Vor einer Einführung der elektronischen Gesundheitsakte sollten aus Sicht des Niederösterreichischen Ärztekammerpräsidenten, Dr. Christoph Reisner, alle Möglichkeiten geprüft werden, mit denen man mit den bereits vorhandenen Mitteln ähnliche Ergebnisse und Verbesserungen erzielen kann als die von der Politik durch ELGA erhofften. [...]
„Ganz oben steht immer die Frage: Was braucht der Patient und welche Hilfsmittel braucht der Arzt, damit er diesen Bedarf bestmöglich erfüllen kann“, so Reisner. So ist für ihn beispielsweise die Einführung einer „Gesundheitsmappe“ vorstellbar, die durchaus elektronisch sein kann. „Das wäre hilfreich im täglichen Praxisalltag und in den Spitälern. Hinein kommt, was wichtig ist. Heraus kommt, was an Bedeutung verloren hat. Diese Entscheidung erfolgt durch den Hausarzt oder Vertrauensarzt, wobei diese Tätigkeit natürlich in den Leistungskatalog aufgenommen werden muss.“
„Bereits jetzt haben die Sozialversicherungen alle patientenbezogenen Unterlagen zur Verfügung“, so der Chef der niedergelassenen Ärzte Niederösterreichs, MR Dr. Dietmar Baumgartner. „Sie wissen, wer wann welches Medikament für welchen Patienten verschrieben hat. Warum nützt man vor Einführung eines Monsterprojektes wie ELGA nicht einmal die bereits vorhandenen Datenmengen?“ Reisner zufolge würde die ELGA in der geplanten Form zum Datenfriedhof mutieren, der die ärztliche Arbeit nur behindere statt sie zu verbessern.
Die wahren Probleme der Datenübermittlung sind laut Baumgartner an anderer Stelle gelagert. „Viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte leiden darunter, dass Arztbriefe aus Krankenhäusern oft erst Wochen oder Monate nach der Entlassung in den Ordinationen eintreffen, obwohl die elektronischen Kanäle längst vorhanden sind. Diese Probleme kann man auch mit einer ELGA nicht lösen, sogar ganz im Gegenteil. Hier ist das Land als Spitalserhalter gefordert, genügend Ressourcen für einen ordentlichen medizinischen Betrieb bereitzustellen.“
Baumgartner verweist auch darauf, dass alle Wechselwirkungen von Medikamenten auch ohne ELGA abgeprüft werden, das sei medizinischer Standard. „Die Polemik, dass man durch den Einsatz von ELGA und eine Wechselwirkungsprüfung durch E-Medikation Menschenleben retten könnte, kann ich nicht nachvollziehen. Wir könnten die medizinische Versorgung zum Beispiel dann optimieren, wenn wir die bestehenden Wartezeiten auf Arzttermine und Operationen verkürzen würden. Das liegt jedoch ausschließlich in der Hand der Politiker.“
„Die Spitalsärzte leiden unter dem Personalmangel“, bestätigt Dr. Ronald Gallob, der Kurienobmann der angestellten Ärzte Niederösterreichs. „An dieser Situation wird auch eine ELGA nichts ändern. Wir rechnen sogar damit, dass wir wesentlich mehr Personal bräuchten, wenn wir zusätzlich zu den bisherigen Anforderungen an Bürokratie auch noch die Administration von ELGA bewältigen müssten“, so Gallob.
Voraussetzung für eine bessere Vernetzung der Ärzteschaft ist laut Gallob daher nur, genug Personal in den Krankenhäusern anzustellen, die neben der Behandlung auch noch zeitnah alle sonstigen Verpflichtungen erledigen können. „Das betrifft nicht nur die Ärzteschaft, sondern auch die Verwaltungsangestellten im Hintergrund.“ (pi)
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