Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag der österreichischen Telekommunikations-Regulierungsbehörde TKK zur Berechnung der regulierten Entgelte ausgesetzt, welche die Telekom Austria anderen Betreibern für die Nutzung seiner Breitbandinfrastruktur in Rechnung stellen darf. Die Kommission hat Bedenken, dass das Regulierungskonzept möglicherweise nicht mit dem EU-Telekommunikationsrecht vereinbar ist, weil es effiziente Breitbandinvestitionen gefährden sowie künstliche Hemmnisse auf dem Binnenmarkt schaffen könnte. Diese vertiefte Prüfung des österreichischen Maßnahmenentwurfs für die Regulierung auf den Breitband-Vorleistungsmärkten, ist für Telekom-Regulator Georg Serentschy allerdings "ein Streit um des Kaisers Bart". [...]
Welche Kosten für die Festlegung des Entgelts für den Zugang zu physischer Infrastruktur herangezogen werden, „ist seit 2007 obsolet“, sagte der RTR-Chef, der noch bis Ende Januar 2014 im Amt ist, am Freitag im Gespräch mit der APA. „Seit die Telekom Austria begonnen hat, als Antwort auf die Mobilfunk-Konkurrenz im Festnetz preisaggressiv zu werden, ist das eine Methodendebatte, aber regulatorisch irrelevant geworden“, erklärte Serentschy. Denn in Österreich hat sich der TKK zufolge in den letzten Jahren der Wettbewerb immer mehr von der Entbündelung hin zum infrastrukturbasierten Wettbewerb zwischen Festnetzen und Mobilnetzen verschoben. Bedingt durch den Preisdruck aus dem Mobilfunk wurden die Festnetzpreise immer mehr abgesenkt, was dazu geführt hat, dass Österreich international einen der niedrigsten Entbündelungspreise hat und der Festlegung des kostenbasierten Entbündelungspreises keine praktische Bedeutung mehr zukommt.
Relevant sei der „Margin-Squeeze“-freie Preis, also jener Preis, der es alternativen Anbietern ermögliche, beim Endkundenpreis mitzuhalten. Diesen Preis habe die österreichische Regulierungsbehörde RTR mit 5,87 Euro pro Monat festgelegt. „Das ist der niedrigste Entbündelungspreis in Europa“, betonte Serentschy. „Die EU-Kommission wünscht sich, dass alle bei 8 bis 10 Euro sind – wir sind ohnehin niedriger.“
Durch die Einleitung der vertieften Prüfung werden die Entscheidungen für drei Monate ausgesetzt. Man werde noch einmal versuchen, die EU-Kommission davon zu überzeugen, dass man eine irrelevante Methoden-Diskussion führe, die lediglich „von akademischem Interesse“ sei, so Serentschy. Wenn erforderlich will die TKK laut einer Aussendung die Maßnahmenentwürfe in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und der Vereinigung der Regulierungsbehörden BEREC jedoch überarbeiten.
HINTERGRUND
Die TKK hat laut der EU-Kommission ein Kostenmodell entwickelt, das ein Vorleistungsentgelt von 15,34 Euro pro Monat für Betreiber vorsieht, die Zugang zu Kupferleitungen der Telekom Austria erhalten wollen. Die Kommission befürchtet, dass bei dem Modell nicht alle EU-Vorschriften berücksichtigt wurden und dadurch die kalkulierten Preise für den Zugang zum Kupferleitungsnetz über dem EU-Durchschnitt liegen. Die TKK hat allerdings beschlossen, dem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht – also der Telekom Austria – nicht diesen Höchstpreis aufzuerlegen, und schlägt stattdessen den bereits erwähnten, erheblich niedrigeren Preis von 5,87 Euro pro Monat vor, der nach einem Verfahren zur Ermittlung einer Preis-Kosten-Schere (PKS-Test) ermittelt wurde. Selbst wenn solch niedrige Zugangsentgelte dem Wettbewerb möglicherweise kurzfristig zugutekommen würden, argumentiert die Kommission – dürften sie Innovationen und effiziente Investitionen in neue und verbesserte Infrastrukturen behindern und dazu führen, dass sich die Investitionen der Betreiber nicht mehr amortisieren würden. Ein weiterer Nachteil dieses Regulierungskonzepts bestehe darin, dass es nicht zu einem stabilen, berechenbaren Umfeld für Telekom Austria und andere Betreiber beitragen würde, da die anhand eines PKS-Tests ermittelten Preise jährlich neu überprüft werden können. Inländische und ausländische Betreiber hätten so weniger Anreize, in Österreich zu investieren, was negative Folgen für die Schaffung eines europaweiten Telekommunikationsmarktes hätte.
Die Kommission bestätigte allerdings zumindest den Ermessensspielraum der TKK bei der Wahl der Kostenberechnungsmethode im Rahmen der Regulierung der Zugangsentgelte. Sie ist jedoch der Auffassung, dass die TKK die Wahl des von ihr verfolgten Ansatzes nicht hinreichend begründet hat. (rnf/pi/apa)
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