Austrian Airlines: Surface Pro 3 statt Pilotenkoffer

Seit Anfang November kommt das Surface Pro 3 im Flugbetrieb der größten österreichischen Airline zum Einsatz. Die Surface Tablets ersetzen die als "Pilotenkoffer" bekannten Papierversionen des Electronic Flight Bag (EFB) – einer mehrere Kilogramm schweren Sammlung an wichtigen Flugdokumenten. [...]

Bei Austrian Airlines wird derzeit ein Projekt umgesetzt, das die Arbeit der Piloten im Cockpit grundlegend ändert – die Ausstattung aller Piloten mit Surface Pro 3 Tablets (hier der Computerwelt.at-Test des Surface Pro 3). „Der Traum des vollständig papierlosen Cockpits, der Ende der 90er Jahre mit dem Einzug der ersten Notebooks in die Pilotenkanzel begonnen hat, wird mit den Surface Tablets von Microsoft nun tatsächlich Wirklichkeit“, erklärt Philipp Haller, Pilot bei Austrian Airlines. Als Electronic Flight Bag Administrator ist Haller auch Leiter des aktuellen Projekts und erzählt: „Die AUA war 1999 europaweit die erste Airline, die Flugunterlagen digital – quasi als Vorläufer der modernen Electronic Flight Bags von heute – für ihre Piloten zur Verfügung gestellt hat. Aufgrund der zahlreichen Vorteile durch den verstärkten Einsatz digitaler statt papiergebundener Pilotenkoffer haben wir den Flugbetrieb im Laufe der letzten Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Jedoch war es uns bisher nicht möglich, den Pilotenkoffer komplett zu ersetzen. Mit den Electronic Flight Bags auf Basis der Surface Tablets ist das jetzt anders.“
 
Die Vorteile des digitalen Pilotenkoffers liegen für Haller, der als Pilot einer Boeing 777 auch auf der Langstrecke im Einsatz ist, klar auf der Hand: „Wir sind nun in der Lage, die Tablets erstmals als ‚echtes‘ Electronic Flight Bag im Flugbetrieb einzusetzen. Im Unterschied zu bisherigen Lösungen wird dabei das Tablet zum ständigen Begleiter des Piloten.“ Das beginnt bereits bei den Vorbereitungen, indem sich die Piloten die aktuellsten Fluginformationen und -dokumente (beispielsweise Flugpläne, Wetterinfos, Positions-, Umwelt und Systemdaten) über eine bestehende Internetverbindung auf das Tablet laden, das sie anschließend mit ins Cockpit nehmen. Dort sind die Surface Pro 3 Tablets – aus Sicherheitsgründen immer mindestens zwei pro Flug – über spezielle Halterungen im Cockpit fixiert. „Durch diese Fixierung sind unsere Piloten nun in der Lage, das am Tablet installierte Electronic Flight Bag erstmals in allen Flugphasen zu verwenden. Das gilt nun insbesondere auch bei kritischen Phasen wie Start, Landung oder im Falle von Turbulenzen.“
 
Austrian Airlines hat sich für die Implementierung eines flächendeckenden Electronic Flight Bags auf Basis von Surface Pro 3 und Windows 8.1 entschieden. Im Zuge des Projekts hat Austrian insgesamt rund 950 Surface Pro 3 Tablets in der Ausstattungsvariante mit 128 GB Speicher, Intel i5 Prozessor und 4 GB RAM angeschafft. Anfang November 2014 wurde mit dem Roll-out der Tablets und der Ausrüstung der Austrian Flotte begonnen. Dazu werden die Cockpits aller Airbus A320, Boeing 767, Boeing 777, Dash 8 Q400 und Fokker Flugzeuge Schritt für Schritt mit EFB-Halterungen ausgestattet, sodass künftig alle Piloten – egal, auf welchem Flugzeugtyp sie fliegen – die Surface Tablets und das darauf installierte Electronic Flight Bag durchgehend im Flugbetrieb einsetzen können. Unterstützt wird die Einführung des neuen Systems durch die Microsoft Partner ACP sowie Danube IT Services.

„Piloten arbeiten zu 95 Prozent ihrer Zeit offline. Mit der Umstellung auf den digitalen Pilotenkoffer hat die Cockpit-Besatzung künftig alle relevanten Informationen für den Flug immer offline mit dabei“, erklärt Philipp Haller. „Das Electronic Flight Bag auf den Microsoft Tablets ermöglicht es uns, eine Vielzahl an Daten, Informationen und flugrelevanten Dokumenten vor Flugantritt aktuell zu synchronisieren, um diese anschließend während des Flugs jederzeit offline griffbereit zu haben. Die unmittelbare Verfügbarkeit von Handbüchern, Kartenmaterial oder Checklisten im Umfang von mehreren tausend Seiten erweitert die Handlungsfähigkeit in der Luft enorm“, bringt Haller die Vorteile aus Sicht eines Piloten auf den Punkt.
 
Ein kleines bisschen Tradition bleibt aber dennoch auch in Zukunft bestehen: „Die Freiheit über den Wolken ist – trotz aller Sehnsüchte – nicht komplett grenzenlos“, so der Pilot, der bereits seit über 16 Jahren für Austrian Airlines in die Luft geht. Denn auch wenn der Inhalt des bisherigen papiergebundenen Pilotenkoffers durch Tablets ersetzt wird, so wollen diese letztlich auch irgendwie transportiert werden. Dass Pilotenkoffer nicht vollständig aus den Cockpits dieser Welt verschwinden werden, hat für Haller außerdem noch weitere Gründe: „Zumindest als Gepäckstück für persönliche Reiseutensilien ist der Pilotenkoffer auch in Zukunft sehr beliebt. Und eines darf man trotz allem nicht vergessen: Selbst wenn mittlerweile alles im Cockpit digital ist, die Pilotenlizenz hingegen wird die Piloten noch länger auch in Papierform begleiten“. (pi)


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