Digitale Transformation bei der Feuerwehr

Moderne Systeme wie jenes der Feuerwehr Recklinghausen liefern in Echtzeit Daten für Rettungseinsätze wie Karten, Gefahrgutinformationen, Kameradaten oder Nachrichten aus dem Social Web. Einsatzleiter und Cheftechniker berichten vom Projekt. [...]

Wenn’s brennt, sind Daten allezeit bereit (c) FF Recklinghausen
Wenn’s brennt, sind Daten allezeit bereit (c) FF Recklinghausen

Der digitale Wandel ist im Beruf und im modernen Haushalt fast schon Realität. Aber wie sieht es bei den Rettungskräften aus? Feuerwehrleute löschen Brände, retten bei Hochwasser und sichern Unfallstellen. Die Einsätze laufen bereits heute hochtechnisiert ab. Die so genannten Einsatzleitwagen (ELW) sind kleine Leitstellen auf Rädern. Die Autos sind sprichwörtlich vollgestopft mit Technik. Über den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben kommunizieren die Feuerwehrleute via Sprache und erhalten Daten von der Leitstelle, wie etwa den genauen Einsatzort.

Einen solchen „ELW“ hatte die Feuerwehr Recklinghausen bis dato auch. Allerdings waren die technischen Möglichkeiten begrenzt. „Mit dem Digitalfunk könnten wir zwar auch einige Daten mobil abrufen, aber die Verbindung ist derzeit noch sehr langsam. Ins öffentliche Internet kommt man damit nicht“, erklärt Lars Meyer, Einsatzleiter der Feuerwehr Recklinghausen. Der alte ELW der Recklinghäuser verfügte zwar bereits über eine Internetanbindung mittels LTE, diese konnte jedoch nur von einem Rechner genutzt werden, die anderen Endgeräte waren nicht miteinander vernetzt.

Einsatzleitwagen als mobiler Always-On-Highspeed-Hotspot

Lars Meyer bildete gemeinsam mit Thorsten Nörenberg, Abteilungsleiter Technik bei der Feuerwehr Recklinghausen, eine Projektgruppe, in der sich Vertreter aller Mitarbeiter beteiligten. Die Ziele der Recklinghäuser Projektgruppe waren ambitioniert. Das alte Einsatzleitfahrzeug musste durch ein neues ersetzt werden, weil sich eine Modernisierung des alten Autos nicht mehr lohnte. Im neuen ELW sollten die Sprache und der Einsatzort, bewusst getrennt von den übrigen Daten, weiterhin über den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben übertragen werden. Für die übrigen Daten strebten Lars Meyer und sein Team eine LTE-Anbindung für unterwegs und eine WLAN-Kopplung an, wenn das Fahrzeug in der Feuerwache steht. Die Datenverbindung – das leuchtet ein – muss nicht nur sicher, sondern auch extrem stabil und performant sein.

Im Einsatzleitwagen wünschte sich die Projektgruppe einen mobilen Hotspot, der den Rechner im Fahrzeug mit einem Tablet und einem großen Monitor im Heck des Fahrzeuges koppelt. Tablet und Monitor sahen Meyer, Nörenberg und ihre Kollegen für Einsatzbesprechungen außerhalb des Wagens bzw. in größerer Runde vor. Und: „Die neue Technik soll von allen Feuerwehrleuten verstanden und getragen werden. Nur so wird sie am Ende genutzt“, wissen die beiden ausgebildeten Feuerwehrbeamten.

Heck-Bildschirm (c) FF Recklinghausen
Heck-Bildschirm (c) FF Recklinghausen

Kompaktheit und einfache Bedienung überzeugten

„Als wir für die Ausschreibung die geforderte Funktionalität niederschrieben, gingen wir davon aus, dass wir eine Systemarchitektur mit mehreren Geräten brauchen würden“, erinnert sich Lars Meyer. Die Feuerwehrleute wollten unter anderem einen Access Point einsetzen, der als Zutrittspunkt des mobilen WiFis agiert und einen Router, der das Umschalten zwischen mobilem Internet und WLAN in der Zentrale übernimmt. Dann traf Meyer auf einer Fachmesse auf Sascha Kremer, Director Carrier Development bei Cradlepoint. Kremer demonstrierte in einem Fachvortrag, wie sich alle Anforderungen des Projektteams aus Recklinghausen mit einem Gerät, dem Cradlepoint-Router IBR1100, erfüllen lassen. Lars Meyer erkannte sofort die Vorteile in puncto Komplexität und Platz – beides wichtige Faktoren angesichts des schmalen Platzbudgets in einem Auto. „Was mich ebenfalls überzeugte: Wenn der Router einmal eingerichtet ist, können das Gerät auch technisch versierte Laien bedienen“, erinnert sich Meyer.

Schlauer Failover sichert Konnektivität und spart Datenvolumen

Im neuen ELW der Feuerwehr Recklinghausen stellt der Cradlepoint IBR1100 ein bordeigenes IP-Netzwerk bereit und verbindet dieses mit dem öffentlichen Internet. Einsatzleitwagen und Leitstelle sind über eine gesicherte VPN-Verbindung gekoppelt. Die Verbindung nach außen erfolgt unterwegs über LTE, als Rückfalllösung auch über 3G oder 2G. Im Router stecken zwei SIM-Karten, jeweils von unterschiedlichen Providern. Sollte eines der Netze ausfallen oder keine Zelle bereitstehen, löst der Cradlepoint-Router ein Failover auf das Netz des zweiten Carriers aus. Das gleiche Szenario passiert, wenn der ELW an die Feuer- und Rettungswache fährt: Sobald das WiFi der Wache sichtbar ist, schaltet der IBR1100 auf WLAN-Modus um. Das schont das Datenvolumen der eingesetzten SIM-Karten.

Innenleben der mobilen Einsatz-Zentrale (c) FF Recklinghausen
Innenleben der mobilen Einsatz-Zentrale (c) FF Recklinghausen

Über die Management-Software des Cradlepoint-Routers bindet Lars Meyer IP-fähige Geräte per Mausklick in das WiFi des ELWs ein. „Aktuell nutzen wir, neben dem PC im Fahrzeug, für Einsatzbesprechungen ein Tablet und einen großen Monitor im Heck unseres Einsatzleitwagens, außerdem befindet sich noch ein Multifunktionsdrucker im Fahrzeug. Diese Geräte sind in einem Netzwerk miteinander verbunden. Durch die Möglichkeit der digitalen Einsatzführung sparen wir in Zukunft nicht nur Papier – Kartenmaterial beispielsweise muss nicht mehr ausgedruckt werden – wir werden auch flexibler, schneller und kommunikativer“, kommentiert Meyer. In den Karten am Tablet kann zum Beispiel gezoomt, gewischt oder gezeichnet werden, Daten unterschiedlichster Quellen, etwa von öffentlichen Kameras oder aus Datenbanken, ja sogar aus den sozialen Medien, stehen auf dem großen Monitor schnell und für alle übersichtlich bereit.

Kameratechnik für einen besseren Überblick

Auch in Zukunft bleiben die Ziele der Feuerwehrleute in Recklinghausen ambitioniert. Lars Meyer sieht IP-fähige Kameratechnik als denkbare Erweiterung des Einsatzleitfahrzeuges: „Über eine flexibel positionierbare Kamera könnten die Kollegen in der Leitzentrale direkt sehen, was am Einsatzort passiert und, wenn notwendig, unterstützend eingreifen. Auch zur Dokumentation wären diese Daten sinnvoll.“ Außerdem denkt die Feuerwehr Recklinghausen mittelfristig über den Einsatz von Drohnen mit Kameras nach. „Bevor wir einen Hubschrauber anfordern, könnten wir erst einmal eine Drohne einsetzen. Das ist viel kostengünstiger. Außerdem ist eine Drohne schnell einsetzbar. Eine integrierte Kamera würde frühzeitig Erkundungsergebnisse liefern, die wir auf dem Boden so eventuell nicht hätten. Zuletzt könnte die Leitstelle über eine VPN-Verbindung auf die Kamerainformationen zugreifen“, erläutert Thorsten Nörenberg die vielen Vorteile.

In puncto Datenverbindung testen Lars Meyer und Thorsten Nörenberg, ob die Zwei-SIM-Karten-Lösung ausreicht. „Da die Recklinghäuser Feuerwehrleute vor allem im Stadtgebiet unterwegs sind, wo wir in 99 Prozent der Fälle eine LTE-Zelle haben, reicht die Zwei-SIM-Karten-Lösung eigentlich vollkommen aus. Theoretisch könnte die Feuerwehr aber auch vier SIM-Karten mit zwei Modems nutzen, um mit zwei Providern zur gleichen Zeit verbunden zu sein. Sie müssten dafür das ‚Modem Dock‘ des IBR1100-Router nutzen“, kommentiert Sascha Kremer von Cradlepoint. Auch eine Failover-Möglichkeit mit einem Satelliten-Modem wurde als zukünftige Ausbaustufe berücksichtigt.

„Wir sind sehr froh, dass die Cradlepoint-Lösung in unserem Fahrzeug verbaut wurde. Sämtliche Netzwerktechnik in einem Gerät – das reduziert die Komplexität enorm und spart Platz und Gewicht. Die Funktionalität erleichtert unsere Arbeit, der Router vernetzt sämtliche Geräte und stellt diesen automatisch eine Internetverbindung zur Verfügung. Auch die intuitive Bedienung des Cradlepoint-Routers mit der zugehörigen Software schätzen wir sehr“, fasst Lars Meyer zusammen.


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