Bitcoin-Hype: HPI-Studie zum echten Innovationspotenzial der Blockchain

Informatikwissenschaftler des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) machen in ihrem Report "Blockchain - Hype oder Innovation?"vor allem auf noch unzureichende Standardisierung und mangelnde Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen den Blockchain-Systemen aufmerksam. [...]

Die Rechen-Prozesse von Bitcoin verbrauchten nach seriösen Kalkulationen bereits pro Tag so viel Strom, wie gut 12.000 deutsche Vierpersonen-Haushalte im ganzen Jahr benötigten. (c) Fotolia/Jaruwan photo
Die Rechen-Prozesse von Bitcoin verbrauchten nach seriösen Kalkulationen bereits pro Tag so viel Strom, wie gut 12.000 deutsche Vierpersonen-Haushalte im ganzen Jahr benötigten. (c) Fotolia/Jaruwan photo

Auf die Blockchain-Technologie sind laut einer aktuellen Studie des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) derzeit viele überzogenen Erwartungen gerichtet. Die Potsdamer Informatikwissenschaftler machen in ihrem Report „Blockchain – Hype oder Innovation?“ (ISBN 978-3-86956-394-7) vor allem auf noch unzureichende Standardisierung und mangelnde Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen den Blockchain-Systemen aufmerksam. Andererseits trage die zunächst für den Zahlungsverkehr mit dem virtuellen Währungssystem Bitcoin entwickelte neue Technologie durchaus das Potenzial in sich, viele Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren zu können, heißt es in dem umfangreichen Bericht.

„Die komplexe Blockchain-Technologie ist seit fast zehn Jahren immer häufiger Gesprächsthema, wird aber nach wie vor nur von wenigen wirklich verstanden“, stellt Prof. Christoph Meinel, HPI-Direktor und Mit-Autor der Studie, fest. Einige rückten sie in die Nähe von Hacker-Tricks, die kriminelle Geschäfte im Darknet, dem dunklen Teil des Internets, erleichtern sollen. „Andere überhöhen sie wie in einem virtuellen Goldrausch zu einer neuartigen Allzweckwaffe“, so Meinel. Doch die Technologie stecke noch in den Kinderschuhen und müsse zunächst ausreifen, indem sie für zusätzliche Anwendungszwecke weiterentwickelt werde. Danach komme es dann auf den „richtigen Einsatz“ an.

Virtueller Goldrausch um komplexe Technologie

Die wissenschaftliche Studie des Instituts soll von einem neutralen, unabhängigen Standpunkt aus Möglichkeiten und Grenzen realistisch bewerten helfen. Zunächst wird sachlich erläutert, wie die geheimnisumwitterte Technologie vorhandene Ansätze wie dezentrale Netzwerke, Kryptographie und Konsensfindungs-Modelle miteinander verknüpft. Ausführlich stellen die Autoren die Funktionsweisen der drei Systeme vor, die sich in der Blockchain-Szene bislang als wichtigste etabliert haben: Bitcoin, Ethereum und Hyperledger.

„Von diesen dreien ist das rasant wachsende System für die so genannte ‚Kryptowährung‘ Bitcoin nach wie vor als stärkstes und sicherstes anzusehen“, sagt Meinel. Dessen Rechen-Prozesse verbrauchten aber nach seriösen Kalkulationen bereits pro Tag so viel Strom, wie gut 12.000 deutsche Vierpersonen-Haushalte im ganzen Jahr benötigten. Außerdem gebe es sehr starke Kursschwankungen der digitalen Währung, da viel mit ihr spekuliert werde.

Studie erläutert mögliche Angriffe auf Blockchains

Detailliert beschreiben die Potsdamer Informatikwissenschaftler mögliche Angriffe auf Blockchains und erläutern auch, wie Hacker versuchen können, Transaktionen zurückzuverfolgen und geheime Schlüssel auszuspähen. „Werden ganz neue Blockchain-Systeme entwickelt, kann es durch Änderungen an der bestehenden Softwaretechnologie durchaus zu Sicherheitslücken kommen, die von Angreifern ausgenutzt werden könnten“, ergänzt Meinel.

Die HPI-Studie zeigt im Einzelnen auf, was erforderlich ist, um Blockchain-Konzepte erfolgreich in der Praxis umzusetzen und welche verschiedenen Möglichkeiten es dabei gibt. Vor allem blicken die Wissenschaftler dabei auf Weiterentwicklungen der Blockchain-Technologie, die mit ihrer programmierbaren dezentralen Vertrauens-Infrastruktur neben Währungen und Werten auch komplexe Verträge zwischen mehreren Vertragspartnern ermöglichen kann.

„Es wird immer mehr „intelligente Verträge“ geben, so genannte smart contracts, mit denen auf der Basis von Wenn-Dann-Anweisungen bestimmte Vorgänge automatisch abgewickelt werden“, sagt der HPI-Direktor. Beispiel: Wenn ein Interessent für ein anzumietendes Apartment seine Kaution überwiesen hat und wenn der Tag des Mietbeginns gekommen ist, dann wird an ihn ein digitaler Schlüssel zum Entsperren des elektronischen Schlosses der Wohnungstür gesandt, ohne dass es eines Intermediärs bedarf.

Erfolgversprechende Einsatzfelder locken

Als erfolgversprechende Einsatzfelder sieht die HPI-Studie neben der Vermietung von Wohnungen, Autos und Zweirädern auch den Handel mit Kunstwerken, Abstimmungs-Systeme oder die Verwaltung von Gesundheitsdaten. Vorteile habe die Blockchain-Technologie zudem für das Management digitaler Identitäten, den sicheren Datenaustausch zwischen Geräten im Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), den Handel mit lokal erzeugter erneuerbarer Energie und bei der Effizienzsteigerung von Lieferketten.

„Jedem Unternehmen, das auf den Blockchain-Zug aufspringen möchte, rät das Hasso-Plattner-Institut, für den geplanten Anwendungszweck zunächst ein vernünftiges Ziel zu definieren, das mit einem angemessenen Aufwand-Nutzen-Verhältnis angestrebt werden kann“, betont Informatikwissenschaftler Meinel. Viele Blockchain-Projekte scheiterten heute allerdings innerhalb der ersten beiden Jahre. Hoffnung setzt er darauf, dass sich Großunternehmen und Startups immer öfter zusammentun, um die Blockchain-Technologie zu verbessern und ihre Standards weiterzuentwickeln.

Auf der interaktiven Lernplattform openHPI wird in diesem Sommer übrigens ein zweiwöchiger Online-Kurs zur Blockchain-Technologie unter Leitung von Christoph Meinel starten.


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