Sollte Broadcom mit der Übernahme Ernst machen, würde das das Innovationstempo von VMware hemmen – erwarten Experten. [...]
Kommt der Übernahme-Blockbuster zustande, sollten Unternehmenskunden genau beobachten, wie sich das auf die Innovationsfähigkeit von VMware auswirkt, warnen Experten. Die geplante Akquisition, die vom Wall Street Journal (WSJ) auf ein Volumen von etwa 60 Milliarden Dollar geschätzt wurde, wäre aus finanzieller und markttechnischer Perspektive ein Erfolg für Broadcom.
Der Halbleiterkonzern könnte damit seine jahrelangen Bemühungen, den Softwaremarkt für sich zu erschließen, wesentlich vorantreiben. Der Deal könnte laut WSJ am 26. Mai 2022 offiziell angekündigt werden, wenn VMware seine Geschäftsergebnisse für das erste Quartal des Fiskaljahres 2023 bekannt gibt. Keines der beiden Unternehmen hat sich bislang zu den Übernahmegerüchten geäußert.
„Das Ziel sollte Innovation sein“
Nachdem die amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg zuerst über die mögliche Akquisition von VMware durch Broadcom berichtet hatte, schätzten Analysten des US-Finanzdienstleisters Wells Fargo die Übernahme als „strategisch sinnvoll“ ein. Sie befinde sich im Einklang mit Broadcoms Strategie, seinen Footprint im Bereich Enterprise-Infrasktruktur-Software zu stärken.
Broadcom hat bereits einige Anbieter aufgekauft. Der US-Chiphersteller übernahm
- den Netzwerk-Switching-Anbieter Brocade im November 2016 (knapp 6 Milliarden Dollar),
- den Softwareanbieter CA Technologies im November 2018 (19 Milliarden Dollar) und
- das Enterprise-Security-Geschäft von Symantec im August 2019 (mehr als 10 Milliarden Dollar).
Für 15 bis 20 Millionen Dollar wollte Broadcom auch den Data-Analytics-Spezialisten SAS Institute übernehmen. Der Deal wurde im vergangenen Jahr aber wieder abgeblasen, nachdem die SAS-Gründer Jim Goodnight und John Sall sich anders entschieden hatten.
Einer Bloomberg-Analyse zufolge muss Broadcom im Rahmen des geplanten VMware-Deals möglicherweise mit einem erheblichen Aufschlag auf den aktuellen Aktienkurs rechnen, da andere potenzielle Käufer auftauchen könnten, nachdem die Gerüchte über eine Akquisition von VMware aufgekommen sind. Im Jahr 2021 hatte sich Dell von VMware getrennt – allerdings besitzt Tech-Entrepreneuer Michael Dell weiterhin 40 Prozent der Aktien des Virtualisierungs- und Multi-Cloud-Spezialisten.
Der frühere VMware-CEO Pat Gelsinger (jetzt CEO von Intel), äußerte sich im Interview mit dem US-Sender CNBC zur möglichen Übernahme durch Broadcom: „Wenn es nur um monetäre Interessen geht, dann wäre das keine gute Lösung. Das Ziel sollte sein, einen dynamischen Innovationszyklus zu schaffen.“
„CIOs können besorgt sein“
Anderer Ansicht ist Keith Townsend, Principal bei The CTO Advisor: „Das wäre eine solide Investition für Broadcom und würde gewährleisten, dass der Konzern seine finanziellen Ziele besser erreicht.“ Allerdings gehörten Software-Innovationen und Integrationslösungen nicht zu den Kernkompetenzen von Broadcom, das habe sich schon nach den Akquisitionen von CA Technologies und Symantec gezeigt. „Bei letzterem Deal war zunächst die Rede davon, Verschlüsselung und Datenschutz direkt auf Broadcom-Chips zu integrieren. Seitdem hat man nichts mehr davon gesehen oder gehört“, erinnert Townsend.
Auch Daniel Newman, Chef-Analyst bei Futurum Research, schreibt in einem Blogbeitrag, dass der mögliche Deal auf Seiten der Kunden und der VMware-Technologiepartner mit einiger Besorgnis aufgenommen werde, zumal Broadcom schon gezeigt habe, dass Post-Merger-Integration nicht zu seinen Stärken gehöre. „Angesichts der Bedeutung von VMware für Unternehmensnetzwerke können CIOs durchaus besorgt darüber sein, was mit den Multi-Cloud- und Virtualisierungs-Produkten des Unternehmens unter dem Dach von Broadcom geschehen würde. Ich persönlich finde es aber nicht so besorgniserregend. Broadcom verfolgt bei Übernahmen einen Ansatz, der die Innovatoren nicht immer glücklich macht, aber die Strategie hat bisher funktioniert – vor allem für die Aktionäre.“
In den sozialen Medien gehen die Meinungen über den potenziellen Deal zwischen Broadcom und VMware ebenfalls auseinander:
„Es besteht die Hoffnung, dass eine Übernahme von VMware durch Broadcom zu einer System-on-a-Chip-Integration im Stil von Apples M1 für Edge-Anwendungen führen wird“, meint Analyst Townsend. „Ich glaube aber nicht, dass sich das in absehbarer Zeit zeigen wird. Apple hat Jahre gebraucht und Milliarden investiert, um sein System-on-a-Chip-Design zu perfektionieren. Die Akquisition wäre für die Kunden kein Gewinn, zumindest kann ich keinen wesentlichen Vorteil erkennen.“
*Michael Cooney ist Senior Editor bei der amerikanischen Schwesterpublikation Network World.
**Florian beschäftigt sich mit vielen Themen rund um Technologie und Management. Daneben betätigt er sich auch in sozialen Netzen.
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