Der Pharmakonzern AstraZeneca musste eine Remote-Strategie für 70.000 Mitarbeiter entwickeln. IT-Chefin Cindy Hoots berichtet, wie das gelang. [...]
Bei Ausbruch der Pandemie im März 2020 musste das schwedisch-englische Pharma-Unternehmen AstraZeneca viele seiner 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rasch auf Telearbeit umzustellen. Die Belegschaft, darunter auch Labormitarbeiter, zu vernetzen, war essenziell, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, berichtet Cindy Hoots, Chief Information Officer und Chief Digital Officer von AstraZeneca.
Dazu nutzte der Konzern eine Vielzahl digitaler Kommunikationsplattformen wie Metas Workplace. Das ist ein soziales Netzwerk, das laut Hoots eine zentrale Rolle spielte, die Kollegen miteinander zu vernetzen, egal an welchem Ort sie arbeiten. Im Gespräch erklärt Hoots die übergreifende Strategie des Pharmakonzerns für bessere Kollaboration am Arbeitsplatz.
Sie sind sowohl CIO als auch CDO bei AstraZeneca. Was beinhaltet jede dieser Rollen?
Cindy Hoots: In meiner Rolle als CIO leite ich die gesamte Technologie von AstraZeneca weltweit. Es geht darum, wie wir Technologie als Wettbewerbsvorteil nutzen. Dabei denken wir nicht nur über Infrastruktur, Cyber- und Datenanalysegrundlagen nach, sondern auch über alle Anwendungen und Support-Dienste, die darauf aufbauen.
Die meisten unserer IT-Mitarbeiter sind bei AstraZeneca angestellt und befinden sich in unseren Hauptstandorten. Das heißt, in den USA, Großbritannien, Schweden, Indien, Guadalajara und in Asien. Indien ist dabei eines unserer größten Zentren, in dem aus IT-Sicht etwa 45 bis 50 Prozent unserer Mitarbeiter tätig sind.
Meine Rolle des Chief Digital Officer zielt darauf ab, wie wir neue Technologien, Denk- und Arbeitsweisen nutzen können. Ziel ist, die Patienten besser zu versorgen, Medikamente schneller zu erforschen und durch die klinischen Studien zu bringen.
Bei der Digitalisierung geht es nicht nur darum, wie wir die Patientenerfahrung bei unseren Anbietern und Vertretern des Gesundheitswesens digitalisieren. Wir wollen sie auch intern nutzen, um unsere Arbeitsweise zu optimieren und die Arbeit zu automatisieren. Für uns hat die Digitalisierung also zwei Aspekte: Sie ist eine externe Sichtweise darauf, wie wir mit Patienten, Anbietern und Kostenträgern interagieren, aber auch, wie wir intern neue Arbeitsweisen zum Leben erwecken können.
Sie kamen kurz vor Beginn der Pandemie zu AstraZeneca. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht und mit welchen Herausforderungen sahen Sie sich konfrontiert, um Telearbeit zu unterstützen? Inwieweit war AstraZeneca in Bezug auf die Anwendungsinfrastruktur bereits vorbereitet?
Cindy Hoots: Ich kam im Januar 2020 zu AstraZeneca. Einige Wochen später wurde China von COVID-19 heimgesucht und wir haben große chinesische Betriebe. Das war nur ein paar Wochen nach meinem Amtsantritt und die IT-Organisation hat wirklich phänomenale Arbeit geleistet. Wir konnten verschiedene Kommunikationstools einführen. Wir hatten Workplace bereits als primäres [Kommunikationstool]. Aber mit Microsoft Teams, Zoom und anderen Anwendungen, die wir auf unsere Laborsysteme und F&E-Zentren aufsetzten, konnten uns aus der Ferne einzuschalten und den Betrieb aufrechterhalten zu einer Zeit, in der die Mitarbeiter zuhause bleiben mussten.
Nur wenige Wochen später mussten wir auch in den USA, in Großbritannien und in Schweden, wo wir vor allem Forschungszentren betreiben, auf Fernarbeit umstellen. Wir konnten sehr schnell in eine digitale Welt wechseln, was der zugrundeliegenden Infrastruktur und der Anwendungen zu verdanken war, die wir bereits hatten.
Wir konnten alle unsere klinischen Studien und die Produktion aufrechterhalten. Zudem führten wir verschiedene Protokolle ein, mit denen unsere Mitarbeitern in Verbindung bleiben und das Geschäft erfolgreich weiterführen konnten.
Welche Hilfsmittel haben Sie dabei eingesetzt? AstraZeneca testet Workplace [von Meta] schon seit mehreren Jahren – welche Rolle spielte das, um Mitarbeiter zu vernetzen und die Produktivität aufrechtzuerhalten?
Cindy Hoots: Wir verwenden Workplace seit Anfang 2017 und haben es 2018 auf unser gesamtes Unternehmen ausgeweitet. Heute nutzen wir Workplace für mehr als 70.000 Mitarbeiter, um ihnen zu helfen, sich zu vernetzen, zu lernen und Grenzen zu überwinden, die in globalen Unternehmen bestehen.
Workplace wurde während der Pandemie zu einer echten Rettungsleine für unser Unternehmen. Es half den Kollegen im Labor weiterhin zusammenzuarbeiten und sich über die neuesten Nachrichten, Updates und die Ausrichtung des Unternehmens zu informieren.
Wir nutzten viele Tools wie Workplace Live Video. Wir veranstalteten „Ask Me Anything“-Sessions, in denen unsere Führungskräfte für Fragen offenstanden, um den Mitarbeitern bei der Bewältigung dieser beispiellosen Veränderung zu helfen. Wir hatten auch spezielle Videositzungen. Wir haben die COVID-Sonderbeauftragten der WHO [Weltgesundheitsorganisation] und unseren Chief Medical Officer eine Sitzung abhalten lassen, um den Menschen die Fakten rund um COVID und unsere Reaktion zu vermitteln.
Unser CEO, Pascal Soriot, konnte mit den Mitarbeitern in Kontakt bleiben. Wir waren es gewohnt, unseren Mitarbeitern nahe zu sein, und wollten sicherstellen, dass wir diese Verbindung nicht verlieren. Workplace war ein wesentlicher Bestandteil der Art und Weise, wie wir während der Pandemie zusammengearbeitet und uns informiert haben.
Welche anderen Apps und Tools waren wichtig, um die Belegschaft zu unterstützen? Haben Sie in neue Lösungen investiert?
Cindy Hoots: Für die Collaboration haben wir auch Microsoft Teams eingesetzt. Vor der Pandemie befanden wir uns in einer frühen Phase von Pilotprojekten mit Microsoft Teams. Auch das wurde zu einem wichtigen Rettungsanker, aber eher in der täglichen Arbeit für Meetings oder die Zusammenarbeit an bestimmten Projekten.
Wir setzen viel auf Video; das hat uns geholfen, miteinander in Kontakt zu treten. Ich habe 50 Prozent meiner direkten Mitarbeiter immer noch nicht getroffen, weil sie in Ländern sind, die ich nicht besucht habe. Video hat uns trotzdem zusammengebracht.
Zoom war ein weiteres wichtiges Collaboration-Tool, das wir vor allem dann einsetzten, wenn wir mit Leuten außerhalb [der Organisation] zusammenarbeiteten. Das wurde beinahe sofort aufgegriffen.
Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt?
Cindy Hoots: Das Wichtigste ist, die Menschen zusammenzuhalten. Man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie immer noch auf ein gemeinsames Ziel und einen gemeinsamen Zweck hinarbeiten, auch wenn sie nicht zusammen sind. [Das bedeutet], dass wir den Menschen nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in persönlichen Situationen helfen. Es war nicht klar, wie lange wir in dieser Situation bleiben würden, weil wir nicht wussten, was in der Welt passiert. Auch hier war das Gefühl der Verbundenheit und der Aufbau starker Beziehungen entscheidend.
Werkzeuge zu haben, die leicht einzusetzen sind, so dass es nicht viel Zeit für Schulungen und Weiterbildungen braucht, war wichtig. Wir haben intuitiver gearbeitet und Lösungen so entwickelt, dass die Leute sie schnell verstehen.
Es hat unser gesamtes Denken in Bezug auf die Anwendungstypen verändert, die wir verwenden. Wir sind eher zu Plattformen statt einzelnen Applikationen übergegangen, so dass wir eine robuste Grundlage schaffen können, auf die wir neue Funktionen aufsetzen können. Über Benutzerdesign und die User Experience nachzudenken wurde noch wichtiger, weil man nicht immer die Möglichkeit hatte, sich persönlich auszutauschen.
Wird AstraZeneca auch in Zukunft auf Telearbeit setzen?
Cindy Hoots: Wir haben schon immer ein flexibles Arbeitsumfeld gehabt. Ein Teil unserer Vertriebsmitarbeiter arbeitet seit jeher remote und das wird auch so bleiben. Tools wie Workplace, Teams und Zoom helfen dabei, ortsunabhängig zu arbeiten denn Fernarbeit bedeutet nicht nur, dass man von zu Hause, sonder auch von unterwegs aus arbeitet.
Wir müssen also sicherstellen, dass wir unsere Mitarbeiter technologisch unterstützen können, ganz gleich, wo sie sich befinden. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass wir auf die Zukunft vorbereitet sind.
Kann eine hybride Strategie auch eigene Herausforderungen mit sich bringen, etwa zwei verschiedene Arbeitsweisen unterstützen zu müssen?
Cindy Hoots: Während der Pandemie haben wir uns alle daran gewöhnt, aus der Ferne zu arbeiten und wie man sich bei einer Besprechung verhält. Wenn wir ins Büro zurückkehren, ist es wichtig, einige dieser Umgangsformen wieder zu erlernen.
Ein Tipp ist, dass diejenigen, die sich im Besprechungsraum befinden, weiterhin mit ihren Laptops teilnehmen, damit wir die Chatfunktionen nutzen können. Wenn wir zum Beispiel eine Besprechung haben und sie auf Workplace übertragen, bekommen wir alle Chats und Kommentare direkt dort angezeigt und können mit ihnen interagieren.
Mit der Heimarbeit haben wir die Vorstellung der Leute darüber verändert, wie sie an einer Besprechung teilnehmen und einbezogen werden können. Wir haben gesehen, dass Tools wie Workplace, Teams und Zoom Menschen eine Stimme geben, die eher introvertiert sind oder in einer Besprechung nicht das Wort ergreifen wollten. Durch die Chat-Funktionen konnten wir sie hören und sie konnten sich besser einbringen.
Wir lernen also gerade, wie wir ins Büro zurückkehren und trotzdem alle Vorteile nutzen können, die wir während der Pandemie durch den Einsatz dieser Tools entdeckt haben.
Was halten Sie von Innovationen im Bereich der Zusammenarbeit am Arbeitsplatz? Meta und Microsoft haben VR-Collaboration-Tools entwickelt – ist das etwas, das sie ausloten?
Cindy Hoots: Während der Pandemie haben wir viel mehr Virtual Reality und Augmented Reality verwendet und den Einsatz in verschiedenen Bereichen untersucht. Zum Beispiel haben wir sie eingesetzt, um unsere Produktionsmitarbeiter an den Fertigungsstraßen zu schulen. Früher mussten wir oft eine Produktionslinie stilllegen, um Kollegen auszubilden. Hithilfe virtueller Realität können wir den Leuten jetzt helfen zu verstehen, was wirklich an der Fertigungsstraße passiert.
Wir setzen sie auch in klinischen Studien ein. Wir können veranschaulichen, wie sich der Ablauf anfühlt, wenn die Teilnehmer in ein Krankenhaus gehen. Wie sieht das Innere des Krankenhauses aus? Sie gehen den Flur entlang und sehen, durch welche Tür sie gehen werden. Es ist großartig, den Menschen zu helfen, sich vorzustellen, wie diese Erfahrungen aussehen, bevor sie sich in eine Situation begeben.
VR kommt auch bei internen Schulungen zum Einsatz. Wir haben unsere Einrichtungen in einem Virtual-Reality-Raum abgebildet, so dass man durch unser Büro in Cambridge oder Gaithersburg gehen und sich dort mit anderen Leuten treffen kann. Ja, das ist definitiv etwas, das wir in den kommenden Jahren immer häufiger nutzen werden.
Was können Sie mir sonst noch über die Pläne von AstraZeneca in Bezug auf Collaboration und Mitarbeitererfahrung erzählen?
Cindy Hoots: Die Zusammenarbeit wird nur noch stärker werden. Wir sehen sie als eine Möglichkeit, die Integration innerhalb unserer Organisation voranzutreiben und Menschen auf der ganzen Welt miteinander zu verbinden.
Wir haben Workplace bereits für Dinge wie Crowdsourcing genutzt. Wir haben es gerade verwendet, um unsere Gesamtstrategie für AstraZeneca zu überprüfen. Innerhalb von zwei Wochen haben unsere Mitarbeiter über Workplace 56.000 Ideen eingereicht, was zu Investitionen in neue Projekte in Millionenhöhe führte.
Wir haben eine ganze Session veranstaltet, um die Lehren aus der Pandemie zu erfassen. Dabei reichten die Mitarbeiter 24.000 Ideen ein. Ein Kollege schlug vor, unser Leistungsbewertungssystem zu überarbeiten. Das wurde in die Praxis umgesetzt, so dass wir die Leistungsbewertung abgeschafft haben. Wir sehen also, wie der Einsatz von Workplace die Art und Weise verändert, wie wir unser Unternehmen führen.
Wir nutzen es, um ein hohes Mitarbeiterengagement aufrechtzuerhalten: 94 Prozent unserer Mitarbeiter sagen, dass AstraZeneca ein großartiger Arbeitsplatz ist, und wir sehen, dass Workplace einen wesentlichen Beitrag dazu leistet. Wir sind also sehr gespannt auf die Zukunft. (jd)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.com.
*Matthew lebt in Großbritannien und schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld zu den Thema Collaboration und Enterprise IT.
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