Lesen Sie, was Microsofts Cloud-Plattform Azure bietet, für wen sich die wachsende Anzahl der dort verfügbaren Cloud-Dienste eignet und mit welchen Kosten Unternehmen zu rechnen haben. [...]
Die Microsoft Azure Plattform, gängiges Kürzel „MS Az“, ist seit 2010 verfügbar und ist eine der am schnellsten wachsenden Cloud-Plattformen. Dazu ein paar Fakten: Das Marktforschungsunternehmen Gartner stuft Microsoft mit Azure seit sechs Jahren in Folge als weltweit führenden Anbieter für Infrastruktur-as-a-Service (IaaS) ein. Heute ist MS Azure in 140 Ländern verfügbar – auch in China. Seine Infrastruktur-Präsenz fußt auf einem global gespannten Netz mit mehr als 60 Knotenpunkten/Regionen. Dort sorgt jeweils eine Reihe von Rechenzentren für eine stabile Performance der Plattform und ihrer vielen kostenlosen Dienste. Vier dieser Knotenpunkte sind in Deutschland angesiedelt, insgesamt mehr als 15 über Europa verstreut.
Azure ist DSGVO-konform und nach dem neuen internationalen Standard ISO/IEC 27701 (Privacy Information Management System PIMS) zertifiziert, dessen Anforderungen deutlich konkreter und detaillierter sind als die der DSGVO. Hinzu kommt: Microsoft betreibt seine IoT-Plattform nach eigener Aussage zu hundert Prozent karbonfrei. Und allein für Forschung und Entwicklung in Sachen Cybersicherheit beschäftigt der Software-Riese mehr als 3.500 Experten und setzt dafür eine Milliarde US-Dollar ein.
Azure Stack und Arc: Der Hybrid-Ansatz
Zu den nach wie vor großen Hürden, die Unternehmen vor der Nutzung von Cloud Services zurückschrecken lässt, ist ihre Befürchtung, sie könnten die Kontrolle über ihre Daten verlieren. Dem begegnet die Microsoft Cloud mit einem Hybrid-Ansatz, der die Plattform nach allen Seiten offen, aber dennoch sicher hält: Der Anwender kann seine Daten, alle oder auch nur bestimmte, lokal „on premise“ halten. In der Cloud findet lediglich die Verarbeitung statt – und das nach der weltweit anerkannten Norm ISO/IEC 27701. Auch einen Mix zwischen Azure und anderen Clouds unterstützt Microsoft.
Um dem Nutzer die Verwaltung seiner Multicloud- und Hybrid-Cloud-Aktivitäten so einfach wie möglich zu machen, hat Microsoft Ende 2019 Azure Arc eingeführt. Dabei handelt es sich um ein Self Service Tool, mit dem sich von jedem beliebigen Standort aus Windows- und Linux-Server, Kubernetes-Cluster und Azure-Datendienste über eine einheitliche Oberfläche verwalten lassen. Das Tool erlaubt dem Anwender, überall auf Azure-Datendienste und andere Cloud Lösungen zuzugreifen.
Die lokale Azure Instanz stellt Azure Stack dar. Damit lassen sich Dienste und Funktionen von Azure auf andere Umgebungen ausweiten, zum Beispiel in das eigene Rechenzentrum oder auf Edge- und Remotestandorte. Der Anwender kann sich damit eine konsistente Hybrid-Cloud-Umgebung mit identischen Tools, APIs und Prozessen schaffen. Hinzu kommen diverse Dienste, die als Container oder Microservices lokal funktionieren. Und wenn es beispielsweise um virtuelle Maschinen geht, bietet das Azure Backup für Az Hybrid und Az Stack zusätzliche Sicherheit.
MS Azure: Cognitive Services und Machine Learning Studio
Zu den besonders zukunftsgerichteten Stärken von MS Azure gehören die sogenannten Cognitive Services. Sie erleichtern die Entwicklung von Anwendungen im Umfeld von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz deutlich. So kann der Entwickler mit einem einfachen API-Aufruf quasi menschliche Fähigkeiten in seine Apps einbetten: sehen, hören, sprechen, suchen, verstehen und Entscheidungen treffen.
Das Tool Custom Vision zum Beispiel unterstützt die visuelle Erkennung von Objekten oder Anomalien. Über Personalizer kann man Angebote für Kunden individuell platzieren und via Sprache mit Anwendungen kommunizieren. Solche Basisfunktionen sind bereits programmiert und stehen „out of the box“ zur Verfügung.
Microsoft setzt seine Cognitive Services übrigens immer wieder für Projekte ein, bei denen es um die Integration benachteiligter oder behinderter Menschen geht. Narrative Services beispielsweise lesen Blinden Texte wie etwa ein Benutzerhandbuch vor, oder eine App übersetzt gesprochene Worte in Taubstummensprache. Ein weiteres Beispiel ist ein anderes Programm, das die Übungen eines Rekonvaleszenten aus, der nach einer Knieoperation seinen Bewegungsapparat wieder in Gang bringen will. Die App gleicht seine Bewegungen mit den im Video dokumentierten Vorgaben des Physiotherapeuten ab und korrigiert den Patienten bei Bedarf durch Feedback zu den allein durchgeführten Übungen selbstständig.
Cognitive Services setzt Microsoft aber auch ein, um Sicherheitsprobleme in und um Azure aufzuspüren. Laut Anbieter erkennen und stoppen die Systeme pro Tag sage und schreibe sieben Billionen Cyberthreats.
Komplexe Aufgaben rund um Machine Learning können Data Scientists mit Tools wie dem Azure Machine Learning Studio, kurz Az ML Studio, erledigen. Azure stellt Entwicklern dafür alles zur Verfügung, was sie benötigen – von der Berechnungsmaschine bis zum Jupyter Notebook. Hinzu kommen Services wie AutoML und MLOps, die Artificial Intelligence leichter zugänglich machen.
Azure Services: Cloud-native und Open Source
Native Cloud Applications (NCAs) gewinnen zusehends an Bedeutung, nutzen sie doch die Möglichkeiten und Vorteile der Cloud-Architektur besonders konsequent. NCAs bestehen aus vielen einzelnen Microservices, die die für die jeweilige Anwendung benötigten Funktionen und Dienste bereitstellen. Entscheidender Vorteil: Die Microservices können extrem flexibel eingesetzt werden. Sie sind ortsunabhängig, benötigen weder eine bestimmte Hardware noch spezifische Betriebssysteme und können auf unterschiedlichen Servern betrieben werden. Und sie lassen sich leicht skalieren.
MS Azure unterstützt die Entwicklung und Bereitstellung von Native Cloud Services in verschiedenen Formen: Das kann ein Container mit Microservices in einer Az Web App sein, eine Az Container Instance oder eine Anwendung, die mit Az Kubernetes betrieben wird.
Auch beim Vorantreiben von NCA Frameworks legt Microsoft Offenheit an den Tag. So stellt das Unternehmen seit Dezember 2019 Dapr (Distributed Application Runtime) als Open Source Lösung zur Verfügung. Die Laufzeitumgebung unterstützt den Entwickler beim Erstellen hoch flexibler, zustandsabhängiger Microservice-basierter Applikationen. Dapr ist auf nahezu jeder Plattform und in jeder Programmiersprache nutzbar.
Viele Services, mit denen sich skalierbare, sichere und kosteneffiziente Lösungen entwickeln lassen, bietet Azure aber auch außerhalb des Cloud Native Ansatzes. Und zusätzlich zu den direkt auf der Plattform verfügbaren Services hat der Anwender über den Azure Marketplace Zugriff auf unzählige Lösungsangebote. Services, wie etwa Az Functions, die schnell APIs bereitstellen, die auf gewisse Trigger reagieren oder das Key Vault, um Passwörter, Phrasen oder Zertifikate sicher abzulegen.
Softwarelösungen, die in Azure realisiert werden, brauchen natürlich einen guten Speicher. In Azure Storage findet der Anwender einen sehr flexiblen und hoch skalierbaren Speicher. Aber auch Datenbanken sind gut vertreten, etwa mit Azure SQL anstatt eines SQL Servers auf einer virtuellen Maschine.
Zur Datenverarbeitung mit Az Data Factory lassen sich beispielsweise umfangreiche Operationen auf Daten durchführen – regelbasiert, zeitlich oder anhand anderer Trigger gesteuert. Zusammen mit Datenbanksystemen wie Az SQL oder NoSQL Systemen wie Cosmos DB ergibt sich ein stimmiges Angebot zur Datenverarbeitung.
Um den Bogen zurück zu Machine Learning und Künstlicher Intelligenz zu spannen – dort reiht sich ein anderes nützliches Angebot ein: der Azure Data Lake. Er garantiert eine einfache und schnelle Verfügbarkeit von Daten aus unterschiedlichsten Quellen.
Azure meets IoT: Entwicklungsunterstützung
Azure ist mittlerweile in vielen Projekten die genutzte IoT-Plattform. Beispielweise bei der Vernetzung von Windturbinen mit der Cloud-Plattform. Anhand der gesammelten Daten lassen sich unter anderem Vorhersagen zum Verhalten des Anlagengetriebes treffen. Und die über die Cloud verfügbaren Information über das Getriebeverhalten im realen Betrieb erlauben vorausschauendes Eingreifen. So ist es durch die Daten zum Beispiel möglich, Maschinen-Ersatzteile vorab bereitzustellen und den Austausch zu planen, noch ehe ein Schaden eingetreten ist. Auf diese Weise lassen sich die Lebenszeit der Getriebe verlängern und eine optimale Steuerung von Windparks gewährleisten.
Das Eingangs- und Ausgangstor für die IoT-Kommunikation ist der Azure IoT Hub. Kaum ein Szenario, das hierüber nicht realisierbar wäre – bis hin zur Edge, also der „nicht angebundenen“ Maschine, die man beispielsweise per Az IoT Edge anbinden und verwalten kann. Egal ob mit einem Hybrid-Ansatz, mit Container oder Azure native – die Azure IoT Services bieten hochverfügbare und stark abgesicherte Services, die gut skalieren können.
Der für IoT Digitalisierungsprojekte wichtige Datenfluss geht für Azure über den Azure Service Bus oder über den Az Event Hub. Um die Events eines IoT-Geräts zuverlässig zu verarbeiten, bietet Azure darüber hinaus das Az Event Grid an. Dieses Servicepaket ist dafür geeignet, IoT Digitalisierungsprojekte durchzuführen.
Wer ein IoT-Projekt vorbereitet, dem steht mit Azure DevOps ein agiles Software Planungs- und Entwicklungstool zur Verfügung, das Projekte für das Unternehmen wie Entwicklungsteams effektiv und transparent macht.
Eine weitere Auswahl an Entwicklungs-Tools für die Realisierung von Digitalisierungsprojekten stellt der Azure Marketplace dar. Hier findet der Softwareentwickler zertifizierte Lösungsbausteine oder komplette Lösungen anderer Anbieter, mit denen er sein Projekt beginnen kann.
Im Übrigen kann man ganz einfach „out of the box“ mit der Azure IoT Central starten und seine Lösungsidee im kleinen Maßstab umsetzen. Hier findet der Entwickler: Regeln-, Rollen- und Rechte-Konzept, User-Interface-Anpassung, AI und Data Analytics bis hin zur Alarmierung. Damit lässt sich mit geringem Aufwand ausloten, wie gut die Chancen sind, dass das Vorhaben voraussichtlich trägt.
Für die Nachrichten- oder Datenkommunikation innerhalb einer IoT-Anwendung stellt Azure mit Az Event Grid, Az Service Bus und Event Hubs geeignete Tools zur Verfügung.
Kaum eine andere Plattform ist so gut dokumentiert wie Azure. Hilfreich ist im Übrigen, dass sich rund um Azure inzwischen eine sehr aktive und offene Community entwickelt hat, die ihr Wissen gern teilt. Unterstützung bieten auch die Bibliotheken rund um Azure. Hier finden Programmierer hilfreiche Anweisungen Zwei Beispiele: Phyton und .NET. Dabei spielt die Entwicklungssprache fast keine Rolle. Zwar ist die Unterstützung für .NET immer noch am besten, aber Java ist schon sehr nah an diesem Support-Level, und auch andere Sprachen wie Python werden sehr gut unterstützt.
Mit dem Azure Preisrechner kann der Entwickler vor dem Start seines Projektes die Services durchkalkulieren, die er für das Projekt vorsieht. Zusätzlich bietet die Plattform Wege, Services so zu skalieren, dass sie ein Minimum an Kosten, aber ein Maximum an Nutzen generieren. Wird zum Beispiel eine virtuelle Maschine innerhalb einer definierten Zeit nicht mehr benötigt („idled“), wird sie runtergefahren. So verursacht die VM lediglich Speicherkosten – weiter nichts.
AWS: Alternative zu Microsoft Azure?
Ob sich ein Unternehmen, beziehungsweise seine Entwickler, für MS Azure oder Amazon Web Services (AWS) als Alternative für ihre Cloud-Anwendungen entscheidet, hängt stark vom Geschäftsmodell und von der Art der Anwendungen ab. Dass AWS als gute Plattform für hoch skalierbare Web-Anwendungen gilt, wundert nicht. Schließlich lebt das Amazon Geschäftsmodell selbst von Services, die weltweit von hunderten Millionen von Anwendern genutzt werden.
Auf der anderen Seite ist Azure sehr stark durch sein breites Angebot und die ausgeprägte Möglichkeit, Hybrid- respektive Cloud-Native-Projekte umzusetzen. Hinzu kommen die Offenheit gerade in Richtung Open Source und Linux, das hohe Innovationspotenzial der Services und das fortlaufende Investment von Microsoft in die Sicherheit.
Was die Kosten angeht, so verbietet sich ein Vergleich allein schon deshalb, weil dabei unzählige Parameter eine Rolle spielen. Hilfreich ist für Einsteiger in jedem Fall, zunächst eine Test-Version zu nutzen und die voraussichtlichen Kosten vor dem operativen Einstieg in ein Projekt mit dem Azure Preiserechner, beziehungsweise dem AWS Pricing Calculator, zu überschlagen.
*Konrad Krafft ist Gründer und Geschäftsführer des Beratungs- und Softwarehauses doubleSlash Net-Business GmbH. Er hat Allgemeine Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz studiert und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Entwicklung digitaler Services, insbesondere im Bereich von Unternehmensprozessen und Softwareprodukten. Als Experte befasst er sich mit der Industrialisierung von Software-Entwicklung und neuen digitalen Geschäftsmodellen.
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