Pierburg mit neuem Kalkulationstool für SAP: ABAP löst Excel ab

Der Autozulieferer Pierburg kalkuliert Produktkosten direkt mit Daten aus SAP. Klingt trivial. Aber die ABAP-Lösung einzuführen war harte Arbeit. Jetzt soll der Standard auf den Mechatronic-Bereich der KSPG-Gruppe ausgerollt werden. [...]

Ob Magnetventile, Drosselklappen, Ventiltriebsysteme, kombinierte Öl- und Vakuumpumpen, Stahlkolben für Pkw und Nutzfahrzeuge oder Zylinderköpfe und -kurbelgehäuse: Getreu dem Firmenmotto „Clean & Lean“ entwickelt und vertreibt die KSPG AG (vormals Kolbenschmidt Pierburg) aus Neckarsulm Technik für Antriebskomponenten und Motoren, die bei weniger Gewicht, Kraftstoffverbrauch und CO2-Austoß mehr Leistung bringen sollen.
KSPG ist als Entwicklungspartner für internationale Automobilhersteller tätig und betreibt rund um den Globus mehr als 30 Standorte. Pro Jahr erwirtschaftet sie einen Umsatz von rund 2,3 Milliarden Euro. Teil der Geschäfts- und IT-Strategie bei KSPG ist es, auf der Grundlage von SAP-Lösungen die IT-Landschaft des gesamten Konzerns zu konsolidieren, zu standardisieren und zu harmonisieren. Die Kernprozesse in Vertrieb, Einkauf, Produktion, Lagerhaltung und Berichtswesen bildet der Automobilzulieferer in der Geschäfts-software SAP ERP ab.
MEHR ALS 100 POSITIONEN KALKULIEREN
Den Anfang hat IT-Leiter Achim Weber bei der Produktkostenkalkulation der KSPG-Tochter Pierburg gemacht. Je exakter die Kosten von Neuteilen über den gesamten Lebenszyklus hinweg berechnet werden, desto besser wird die Unternehmensleitung bei Entscheidungen unterstützt. Umgekehrt wirken sich jeder Fehler und jede Ungenauigkeit bei der Veranschlagung negativ auf die Unternehmensplanung aus. Die Berechnungen sind komplex. Neben Material-, Herstell- und Gemeinkosten sind auch Aspekte wie Inflationsrate, Zinsen, Währungs- und Volumenschwankungen, Lizenzvereinbarungen oder Rationalisierungen in der Produktion zu berücksichtigen.
Manchmal müssen für eine Baugruppenstückliste 100 oder mehr Einzelpositionen berechnet werden. Diese Kalkulationen erstellt das zentrale KSPG-Controlling auf der Grundlage von Zahlen, die ihm die Fachbereiche Entwicklung, Einkauf oder Produktion zuspielen. Die Controller erarbeiten daraus für die Vertriebsleitung eine Angebotskalkulation, die Mindestpreis und Zielmarge für die Preisverhandlungen mit dem Kunden enthält. Parallel dazu bekommt das Management eine interne Kalkulation für die finanzielle Unternehmensplanung und -steuerung.
MEHR KALKULATIONSSICHERHEIT UND TRANSPARENZ
Führte man diese Kalkulationsprozesse bisher in einer selbst entwickelten Microsoft-Excel-Lösung außerhalb des SAP-Systems durch, laufen sie jetzt über ein ABAP-basiertes Tool des SAP-Partners T.CON, das schnittstellenfrei in SAP eingebunden ist. Es führt alle SAP-Daten, die zur Berechnung der Produktkosten nötig sind, zentral zusammen, die sich somit konzernweit einheitlich kalkulieren und miteinander vergleichen lassen. Das IT-Werkzeug wurde in zehn europäischen und in den US-amerikanischen Werken implementiert sowie in sechs weiteren Produktionsstätten außerhalb Europas.
„Durch die Einführung des neuen Kalkulationstools verfolgen wir unseren Weg zur Erhöhung der Kalkulationssicherheit und der Transparenz konsequent weiter“, erklärt Thomas Bartels, Senior Vice President Controlling bei der Pierburg GmbH. „Wir können jetzt eine Projektkalkulation mit allen Parametern archivieren und parallel allen Beteiligten weltweit zur Verfügung stellen. Dadurch erzeugen wir eine von allen Fachbereichen nutzbare Datenbasis, die es uns ermöglicht, Abweichungen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.“
Das Controlling kann die Daten, die von den Fachbereichen aus den angeschlossenen Werken zu Kalkulationszwecken bereitgestellt werden, jederzeit nachvollziehen und auf Plausibilität prüfen oder die Kalkulationshistorie nachverfolgen. Ebenso können Kalkulationen aus verschiedenen Werken direkt miteinander verglichen werden. Die Parameter dafür sind durch zentrale Einstellungen festgelegt. So erhält das Management für die Planung der künftigen Geschäftsentwicklung aussagekräftige Informationen zu Plan- und Ist-Kosten und zu Angebotspreisen.
Auch die Endanwender aus den Fachabteilungen profitieren: Gibt zum Beispiel ein Mitarbeiter aus der Produktentwicklung die Materialpreise für die Bauteile einer neuen Vakuumpumpe in die Lösung ein, fließen diese Daten direkt in das SAP-System und werden dort verarbeitet. Sie lassen sich umgehend von anderen Fachbereichen und dem Controlling weiterbearbeiten, korrigieren oder ergänzen. Daraus soll in Zukunft konzernweit eine Wissensbasis für die Produktkostenkalkulation entstehen.
Ein Berechtigungs- und Zugriffskonzept sorgt dafür, dass die Endanwender aus den Fachbereichen nur Zugriff auf Daten erhalten, die sie gemäß ihrer Rolle benötigen. Jeder Eingabewert muss durch den jeweiligen Vorgesetzten geprüft und freigegeben werden. Erst dann kann das Controlling den Wert auch für die Kalkulation nutzen.
PREISE ANTIZIPIEREN
Darüber hinaus lassen sich in der Cockpit-Lösung die Preise für ein neues Bauteil schon in einer sehr frühen Entwicklungsphase und mit nur wenigen Positionen kalkulieren. Das ist immer dann wichtig, wenn ein OEM Komponenten für ein Modell ordert, das erst in ein paar Jahren in Serie produziert wird.
Die neuen Materialien oder Werkstoffe, für die es im SAP-System noch keine Materialnummern gibt, können als Platzhalter mit einem Schätzpreis und weiteren Informationen, etwa zu Gewichten, Zöllen oder Transportkosten, angelegt werden. Die Daten in diesem „Material-Dummy“ werden im Zuge der Produktentwicklung laufend verfeinert und durch die endgültigen Informationen ersetzt, sobald diese in SAP in den Materialstammdaten hinterlegt sind.
Künftig will man bei KSPG auch die Mapping-Funktionen der neuen Lösung nutzen und die Berechnungen automatisiert an die Kalkulationsschemata der OEM anpassen und per Mausklick in deren Cost-Breakdown (CBD)-Vorlagen übertragen.
* Andreas Schaffry ist Redakteur der deutschen CIO.


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