Das Buch von Jörg Phil Friedrich setzt sich philosophisch mit künstlicher und natürlicher Intelligenz auseinander und regt zum Denken an. [...]
Obgleich das Buch für Menschen ohne jedes technische Vorwissen in Sachen Künstlicher Intelligenz geschrieben ist, weiß der Autor Jörg Phil Friedrich, wovon er spricht. So hat der 1965 im heutigen heute Mecklenburg-Vorpommern Geborene nicht nur Philosophie, sondern auch Physik und Meteorologie studiert und ist Mitgründer eines Softwarehauses.
In dem Buch geht Friedrich der Frage nach, was künstlicher von natürlicher Intelligenz unterscheidet und warum uns die Ergebnisse heutiger generativer KI-Systeme, wie ChatGPT so begeistern. Die Beispiele und Vergleiche, die er zwecks besserer Anschaulichkeit macht, sind gut gewählt und verständlich und reichen von künstlichen Aromen und Kunstschnee (denen dennoch etwas „Natürliches“ anhaftet bis zu einer künstlichen Blume, die jedenfalls als künstlich betrachtet wird). Überhaupt ist das 125 Seiten umfassende Büchlein für eine breite Zielgruppe geschrieben und verzichtet gänzlich auf philosophische und technische Fachausdrücke.
Zunächst erklärt der Autor den Unterschied zwischen Vernunft und Intelligenz. Danach zeigt er, wie die formalisierter werdende Verwendung der Sprache im Wissenschaftsbetrieb und auch im täglichen Leben die Entwicklung und den Einsatz von generativer KI wesentlich erleichtert hat. Jedenfalls schaffen aktuelle KI-Systeme größtenteils bereits den Turing-Test, was bedeutet, dass Menschen nicht mehr unterscheiden können, ob die von eine KI produzierten Texte von einem Menschen oder von einem Computer stammen.
Unter dem titelgebenden Begriff „degenerierte Vernunft“ ist unserem Verständnis nach eigentlich eine (hoch-)spezialisierte Denkweise gemeint. Diese hat aber in einer technisch-modernen Welt natürlich einen Nutzen. Sicher ist aber, und hier ist dem Autor zuzustimmen, dass so ein Denken insofern eingeschränkt oder limitiert ist als dabei nicht die ganze, mögliche Kreativität und Originalität menschlicher Intelligenz zum Tragen kommt. Ob das Wort „degeneriert“ dabei die beste Wahl ist, sei dahingestellt. Jedenfalls sind nach Ansicht von Jörg Phil Friedrich Originalität, Kreativität etc. genau die Eigenschaften, die den Menschen von der Künstlichen Intelligenz abheben.
Ob es jemals eine Allgemein Künstliche Intelligenz (Artificial General Intelligence, AGI) oder „starke KI“ geben wird, lässt Jörg Phil Friedrich offen, sei aber, wenn überhaupt, erst in weiter Zukunft zu erwarten. Gegenwärtig haben die von der (schwachen) KI ausgegebenen Texte, Bilder oder Musikstücke jedenfalls keine Bedeutung für die KI. Erst durch den Menschen bekommen diese Inhalte Bedeutung und Sinn – oder eben auch nicht.
Das Büchlein ist eine interessante Auseinandersetzung für an Künstlicher Intelligenz und ihrer Bedeutung und Wirkung auf den Menschen Interessierte. Auch wenn es bereits 2023 erschien, ist es durch den philosophischen Ansatz auch heute noch genauso aktuell wie vor einem Jahr.
Jörg Phil Friedrich: Degenerierte Vernunft. Künstliche Intelligenz und die Natur des Denkens.
Claudius Verlag, München 2023;
ISBN 978-3-532-62892-8
Preis: 20,60 Euro
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