Case Study: Der Flughafen Stuttgart und die lebende IT-Dokumentation

Die sogenannte FNT Command Platform sorgt laut Aussendung für effizientes Infrastrukturmanagement von der Planung über die Ausführung bis zur Dokumentation. [...]

Der Flughafen Stuttgart ist einer der größten Flughäfen Deutschlands. (c) Flughafen Stuttgart GmbH
Der Flughafen Stuttgart ist einer der größten Flughäfen Deutschlands. (c) Flughafen Stuttgart GmbH

Der Flughafen Stuttgart ist einer der größten Flughäfen Deutschlands. Durch die Anbindung an Stuttgart 21, den Bahn- und Bus-Fernverkehr sowie die U-Bahn entwickelt er sich immer mehr zur intermodalen Drehscheibe für Reisende. Neben dem Aviation-Kerngeschäft betreibt die Flughafen Stuttgart GmbH zahlreiche Infrastruktureinrichtungen und versorgt über 250 B2B-Unternehmenskunden mit Strom, Wasser sowie Informations- und Kommunikationstechnik, was etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Für beide Geschäftsfelder – Aviation und Infrastruktureinrichtungen – muss der Flughafen ein hochkomplexes Netz aus vielfältigen und teilweise hochkritischen Infrastrukturen betreiben, warten, modernisieren und ausbauen. Hierfür setzt er auf die FNT Command Platform, eine integrierte Software zur Planung und Dokumentation komplexer und hybrider Infrastrukturen. Als „lebende Dokumentation“ hilft sie, die Übersicht über die Vielzahl an Infrastrukturkomponenten aktuell zu halten, damit effizient zu arbeiten, Changes professionell umzusetzen, Störungen schnell zu beheben und den B2B-Kunden optimale Services zu bieten.

Intermodale Drehscheibe im Süden Deutschlands

Am Flughafen Stuttgart starten und landen jährlich über 12 Millionen Passagiere. Die 400 Hektar Flughafengelände beherbergen vier Terminals, 70 Gates, rund 6.000 Quadratmeter Shop- sowie rund 3.800 Quadratmeter Gastronomiefläche und zwei Rechenzentren. Mehr als 55 Airlines fliegen über 140 Ziele an. Insgesamt erwirtschaftete der Flughafen im Corona-Jahr 2020 142 Millionen Euro Umsatz, davon entfielen 66,1 Millionen Euro auf das Luftfahrt-Geschäft und 75,9 Millionen Euro auf andere Geschäftsbereiche. Für Baden-Württemberg ist der Landesairport als Verkehrsdrehscheibe mit über 300 Unternehmen und Behörden am Standort ein entscheidender Mobilitätsfaktor. Die Betreiber haben sich zum Ziel gesetzt, den Flughafen Stuttgart zu einem der leistungsstärksten und nachhaltigsten Flughäfen in Europa zu entwickeln – zum fairport STR.

Ausbau erfordert professionelles Infrastrukturmanagement

Mit Blick auf das geplante Wachstum war schnell klar, dass die vorhandene Dokumentation der IT-Infrastruktur des Flughafens − teils in Papierform, teils als CAD-Pläne, teils als Excel-Listen − langfristig nicht für einen effizienten und zentralen Betrieb geeignet war. Also suchte man nach einer datenbankbasierten Lösung, die gleichzeitig die Planung und die Dokumentation abbilden sollte und als „Single Source of Truth“ fungiert. „Unser Ziel war es, ein fachbereichsübergreifendes Infrastruktur- und Servicemanagementtool zu implementieren, eine sogenannte „lebende Managed Database“, erinnert sich Matthias Kolb, Abteilungsleiter FB IT-Infrastrukturservices bei der Flughafen Stuttgart GmbH. Neben Funktionen für die schnellere Störungsbeseitigung sollte die gesuchte Lösung auch das Kabel- und Trassenmanagement beinhalten sowie für weitere Bereiche skalierbar sein. Für Beratung und Umsetzung zeichnete die Firma Geiger verantwortlich − ein Fachplaner und -berater mit den Kernkompetenzen Rechenzentrums- und Netzwerkinfrastruktur sowie Kabeldokumentation, Infrastruktur-Management und Monitoring und seit über 20 Jahren Partner des Flughafens Stuttgart. Nach einem Proof of Concept (PoC) mit den Lösungen dreier Anbieter fiel die Wahl auf die FNT Command Platform, die viele deutsche und internationale Flughäfen bereits erfolgreich einsetzen. Ausschlaggebend für die Wahl von FNT Command als integrierte Dokumentationslösung war der große Funktionsumfang der Plattform, gepaart mit der Flexibilität, sukzessive einzelne Anforderungen abzudecken. „FNT Command integriert IT Asset Management, Kabel- und Infrastrukturmanagement, Rechenzentrumsmanagement sowie Telecommunication Ressource Management auf einer zentralen und skalierbaren Plattform. Daher ist die Lösung sehr gut für die komplexen Anforderungen von Flughäfen und für eine schrittweise Einführung geeignet“, erklärt Mike Fischer, Prokurist und Senior Consultant der Geiger Data Network Design GmbH.

Augenmerk auf die Implementierung


Aus langjähriger Erfahrung weiß Geiger, dass die beste Dokumentationslösung dann ihren vollen Mehrwert entfaltet, wenn sie optimal implementiert ist. In diesem Fall heißt das: perfekt in die Unternehmensprozesse integriert zu sein. Daher setzt Geiger grundsätzlich auf eine solide sechsstufige Implementierungsstrategie:

  • Schritt 1: Fakten schaffen und priorisieren: Welche Anforderungen haben das Unternehmen, die einzelnen Fachbereiche und weitere Stakeholder? Was ist das Ziel der Dokumentation? Was soll dokumentiert werden und was muss als erstes umgesetzt werden?
  • Schritt 2: Standards und Grundsätze: Nutzerberechtigungen, Nomenklatur und allgemeine Regeln der Dokumentation gemeinsam festlegen.
  • Schritt 3: Proof of Concept: Umsetzen der Dokumentation auf Basis der Standards und Grundsätze in einem abgesteckten, vordefinierten Bereich. Testen, gegebenenfalls nachkorrigieren und Standards anpassen.
  • Schritt 4: Roll-Out in der Fläche: Umsetzen der Best Practices aus dem PoC auf dem gesamten Areal.
  • Schritt 5: Akzeptanz schaffen: Über alle Abteilungen und Stakeholder hinweg schulen, informieren und die Dokumentationslösung vorstellen, um den größten Nutzen für alle zu erlangen.
  • Schritt 6: Eingliederung: Die Dokumentation in die IT- und Geschäftsprozesse des Unternehmens einbinden, um eine lebendige Dokumentation zu gewährleisten.

Implementierung der Dokumentation am Flughafen Stuttgart

Entsprechend des Implementierungskonzepts sammelte das Team um Matthias Kolb gemeinsam mit der Firma Geiger zunächst die Anforderungen aller Beteiligten, priorisierte diese, installierte das System und definierte Standards. Im ersten Schritt erfolgte die Datenerfassung für die physische Hardware, wie zum Beispiel Kabel, Patches, Spleiße und ähnliches. Die definierten Standards wurden zunächst in einem PoC im Rechenzentrum im Flugsicherungsgebäude getestet. Hier war am schnellsten erkennbar, ob die Bezeichnung von Rangierpanels, Patchpanels oder einzelnen Kabeln stimmig sind und schlussendlich alle Anforderungen erfüllt werden können. Anschließend erfolgte der Rollout in mehreren Etappen über einen Zeitraum von drei Jahren. Zunächst wurden sämtliche LWL-Verbindungen und die LWL-Verteilertechnik sowie das tertiäre anwenderneutrale Kommunikationsnetz (AKN) dokumentiert, inklusive der Kupferkabel. In Zahlen heißt dies: 4.429 gebäudeinterne und externe LWL-Kabel, zwei Rechenzentren, 94 sekundäre Konzentrationspunkte, 225 tertiäre Konzentrationspunkte und ca. 15.000 Datenanschlusseinheiten.

FNT Command am Flughafen Stuttgart: Status Quo

Mit der fortschreitenden Aufnahme von immer mehr Komponenten wandelte sich das reine Kabelmanagement zu einem umfassenden Infrastrukturmanagement. Zwischen vier und sechs Mitarbeiter des Flughafens nutzen das System regelmäßig, zwei davon planen fast ständig mit der Lösung. Auch für externe Dienstleister ist die Dokumentation mit FNT Command die beste Lösung: die Software wird nicht nur als Basis zur Ausführungsplanung in Projekten oder als Teil der Auftragsunterlagen bei Kleinmaßnahmen eingesetzt, sondern auch zur Qualitätssicherung und als Nachweis für Abnahmen. „So können unsere Dienstleister ihre erbrachten Leistungen viel schneller abrechnen und ich kann sicher sein, dass alles so umgesetzt wurde, wie es sein soll“, erklärt Matthias Kolb. Zudem ist die Dokumentation aus FNT Command ein fester Teil des Kabelhandbuchs, das der Flughafen externen Dienstleistern zur Verfügung stellt und das ihnen die Orientierung und Angebotserstellung deutlich vereinfacht.

Durch die Schulungen von FNT und die Einweisungen durch die Firma Geiger waren sämtliche interne und externe Stakeholder schnell in der Lage, das System effektiv zu nutzen. „FNT Command ist einfach und intuitiv zu bedienen und wurde von unseren Mitarbeitern schnell angenommen. Diese Akzeptanz erleichterte den Einsatz des Systems und die Einbindung der Dokumentations-Daten in weitere IT- und Geschäftsprozesse“, erklärt Matthias Kolb.

Beispiel Störungsbehebung: Wenn es auf Minuten ankommt

Am Flughafen Stuttgart, der über 250 Läden und Unternehmen mit wichtigen Infrastrukturleistungen wie Energie oder WLAN versorgt, kann schon ein kleiner Ausfall große Auswirkungen haben. Das Ziel ist eine Störungsbehebung noch am selben Tag zu gewährleisten, bei einigen Behörden und Unternehmen sogar nach spätestens 90 Minuten. FNT Command erleichtert diesen Prozess deutlich: Bei einer Störung im Netz zeigt die Lösung direkt den Knoten an, an dem die Störung vorliegt. Daraus lässt sich auf die betroffene Strecke schließen und mögliche Fehlerquellen schnell eingrenzen. Auch die Fehlerbehebung ist deutlich effizienter: Die Servicemitarbeiter kennen den genauen Ort der Störung und alle Daten zum betroffenen Device oder Kabel. So kommen sie schnell und mit den richtigen Werkzeugen zum Einsatz. Auch die Umschaltung auf Ausweichstrecken ist sehr einfach: „FNT Command schlägt beim Erkennen einer Störung bereits alternative Signalwege vor. Mit wenigen Klicks wird umgeschaltet. Früher haben wir für diese Aufgabe Stunden gebraucht“, erinnert sich Matthias Kolb. „Inzwischen sprechen wir von Minuten.“

Von der Dokumentation zur Planung: den Kreis schließen

Einen zusätzlichen Nutzen für den Betrieb der Infrastruktur erzielt man, wenn die in der Dokumentation enthaltenen Daten gleichzeitig als Basis für die Planung von Changes genutzt werden. Dabei wird in der Dokumentationslösung ein SOLL-Zustand (=Plan) definiert. Sobald die Changes umgesetzt wurden, wird nach einer Begehung und Überprüfung vor Ort der SOLL-Plan im Tool auf den IST-Stand gesetzt. Durch diese Einbindung in die IT-Management-Prozesse werden die Daten ganz nebenbei ohne zusätzlichen Aufwand aktualisiert und sind deckungsgleich mit der Realität. Oder, wie Mike Fischer sagt: „Bevor eine Infrastrukturänderung vorgenommen wird, muss diese im System vorgeplant werden. Dies hat zum Vorteil, dass Veränderungen bereits vor der Ausführung dokumentiert sind und die Dokumentation hierdurch zu jedem Zeitpunkt up-to-date ist.“

Projektbeispiel MLAT − Geplant, umgesetzt und dokumentiert mit FNT Command

Die integrierte Nutzung von FNT Command als Planungs- und Dokumentationstool ist wichtig für die abteilungsübergreifende Akzeptanz, die Verbesserung der Datenqualität und die Integration in weitere IT- und Geschäftsprozesse. Denn dann entsteht eine Art „lebende Dokumentation“ – und damit echte Mehrwerte, die das folgende Beispiel zeigt. Das Projekt „Multilaterales Antennensystem“ (MLAT) der deutschen Flugsicherung wurde zu 100 Prozent mit FNT Command geplant, umgesetzt, abgenommen und dokumentiert. Als Campusprovider für die Deutsche Flugsicherung ist die Flughafen Stuttgart GmbH für die sichere Signalverfolgung verantwortlich. Es bestand hoher Zeitdruck: Der Altbestand des multilateralen Radars war dafür nicht mehr ausreichend. Um den neuen Anforderungen des MLAT gerecht zu werden, mussten mehr als 70 Prozent der Strecken neu geplant, verlegt, gepatcht und dokumentiert werden – in Summe waren es mehrere installierte Kilometer. In nur neun Wochen schlossen zwei Mitarbeiter dieses Großprojekt ab − von der Planung über die Durchführung bis zur Dokumentation. „Ohne die Unterstützung durch FNT Command hätten wir für dieses Projekt in der kurzen Zeit wesentlich mehr Personal gebraucht“, kommentiert Matthias Kolb. „Durch FNT Command erleben wir eine echte Effizienzsteigerung.“

Blick in die Zukunft: Dokumentationspläne des Flughafens

Die vollständige Dokumentation der komplexen Infrastruktur des Flughafens Stuttgart ist eine langfristige Aufgabe: Aktuell ist die Aufnahme gebäudeübergreifender Fernmeldekabel im Prozess und soll planmäßig bis Q2 2021 abgeschlossen sein. Weiterentwicklungen stehen auch bei der auf SAP basierenden Configuration Management Database (CMDB) an: Sie soll über eine bi-direktionale Schnittstelle vollständig mit FNT gekoppelt werden. Ein weiterer Schritt ist die möglichst weitgehende Automatisierung der IT Management Prozesse. „FNT Command ist ein effizientes Planungstool, mit dem sich Prozesse abteilungs- und dienstleisterübergreifend steuern und auch automatisieren lassen. Es sorgt für eine große Zeitersparnis und Transparenz, ohne dabei die Datenhoheit zu verlieren. Mit FNT und einer ‚lebenden Dokumentation‘ ist das Infrastrukturmanagement am Flughafen langfristig zukunftssicher aufgestellt.“


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*