Über 80 Milliarden Apps dürften dieses Jahr heruntergeladen werden, Entwickler machen Schlagzeilen, die ihre Anwendungen für Dutzende Millionen Dollar verkauft haben. Doch nicht jede App ist so erfolgreich. Der Alltag der meisten Entwickler ist hart. [...]
Ein 17-Jähriger heimst 30 Mio. Dollar (23,4 Mio. Euro) mit dem Verkauf seiner Smartphone-App ein. Ein Mail-Programm wechselt nach nicht einmal sechs Wochen für angeblich 100 Mio. Dollar den Besitzer. Die Entwicklerszene ist im Goldrausch. Doch die jüngsten Erfolgsgeschichten sind glückliche Ausnahmen, ähnlich einem Lottogewinn. So gewaltig der Markt und das Wachstum im Geschäft mit mobilen Anwendungen für Smartphones und Tablet-Computer auch sind – der Alltag der meisten App-Entwickler besteht aus harter Arbeit und wenig Geld.
Nach Prognosen des Marktforschers Gartner werden in diesem Jahr über 80 Milliarden Apps heruntergeladen, 2014 sollen es schon mehr als 130 Milliarden sein und 2016 sogar über 300 Milliarden. Diese Erwartungen dürften wahrscheinlich noch übertroffen werden. Allerdings sind über 90 Prozent davon Gratis-Downloads, die ihren Entwicklern Geld erst über Werbeeinnahmen oder Zusatz-Angebote wie etwa In-App-Käufe von virtuellen Gütern für Spiele einbringen. Die Nutzer sind es inzwischen gewohnt, zunächst vor allem nach kostenlosen Apps Ausschau zu halten.
Und dann ist da noch die Gefahr, im App-Ozean unterzugehen.
Allein der iTunes-Store für Apples iPhones und iPads zählt inzwischen mehr als 750.000 Anwendungen. „Eine gute App zu machen, das reicht nicht. Man muss auch gesehen werden“, sagt Sebastian Blum, der beim kalifornischen Start-up Cooliris die Geschäftsentwicklung verantwortet. Wenn man Glück hat, kommt man in die Auswahl, die Apple selbst auf der Startseite in seinem App Store vorstellt. Oder wird durch einen Bericht in einem der vielen Technologie-Blogs bekannt. „Alles darunter ist ein täglicher Kampf ums Überleben“, sagt Blum.
Cooliris entwickelte eine App, die alle Fotos eines Nutzers in ansprechendem Layout zusammenführt, egal ob aus dem Speicher des mobilen Geräts oder Diensten wie Facebook, Instagram oder Twitter. Die Anwendung konkurriert mit Dutzenden Foto-Apps auf dem Markt, wurde bisher rund drei Millionen Mal installiert und ist kostenlos. Das Geld sollen Dienste für Unternehmen und Zusatzangebote bringen. Der Glücksfall für Cooliris war der Deal, die Foto-App für das erste Nexus-Smartphone von Google zu stellen – der App-Name wurde zwar nicht erwähnt, aber das Start-up brachte es zu einiger Bekanntheit in der Branche.
Der 17-Jährige Brite Nick D’Aloisio, dem der Internet-Pionier Yahoo mutmaßliche 30 Millionen Dollar für die intelligente Nachrichten-App Summly zahlte, verdankt seinen Durchbruch auch einer Mischung aus Glück und cleverer Selbstvermarktung. Ein Artikel im angesehenen Tech-Blog „TechCrunch“ war sein Sprungbrett zum Ruf eines Wunderkinds. Später sorgte eine Riege prominenter Investoren von Hollywood-Star Ashton Kutcher bis hin zu John Lennons Witwe Yoko Ono für anhaltende Aufmerksamkeit.
Das Beispiel der App Mailbox zeigt zugleich, dass man auch auf scheinbar restlos ausgeschöpftem Terrain auf Gold stoßen kann. Mailbox ist nichts anderes als eine E-Mail-App, hebt sich vom Rest des Felds aber durch ein innovatives Konzept zur Verwaltung der Nachrichten ab. Auch Mailbox halfen ausführliche Berichte in Fachblogs und ein Live-Zähler, der allen Interessenten vorführte, wie viele hunderttausend Leute noch vor ihnen in der Warteschlange sind. Der Cloud-Speicher-Spezialist Dropbox soll für die junge App vor wenigen Wochen bis zu 100 Millionen Dollar in Bargeld und Aktien bezahlt haben.
Oft gelingt der Durchbruch auch nicht beim ersten Anlauf. Die finnische Firma Rovio leistete sich zunächst fast 40 Flops, bevor sie mit „Angry Birds“ einen Mega-Hit landete. Das Spiel wurde inzwischen über 1,7 Milliarden Mal heruntergeladen, doch auch die Anziehungskraft der bösen Vögel lässt inzwischen nach – die verschiedenen Varianten sind in den App-Charts auf dem Weg nach unten. Und die Nachfolge-Spiele entwickelten auch im Kielwasser des Mega-Erfolgs nicht die gleiche Dynamik. Deswegen reitet Rovio jetzt ganz konventionell die „Angry Birds“-Welle und lizenziert seine Figuren für Fanartikel, Freizeitparks und eine Cartoon-Serie.
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