Es gibt triftige Gründe, um in einem ‹privaten Fenster› durchs Internet zu surfen. Doch das dient der Privatsphäre weit weniger als gemeinhin angenommen. Trotzdem ist dieser Modus nützlich. [...]
Wie die meisten anderen Browser kennt auch Safari eine Möglichkeit, privat durchs Internet zu surfen – oder zumindest suggeriert das die Bezeichnungen dieser Einrichtung. Um den Modus zu betreten, wählen Sie in Safari im Menü Ablage den Befehl Neues privates Fenster. Die einzige Änderung, die Sie jetzt sehen, ist ein leicht abgedunkeltes Adressfeld und ein Hinweis, der sich mit einem Klick auf das Kreuz schließen lässt.
Das geschieht jetzt
Dieses «private Fenster» ist kaum geeignet, um die Privatsphäre zu schützen – jedenfalls nicht beim Besuch einer Website. Stattdessen zeichnet Safari nichts von dem auf, was lokal an Ihrem Mac passiert. So erscheinen die besuchten Webseiten nicht im Verlauf.
Es werden auch keine Cookies gespeichert, mit deren Hilfe Sie später wiedererkannt werden. Und wenn Sie sich mit einem neuen Konto bei einem Webdienst anmelden, verwirft Safari die Zugangsdaten sofort nach der Anmeldung.
Tipp: Wenn Sie ohne privates Fenster unterwegs waren und nun die besuchten Websites nachträglich löschen möchten, wählen Sie im Menü Verlauf den Befehl Verlauf löschen. Im folgenden Dialog bietet sich die Möglichkeit, statt einer radikalen Löschung auch nur die besuchten Websites der letzten Stunde zu tilgen.
Der wahre Nutzen
Dennoch sind die privaten Fenster eine wertvolle Hilfe, um der eigenen «Filterblase» (Bubble) zu entkommen. Damit ist gemeint, dass das Internet aufgrund unserer Gewohnheiten immer wieder dieselben ähnlichen Inhalte auftischt, in der Hoffnung, das Interesse aufrechtzuerhalten. Das gilt für politische Themen und Ansichten, aber auch für die Unterhaltung und mehr.
YouTube-Vorschläge
Wenn man sich auf YouTube nur lange genug mit Heimwerker-Projekten auseinandersetzt, dann wird der Dienst immer weitere Videos derselben Art vorschlagen. Irgendwann steckt man in seiner eigenen Blase und verpasst viele andere, genauso interessante Themen.
Wenn Sie YouTube im privaten Fenster öffnen, findet weder eine Anmeldung mit dem Google-Konto statt, noch kann der Dienst auf bestehende Cookies zugreifen. Deshalb wirkt das auf YouTube so, als wäre dieser Besuch Ihr erster – und es wird querbeet frische Vorschläge unterbreiten, die gerade außerhalb der Filterblase von sich reden machen.
Einen Nachteil hat die Sache: Da sich interessante Videos ohne Anmeldung nicht im Google-Konto speichern lassen, müssen Sie sie anderweitig zwischenlagern, etwa in der Leseliste von Safari. Von dort aus werden sie reaktiviert, wenn Sie sich später erneut mit Ihrem YouTube-Konto anmelden.
Google-Suche
Was für YouTube gilt, gilt erst recht für die Google-Suche. Wenn Sie zum Beispiel nach Kreuzfahrten suchen und sich durch die Angebote und Destinationen klicken, dann wird Ihnen Google immer weitere Vorschläge dieser Art unterbreiten, die Ihnen gefallen könnten – natürlich von maßgeschneiderter Werbung untermalt.
Hingegen werden andere Aspekte von Kreuzfahrten zunehmend in den Hintergrund gedrängt, wie etwa die Umweltbelastung. Wenn Sie die Google-Suche jedoch in einem privaten Fenster starten, sind die Resultate so neutral, wie es nur möglich ist.
Zweitkonten
Falls Sie bei einem Webdienst mehrere Konten führen, doch nur eines davon regelmäßig nutzen, dann werden Sie bei diesem Hauptkonto angemeldet bleiben wollen. Um schnell und ohne Abmeldung auf ein anderes Konto auszuweichen, greifen Sie in einem privaten Fenster darauf zu.
Diese Anmeldung wird nirgends gespeichert; wenn Sie die Website also das nächste Mal in einem gewöhnlichen Fenster ansteuern, wird das wieder mit dem Hauptkonto geschehen.
Apples Private-Relay für Safari
Sie hinterlassen also keine Spuren auf dem eigenen Rechner und brechen aus der Filterblase aus. Hingegen weiß Ihr Internet-Provider in jedem Fall, wann Sie welche Website aufgerufen haben.
Auch dagegen ist ein Kraut gewachsen: das Private-Relay von Apple, das Bestandteil des kostenpflichtigen iCloud+ ist. Allerdings reicht bereits das kleinste Abo für 1 Franken monatlich, damit Sie in den Genuss dieser Einrichtung kommen – und zwar gleichermaßen auf dem Mac, dem iPhone und dem iPad. Und das Private-Relay wirkt! Es verwischt die Spuren im Web so gründlich, dass nicht einmal Ihr eigener Internet-Provider weiß, auf welchen Seiten Sie sich gerade aufhalten.
Dabei geht es einzig um die Privatsphäre. Die Funktion unterscheidet sich also von einem VPN-Dienst, der gezielt einen falschen Standort vorgaukeln kann, um ein günstiges Netflix-Abo im Ausland abzuschließen. Außerdem wirkt Private-Relay ausschließlich in Safari – aber nicht in einem anderen Browser oder gar in einer File-Sharing-Software.
Funktionsweise von Private-Relay in Safari
Jeder Seitenaufruf wird über zwei Internet-Relays gesendet. Ihre IP-Adresse bleibt zuerst einmal sichtbar – und zwar sowohl für Ihren Provider als auch für das erste Relay, das von Apple betrieben wird. Die angesteuerte Web-Adresse und der DNS-Abruf sind jedoch verschlüsselt, sodass beide nicht wissen, welche Seite Sie aufrufen.
Das zweite Relay wird von einem Drittanbieter betrieben; es generiert eine temporäre IP-Adresse, entschlüsselt die URL und stellt die Verbindung her. So kann keine der Instanzen Ihren Rechner mit der Website in Verbindung bringen – auch keine Werber.
Die Funktion wird in der Systemeinstellung Apple-ID aktiviert, also ganz oben. (1) Klicken Sie auf iCloud. (2)
Hier aktivieren Sie das Private-Relay:
Hinter der Schaltfläche Optionen legen Sie fest, ob «der allgemeine Standort beibehalten» oder auf das «Land und die Zeitzone» ausgedehnt werden soll:
Beim allgemeinen Standort bleiben Sie für die angewählte Website immer noch in der Gegend, was in der Schweiz auf einen Landesteil hinausläuft. Wird die Verschleierung auf die ganze Zeitzone ausgedehnt, kann es sein, dass Websites in der falschen Sprache angezeigt werden oder lokale Dienste nicht korrekt funktionieren.
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