphones ermöglicht visuell beeinträchtigten Menschen ein neues Kinoerlebnis. Sie können jetzt einfach die Audiodeskription für einen bestimmten Film auf ihr Smartphone laden und diese in jedem Kino benutzen, in dem der von ihnen ausgewählte Streifen gezeigt wird. „Greta“ kann im App Store und bei Google Play kostenlos heruntergeladen werden.

Experten der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs haben „Greta“ mit einer Gruppe sehbeeinträchtigter Cineasten getestet. „Die Bedienung ist einfach“, berichtet Projektleiter Daniele Marano. „Man startet die App, sucht unter den mit Audiodeskription angebotenen Filmen den gewünschten Titel und lädt ihn herunter. Im Kino startet man „Greta“, wählt die entsprechende Audiodeskription aus und steckt die eigenen Kopfhörer ins Smartphone. Die App erkennt den Film automatisch und synchronisiert sich mit der im Kinosaal hörbaren Tonspur. Wir waren begeistert von der Einfachheit und Genauigkeit dieser Softwarelösung.“ Nach dem erfolgreichen Test erachten die sehbeeinträchtigten Experten der Hilfsgemeinschaft „Greta“ als die zukunftsweisende Technologie auf dem Markt.

Die Vorteile der App liegen auf der Hand: Blinde und sehbehinderte Filmliebhaber sind mit „Greta“ unabhängig vom äußerst dünn gesäten Hörfilmangebot der Kinobetreiber. Diese wiederum benötigen keine zusätzliche Infrastruktur, wenn sie Filme mit Audiodeskription zeigen möchten, um neue Zuschauergruppen zu gewinnen. Durch den Download von „Greta“ erhalten die User außerdem regelmäßig Infos über die aktuellen Filmstarts mit Audiodeskription. Wenn diese Kinofilme auf DVD abgespielt werden oder im TV laufen, funktioniert „Greta“ genauso wie im Kinosaal.

FINANZIERUNG
Derzeit werden nur wenige Kinofilme mit Audiodeskription bei „Greta“ angeboten. Die Herstellungskosten für eine akustische Bildbeschreibung liegen bei rund 5.000 Euro pro Film. Diese Kosten werden von der Filmförderung übernommen. Nicht abgedeckt sind aber jene Kosten, die Filmhersteller bezahlen müssen, damit ihre Streifen bei „Greta“ abrufbar sind. Denn nur so kann das für sehbeeinträchtigte User kostenlose Angebot von „Greta“ finanziert werden.

Michael Kastelic, Geschäftsführer des AUDIO2-Teams, das Audiodeskriptionen für Live Sport Events, Unterhaltungssendungen, Spielfilme und Werbespots produziert, sieht in der neuen App „Greta“ ebenfalls die Zukunft der akustischen Bildbeschreibungen im Kino. „Noch sind bei ‚Greta‘ nur einige wenige Titel verfügbar, aber das wird sich sicher rasch ändern, sobald die Filmfördergeber diese neue Möglichkeit in ihre Richtlinien über die Verwertungsförderung  aufnehmen“, meint Kastelic.

Sein Team erstellt auch die Live-Audiodeskriptionen im Rahmen des Projekts Theater4all. Die Idee, Theateraufführungen für visuell beeinträchtigte Menschen „sichtbar“ zu machen, hat Michael Kastelic gemeinsam mit der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs realisiert. Derzeit bieten das Theater in der Josefstadt, das Burgtheater, das Volkstheater und das Schauspielhaus in Wien regelmäßig Vorstellungen mit Audiodeskriptionen an. „Im Theater würde ‚Greta‘ nicht funktionieren. Die Darsteller variieren ihr Spiel und wir müssen die Kommentare flexibel an das Geschehen auf der Bühne anpassen, daher müssen sie live gesprochen werden“, so Kastelic. (pi)


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