ING gestaltet mit Conversational AI und generativer KI den Kundenservice neu

Die Plattform „Contact Center 2.0“ kombiniert Sprache, Chat und Video mit künstlicher Intelligenz. Sie führt verschiedene Technologien zusammen und verbindet menschlichen und virtuellen Service zu einem verlässlichen Gesamtsystem. [...]

Seit Einführung des Contact Centers 2.0 hat sich die Zahl der weitergeleiteten Anfragen an menschliche Mitarbeitende bei ING deutlich reduziert. Gleichzeitig stieg die Kundenzufriedenheit. (c) stock.adobe.com/AliceHere

ING stand vor einer Herausforderung, die viele große Unternehmen kennen: Die bestehenden Systeme im Kundenservice stießen an ihre Grenzen. Klassische Chatbots konnten einfache Fragen beantworten. Bei offenen oder kontextbezogenen Anliegen mussten jedoch oft Mitarbeitende übernehmen. Gleichzeitig stiegen die Erwartungen der Kundinnen und Kunden. Diese forderten Schnelligkeit, Verfügbarkeit und durchgehend hohe Qualität – unabhängig vom gewählten Kanal.

ING reagierte. Die international tätige Bank mit einer großen, heterogenen Kundenbasis entschied, ihr Contact Center grundlegend neu zu denken. Ziel war es, nicht nur Abläufe zu automatisieren, sondern die gesamte Kommunikation intelligenter und flexibler zu gestalten. Gleichzeitig musste die Lösung den hohen Sicherheits- und Compliance-Anforderungen eines internationalen Finanzdienstleisters entsprechen.

So entstand das Projekt „Contact Center 2.0“. Die Plattform kombiniert Sprache, Chat und Video mit künstlicher Intelligenz. Sie führt verschiedene Technologien zusammen und verbindet menschlichen und virtuellen Service zu einem verlässlichen Gesamtsystem.

Technologie für sichere Kommunikation

Twilio bildet die Grundlage für Sprach-, Chat- und Videofunktionen im ING Contact Center. Die Plattform wurde zentral eingebunden, lässt sich aber flexibel auf die Bedürfnisse einzelner Landesorganisationen zuschneiden. Über die enge Integration mit ING-eigenen APIs wurde Twilio zur Schnittstelle zwischen Kundendialog und internen Prozessen. Diese APIs übernehmen Aufgaben wie Routing, Sicherheitsfunktionen und Compliance-Steuerung. Sie sorgen dafür, dass jede Kundeninteraktion orchestriert, dokumentiert und sicher verarbeitet wird – und dass alle Daten dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

„Twilio ermöglicht uns, komplexe Kommunikationsprozesse standardisiert und trotzdem anpassbar in verschiedenen Märkten umzusetzen. Diese technische Flexibilität ist entscheidend für den Betrieb unseres globalen Contact Centers“, erklärt Ayush Mittal, IT Chapter Lead bei ING.

Virtuelle Assistenz mit System

Das Herzstück der KI-Integration bildet die Virtual Assistant API von ING. Sie verbindet Twilio mit Google Dialogflow und den internen ING-Systemen. Die Plattform erkennt Anfragen, klassifiziert sie und entscheidet, ob sie mit festgelegten Prozessen oder mit generativer KI beantwortet werden. Google Dialogflow analysiert Spracheingaben und steuert den Gesprächsverlauf. Jede ING-Einheit nutzt eigene Konfigurationen, abgestimmt auf Sprache, Inhalte und regulatorische Anforderungen. Die ING-eigenen APIs übernehmen Aufgaben wie Datensicherheit, Zugriffskontrolle und Anbindung an interne Systeme. Die gesamte Orchestrierung läuft zentral über die Virtual Assistant API.

(c) ING

Ein wesentlicher Fortschritt liegt in der Einführung von Large Language Models. Diese erlauben es den virtuellen Agenten, flexibel auf offene oder unerwartete Fragen zu reagieren. Sie greifen auf strukturierte und unstrukturierte Daten zu und passen ihre Antworten dem Gesprächsverlauf an. Durch diese hybride Architektur werden feste, regelbasierte Prozesse mit generativen Elementen kombiniert. Das Ergebnis ist ein realistisches, dialogfähiges und nachvollziehbares Kundenerlebnis.

Verlässliche Antworten aus vertrauenswürdigen Quellen

Einer der zentralen Fortschritte liegt in der Datenanbindung. ING nutzt Retrieval-Augmented Generation (RAG), um sicherzustellen, dass Antworten auf aktuellen, verifizierten Informationen basieren. Die KI greift dabei auf interne Datenbanken und öffentliche Quellen wie Webseiten oder Produktdokumentationen zu. So lassen sich nicht nur tagesaktuelle Informationen liefern, sondern auch Rückfragen vermeiden.

„Die KI kennt nicht nur die richtigen Antworten, sie weiß auch, wann sie nichts sagen sollte. Diese Fähigkeit, zwischen sicher und unsicher zu unterscheiden, ist für uns zentral“, so Mittal. Liegt keine ausreichende Sicherheit vor, wird die Antwort nicht automatisiert ausgespielt. Stattdessen wird sie zur menschlichen Prüfung weitergeleitet. Das schafft Vertrauen auf allen Seiten.

Flexible Reaktionszeiten für bessere Gespräche

Antworten generativer KI sind nicht immer gleich schnell verfügbar. Je nach Art der Anfrage, Komplexität des Gesprächs und eingesetzter Technologie kann die Antwortzeit variieren. ING entwickelte dafür einen Mechanismus zur dynamischen Timeout-Steuerung. Dieser passt die maximale Wartezeit automatisch an. Berücksichtigt werden dabei die durchschnittlichen Antwortzeiten im laufenden Gespräch, die Struktur der Anfrage, der Dialogtyp und der verwendete Dialogflow-Agent.

Das System reagiert damit situationsabhängig. Es bleibt reaktionsfähig und flüssig – auch dann, wenn die KI im Hintergrund mehr Zeit benötigt, um komplexe oder kontextbasierte Antworten zu formulieren.

Sicherheit, Skalierbarkeit und Qualität im Gleichgewicht

Im internationalen Betrieb eines Contact Centers müssen zahlreiche Anforderungen gleichzeitig erfüllt werden. ING betreibt deshalb die Contact Center-Plattform als Multi-Tenant-System. Jede Einheit arbeitet unabhängig und ist technisch isoliert. Ressourcen, Warteschlangen und Datenverarbeitung laufen getrennt. Dadurch bleiben die Abläufe stabil – auch bei hoher Auslastung einzelner Bereiche.

Zusätzlich setzt ING auf automatisierte Tests, Monitoring in Echtzeit und klare Eskalationsregeln. Kritische Fälle werden direkt an menschliche Mitarbeitende übergeben. Jeder Dialog wird dokumentiert und analysiert, um die Qualität kontinuierlich zu verbessern.

Mehr Effizienz und bessere Kundenerlebnisse

Seit Einführung des Contact Centers 2.0 hat sich die Zahl der weitergeleiteten Anfragen an menschliche Mitarbeitende deutlich reduziert. Gleichzeitig stieg die Kundenzufriedenheit. Kürzere Wartezeiten, konsistente Antworten und mehr Transparenz im Prozess tragen dazu bei. „Wir sehen KI nicht als Ersatz für unsere Mitarbeitenden. Sie ist ein Werkzeug, das ihnen Zeit für die wichtigen Fälle verschafft“, sagt Mittal.

Auch betriebswirtschaftlich zahlt sich der neue Ansatz aus. Automatisierte Anfragen sind kostengünstiger, einfacher skalierbar und rund um die Uhr verfügbar. Der ROI der Plattform wird laufend überwacht. Das geschieht unter anderem durch Kundenfeedback, Zufriedenheitsmessungen und die Automatisierungsquote.

Ein System, das mit den Anforderungen wächst

Contact Center 2.0 ist für den laufenden Betrieb optimiert und auf zukünftige Anforderungen vorbereitet. Die Kombination aus Twilio, Google Dialogflow und ING-eigenen APIs schafft eine Plattform, die skalierbar, sicher und kontrollierbar bleibt. Weitere Kanäle, zusätzliche Sprachen und die Ausweitung auf neue Märkte sind bereits geplant. Die Plattform ist darauf technisch und organisatorisch vorbereitet. Der Anspruch ist klar: Automatisierung, die nachvollziehbar bleibt. KI, die dort unterstützt, wo sie sinnvoll ist. Und ein System, das auch in einem regulierten Umfeld dauerhaft verlässlich funktioniert.


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