Wer braucht noch Banken? Google, Apple und PayPal mischen den Markt für Bezahlsysteme auf, die Baufinanzierung regelt sich per Mausklick im Internet, Überweisungen erledigen Kunden am Computer statt in der Bankfiliale. [...]
„Banking is necessary, banks are not“ („Bankgeschäfte sind unerlässlich, Banken nicht“) – sollte sich diese düstere Prophezeiung von Microsoft-Gründer Bill Gates mit mehr als einem Jahrzehnt Verzögerung doch noch bewahrheiten? Die Branche hat die Herausforderung erkannt: Alle wollen technisch aufrüsten – ob Sparkasse, Volksbank oder Großbank. Noch ist kein Filialsterben in großem Stil absehbar, doch die Kosten stehen auf dem Prüfstand.
Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) schwebt die „Sparkasse 2.0“ vor: „Unsere Kunden werden künftig immer und überall und mit jedem denkbaren Endgerät mit ihrer Sparkasse in Kontakt treten wollen und können.“ Fahrenschon betont: „Es wäre aber eine Fehleinschätzung, jetzt das Ende der Geschäftsstelle auszurufen.“ Moderne Institute bräuchten beides, meint Fahrenschon: Berater nah am Menschen vor Ort und die Präsenz in der virtuellen Welt mit Facebook, Twitter und Co. Diesen Spagat versuchen auch Volks- und Raiffeisenbanken, die wie Sparkassen ein engmaschiges – und teures – Filialnetz unterhalten.
„Kunden lassen sich nicht auf einen Vertriebskanal festlegen. Das bedeutet für die Banken: Geduldiger werden und nicht den schnellen Euro in diesem Geschäft verdienen wollen“, sagt der Bamberger Bankenforscher Andreas Oehler. Die Bemühungen der Finanzbranche sind allzu verständlich: Fast jeder Zweite in Deutschland erledigt Bankgeschäfte inzwischen via Internet. Die Zahl der Online-Girokonten hat sich laut Bundesbank seit Anfang des Jahrtausends auf über 45 Millionen mehr als verdoppelt. Der Genossenschaftsverband, der in 13 Bundesländern Volks- und Raiffeisenbanken vertritt, stellte kürzlich fest: Nur noch etwa ein Drittel der Überweisungen wird heute am Schalter getätigt.
Dazu kommt im Zahlungsverkehr wachsende Konkurrenz von Nichtbanken wie Google, Apple, PayPal oder Amazon. „Die Netzgiganten strecken verstärkt ihre Fühler in Branchen außerhalb ihres bisherigen Kerngeschäfts aus, zum Beispiel in den Markt für (mobile) Bezahlsysteme“, heißt es in einer Deutsche-Bank-Studie. Böten Nichtbanken auch noch Einlagenprodukte und Konsumentenkredite an, rüttele das „an den Grundfesten des Geschäftsmodells der Banken“.
„Das Filialbanking wird weiter deutlich schrumpfen“, prognostiziert der Bamberger Forscher Oehler. „Das durch Online-Angebote zu ersetzen, wird nicht funktionieren: Menschen wollen weiterhin von Menschen bedient werden.“ Letztlich sei entscheidend, ob es den Anbietern gelinge, Kunden zu binden, meint der Augsburger Finanzwissenschaftler Marco Wilkens: „Und hier sollten Filialbanken ihren „Persönlichkeitsvorteil“ nicht einfach wegwerfen. Allerdings müssen sie die Kosten dafür massiv senken, das heißt insbesondere ihre Filialen verkleinern.“ Aussterben würden klassische Banken deswegen nicht.
Für viele Banken ist Sparen nach Expertenansicht der eigentliche Grund für den Ausbau ihrer Internetangebote. „Auch diese zweite Online-Welle dient nicht in erster Linie dazu, die Kundenfreundlichkeit zu erhöhen, sondern zielt darauf, Kosten zu sparen“, so Oehler. „Wir haben vor etwa zehn Jahren schon einmal die gleiche Entwicklung gehabt: Hin zur Selbstbedienungsfiliale und zum Online-Banking“.
Damals sei die Rechnung der Finanzbranche nicht aufgegangen: Zwar hätten Kunden die automatisierte Technik schätzen gelernt, auf ihre Filiale aber wollten die meisten nicht verzichten. „Die Kunden reagieren auf das mannigfaltige Angebot nicht im Sinne der Banken: Der Trend geht zur Mehrfachbankverbindung, es gibt keine klare Hauptbankverbindung mehr, die Kunden sind flexibler geworden“, sagt Oehler.
Der Spagat zwischen Filiale und Online-Angebot könne aber durchaus gelingen, meint Oehler: „Ich glaube, dass eine Universalbank im Privatkundengeschäft erfolgreich sein kann, wenn sie ihre Kunden ernst nimmt. Und das heißt auch den Kunden transparent zu sagen, welche Leistung wie viel kostet.“ Ganz ohne Angebot der Banken vor Ort werde es nicht gehen: „Zu viel Anonymität ist auch nicht gut für eine gesunde Kundenbeziehung“, sagte der Bamberger Forscher.
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