Aufklärungsbedarf beim Thema „Routerfreiheit“ ist weiterhin hoch

Noch diesen Sommer werden mit dem neuen Telekommunikationsgesetz die Weichen für eine mögliche Routerfreiheit gestellt und es wird sich zeigen, ob Verbraucher in Österreich künftig selbst entscheiden können, welches Endgerät sie an ihrem Internetanschluss nutzen. [...]

Beim Thema Routerzwang gibt es noch viel Aufklärungsbedarf. (c) Pixabay

Aus diesem Anlass lud die Digital Society zu einer Diskussionsveranstaltung ein, an der neben dem Verbund der Telekommunikations-Endgerätehersteller (VTKE) auch Vertreter der Provider sowie der Regulierungsbehörde RTR teilnahmen. Dabei zeigte sich, dass durchaus noch viel Aufklärungsbedarf im Hinblick auf die Konsequenzen des Routerzwangs für Verbraucher besteht.

Am 22. Juni 2021 veranstaltete die Digital Society eine Online-Diskussion zum Thema „Datenschutz, Komfort, (Netz)Sicherheit – Kommt die freie Routerwahl?”. An der Experten-Runde nahmen neben Digital-Society-Vizepräsident Roland Giersig und Dr. Gerd Thiedemann vom VTKE auch RTR-Geschäftsführer Dr. Klaus Steinmaurer, Alexander Stock, CTO bei A1 – Telekom Austria, sowie Harald Kapper, Geschäftsführender Gesellschafter des Internet-Service-Providers Kapper Network-Communications, teil.

Barbara Steinbrenner von der Zeitung Die Presse hielt in ihrer Moderation fest, dass die politischen Leitlinien zur Definition des Netzabschlusspunktes von entscheidender Bedeutung bei der Frage sein werden, ob Verbraucher zukünftig ihr eigenes Endgerät am Internetanschluss nutzen dürfen. Beim Netzabschlusspunkt handelt es sich um die Stelle, an der das Netz des Betreibers endet und das des Kunden beginnt. In anderen EU-Ländern ist bereits geregelt, dass das Netzwerk des Providers an der passiven (stromlosen) Dose an der Wand endet und Endkunden deshalb selbst bestimmen können, welches Endgerät sie einsetzen.

Reihenschaltung von Zwangs- und Wahlendgerät ist keine Routerfreiheit

Ohne klare gesetzliche Regelung des Netzabschlusspunktes interpretieren manche Provider das eigene Modem als Netzabschlusspunkt. Nur hinter diesem Zwangsgerät können Kunden ein eigenes Endgerät betreiben, das ihren individuellen Ansprüchen gerecht wird. In diesen Fällen müssen also zwei Geräte vom Endkunden betrieben werden, was nach Ansicht des VTKE weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist, da ein Gerät völlig ausreichend wäre. Zudem können so häufig nicht alle Funktionen des Wahlrouters genutzt werden. Eine Kaskadierung (Reihenschaltung) von Zwangs- und Wahlendgerät ist nicht gleichzusetzen mit der eigentlichen freien Wahl des Endgerätes.

Paragraph 49 bringt die Entscheidung

Sollte Paragraph 49 des neuen Telekommunikationsgesetzes – gemäß des derzeitigen TKG-Entwurfs – die Verordnungsermächtigung der RTR hinsichtlich der Definition der Lage des Netzabschlusspunkts enthalten, so sei dies lediglich eine „Kann-Bestimmung“, betonte Dr. Klaus Steinmaurer im Rahmen der Diskussion. Die RTR müsse erst noch evaluieren, ob eine Regulierung hinsichtlich der Lage des Netzabschlusspunktes notwendig sei. Vor diesem Hintergrund, dass nach derzeitiger Lage die RTR dafür zuständig sein wird, den Netzabschlusspunkt zu definieren, bedeutet dies, dass eine zukünftige Routerfreiheit in Österreich alles andere als sicher ist. 

Offenlegung von Provider-Spezifikationen 

Für jede (Zugangs-)Technologie gibt es Vorgaben und Standards, die eine Interoperabilität zwischen Endgerät und Provider-Netz gewährleisten. Darüber hinaus gehende technische Eigenschaften des jeweiligen Netzes müssen die Netzbetreiber schon heute in sogenannten „Schnittstellenspezifikationen“ veröffentlichen. Als Vertreter der Endgerätehersteller betonte Dr. Gerd Thiedemann mehrfach, dass die von RTR und Netzbetreibern in Frage gestellte Interoperabilität zwischen Provider-Netz und privat erworbenem Endgerät sichergestellt ist. Dafür notwendig seien neben der gut etablierten Standardisierung der Netzzugangstechnologien allerdings die Schnittstellenspezifikationen der Netzbetreiber. Diese Informationen ermöglichten es Herstellern, schnittstellenkonforme Telekommunikationsendeinrichtungen auf dem Markt bereitzustellen, die mit dem jeweiligen Netz interoperabel sind. Eine Zunahme an Störungen oder Sicherheitsprobleme seien dann bei freier Endgerätewahl nicht zu erwarten. RTR-Geschäftsführer Steinmaurer richtete die Frage an die Netzbetreiber, ob etwas gegen eine Veröffentlichung ihrer Schnittstellenspezifikationen spräche. Fakt ist jedoch: Bereits heute sind die Netzbetreiber nach aktuell geltendem österreichischem Recht (vgl. § 16 TKG 2003 bzw. § 7 TKG-Entwurf) dazu verpflichtet, die Spezifikationen ihrer Netzzugangsschnittstellen zu veröffentlichen.

Gretchenfrage Support

Ein Streitpunkt der Diskussion war auch das Thema Kundenservice und Support. Sowohl für RTR als auch A1 Telekom war ein bestmöglicher Kundenservice und -support zentral. Eine freie Endgerätewahl steht diesem Service-Anspruch jedoch nicht entgegen. Denn ähnlich wie im Mobilfunk können Österreicher im Falle der Endgerätefreiheit zwischen dem „Rundum-Sorglos-Paket“ inklusive Endgerät und Support vom Provider und einem eigenen Endgerät entscheiden, für das dann der jeweilige Hersteller einen eigenen Service anbietet wie beispielsweise eine Servicehotline, an die sich Kunden wenden können.

Mehrheit aller Österreicher wünscht sich Ende des Routerzwangs

Mit Ausnahme Dr. Gerd Thiedemanns waren die Diskussionsteilnehmer der Überzeugung, dass es den meisten österreichischen Endnutzern weitgehend egal sei, ob sie die freie Wahl über das Endgerät an ihrem Breitbandanschluss haben oder nicht. Wie wichtig den Österreichern eine freie Endgerätewahl auch am Internetzugang ist, belegt jedoch eine aktuelle repräsentative Umfrage im Auftrag des VTKE-Mitglieds AVM. Nahezu zwei von drei Verbrauchern in Österreich (62%) wäre es „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“, dass ihr Internetprovider bzw. Netzanbieter ihnen kein Gerät mehr verbindlich vorschreiben kann.

Freie Endgerätewahl bedeutet nicht, dass man ein eigenes Gerät einsetzen muss

Umso wichtiger ist es, dass die einmalige Chance, den Netzabschlusspunkt mit dem neuen Telekommunikationsgesetz genau an der „Anschlussdose an die Leitung“ festzulegen, genutzt wird. Denn nur so wäre eine echte Routerfreiheit in Österreich garantiert. Ob man als einzelner Anwender diese Freiheit dann auch nutzt oder lieber weiterhin ein Gerät des Providers einsetzt, bleibt sowieso jedem auch zukünftig selbst überlassen. Ein Ende des Routerzwangs würde jedoch dafür sorgen, dass Endkunden das für ihre individuellen Bedürfnisse beste Endgerät nutzen können.


Mehr Artikel

News

Produktionsplanung 2026: Worauf es ankommt

Resilienz gilt als das neue Patentrezept, um aktuelle und kommende Krisen nicht nur zu meistern, sondern sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Doch Investitionen in die Krisenprävention können zu Lasten der Effizienz gehen. Ein Dilemma, das sich in den Griff bekommen lässt. […]

Maximilian Schirmer (rechts) übergibt zu Jahresende die Geschäftsführung von tarife.at an Michael Kreil. (c) tarife.at
News

tarife.at ab 2026 mit neuer Geschäftsführung

Beim österreichischen Vergleichsportal tarife.at kommt es mit Jahresbeginn zu einem planmäßigen Führungswechsel. Michael Kreil übernimmt mit 1. Jänner 2026 die Geschäftsführung. Maximilian Schirmer, der das Unternehmen gegründet hat, scheidet per 14. April 2026 aus der Gesellschaft aus. […]

News

Warum Unternehmen ihren Technologie-Stack und ihre Datenarchitektur überdenken sollten

Seit Jahren sehen sich Unternehmen mit einem grundlegenden Datenproblem konfrontiert: Systeme, die alltägliche Anwendungen ausführen (OLTP), und Analysesysteme, die Erkenntnisse liefern (OLAP). Diese Trennung entstand aufgrund traditioneller Beschränkungen der Infrastruktur, prägte aber auch die Arbeitsweise von Unternehmen.  Sie führte zu doppelt gepflegten Daten, isolierten Teams und langsameren Entscheidungsprozessen. […]

News

Windows 11 im Außendienst: Plattform für stabile Prozesse

Das Betriebssystem Windows 11 bildet im technischen Außendienst die zentrale Arbeitsumgebung für Service, Wartung und Inspektionen. Es verbindet robuste Geräte, klare Abläufe und schnelle Entscheidungswege mit einer einheitlichen Basis für Anwendungen. Sicherheitsfunktionen, Updates und Unternehmensrichtlinien greifen konsistent und schaffen eine vertrauenswürdige Plattform, auf der sowohl Management als auch Nutzer im Feld arbeiten können. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*