Minutenlange Wartezeiten und fehlerhafte Abrechnungen waren in der Henkel Verkaufsförderung lange ein Hemmschuh. Mit der Einführung einer SAP BTP basierten Lösung kann der Konsumgüterhersteller das Blatt wenden – und liefert heute Abfrageergebnisse in Sekunden. [...]
Somat, Pritt, Fa – hinter diesen und hunderten weiterer Marken des Konsumgüterherstellers Henkel stehen 20 Milliarden Euro Umsatz allein im Jahr 2021. Ein Teil der Produkte aus den drei Unternehmensbereichen Adhesive Technologies, Beauty Care und Laundry & Home Care findet dabei über den Einzelhandel seinen Weg zu den Konsumentinnen und Konsumenten in aller Welt. Vom Supermarkt um die Ecke über den Friseurladen in der City bis zu den Online-Shops im Internet geht die Zahl der Einzelhandelsunternehmen, die Henkel-Produkte führen, allein in Deutschland in die Hunderttausende.
Nur, wer sich diese Dimensionen des ganz normalen Alltagsgeschäftes bei Henkel vor Augen führt, kann die Bedeutung von Henkel SPARC (=Sales Promotions and Revenue Cloud) für den Konzern nachvollziehen. Die Inhouse-Lösung erlaubt dem Unternehmen seit dem Go-live im Mai 2021, deutschlandweit sämtliche Maßnahmen zur Verkaufsförderung umfassend zu planen, zu kontrollieren und zu optimieren. „In den vergangenen fünfzehn Jahren haben wir diverse Lösungen ausprobiert, um unsere Verkaufsförderungsmaßnahmen transparent und nachvollziehbar darzustellen und zu steuern“, erklärt Leonardo Lopez, Program Manager & Head of dx TPM (Trade Promotion Management) bei Henkel. „Doch bei den am Markt erhältlichen Lösungen hat es sich stets um Standard-Tools gehandelt, die unsere komplexen Prozesse nur unzureichend abbilden konnten. Und obwohl wir zahlreiche verschiedene Tools eingeführt haben, haben wir das Ziel nie erreicht.“
Hochkomplexe Prozesse in der Verkaufsförderung verlangen individuelle Lösung
Die Verkaufsförderung ist bei Henkel ein sensibles Instrument der Preisfindung mit gravierenden Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis. Die so genannte „Line 6“ – so die interne Bezeichnung für die Gesamtheit aller Discounts und Rabatte – ist deshalb von strategischer Bedeutung für den Konsumgüterhersteller. Im Prinzip und extrem vereinfacht beschrieben, handelt es sich dabei um Rabattaktionen, wie viele sie aus den Vielfliegerprogrammen kennen: Der Retailer kauft ein Henkel-Produkt ein und sammelt im Verkaufsprozess „Meilen“ – so genannte Accruals – auf Basis lokaler, saisonaler oder anderer Sales Promotions, die ihm bei der Endabrechnung wiederum vergütet werden.
Allein die schiere Masse verleiht dem Management der „Line 6“ seine enorme Komplexität: Die Höhe der Rückerstattung hängt ab von der Hierarchieebene des Handelspartners – deutschlandweiter, regionaler Händler usw. – sowie von der Hierarchieebene des Produktes – Kategorie, Gebinde, Duftnote usw. Die Verknüpfung aller Händler und Produkte der unterschiedlichen Hierarchieebenen ergibt einen Baum mit Billionen an Kombinationsmöglichkeiten. „In unserem alten User Interface musste ein Key Account Manager auf eine Gewinn- und Verlustrechnung für eine bestimmte Kombination von Kunde und Produkt mehrere Minuten warten“, erläutert Lopez.
SAP Business Technology Platform ist der Grundstein für mehr Geschwindigkeit
Vor dieser Projekthistorie setzt Sascha Wirtz, seit 2020 CVP Consumer, Customer & Markets bei Henkel dx, auf einen kompletten Neustart beim Management der Line 6: „Um unser Ziel zu erreichen, gab es keinen anderen Weg, als selbst ein plattformbasiertes Tool zu entwickeln, das unseren Bedürfnissen hundertprozentig entspricht“, sagt Wirtz. „Es wurde schnell klar, dass dafür nur Cloud Technologie in Frage kommt, die große Datenmengen zuverlässig (#GiveDataPurpose ) verarbeiten kann.“ Zugleich will Wirtz bewährte Bausteine, wie bestimmte Berechnungsroutinen, möglichst in die neue Lösung übernehmen, um Zeit und Kosten zu sparen. Da die TPM-Prozesse bei Henkel über zahlreiche kritische Schnittstellen bereits stark mit dem SAP ECC 6.0 integriert waren, kristallisierte sich rasch die SAP Business Technology Platform (SAP BTP) als optimale Plattform für das Vorhaben heraus.
Auf Basis der SAP BTP konnte Henkel zuvorderst die bestehenden komplexen Strukturen und Berechtigungskonzepte aus dem SAP ERP umdenken und damit eine brandneue, innovative und wertschöpfende Sales App mit einem attraktiven, intuitiven User Interface entwickeln. Vorgefertigte Integrationen und Schnittstellen zur SAP-Welt sowie moderne, kollaborative Entwicklungswerkzeuge auf der Grundlage der In-Memory Datenbank SAP HANA machen es möglich – alles auf einer einzigen Plattform, die zugleich eine zentrale Governance und Security bereitstellt.
Preisdifferenzen gehören der Vergangenheit an
Mit der neuen Henkel SPARC-Lösung liegen Accruals-Berechnungen nun bereits in Sekunden vor. Der Accrual Management Prozess läuft jetzt nicht mehr wie zuvor im ERP-System, sondern in der Cloud; der dahinterliegende Algorithmus läuft auf der In-Memory-Datenbank SAP HANA Cloud, was einen erheblichen Geschwindigkeitszuwachs gebracht habe.
Schnellere Ergebnisse konnten auch durch Änderungen in der Applikationslogik erzielt werden: Eines der Module der Lösung – das Promotion Planning Modul – arbeitet zum Beispiel auf Basis von Vorberechnungen: Bestimmte, häufig vorkommende Kombinationen von Hierarchien werden nicht online, sondern bereits vorab berechnet und vorgehalten. Bei Bedarf fließen diese Zwischenergebnisse direkt in die Planung von Promotionmaßnahmen mit ein.
Deutlich performanter ist heute auch der Claims-Prozess – zum Vorteil der vielen Henkel-Handelspartner. Hat ein Händler die erforderliche Anzahl von Accruals gesammelt, kann er sie per Claims in Rechnung stellen. In der alten TPM-Welt konnte bei der Bearbeitung der Claims bereits ein Klick mehrere Minuten Wartezeit bedeuten. Unter Henkel-SPARC lassen sich die Forderungen der Händler in Echtzeit abrufen und abrechnen. „Wir haben jetzt auch – zur Freude unserer Kunden – viel weniger Preisdifferenzen zwischen der Promotion-Planung und der Abrechnungen“, erklärt Lopez. „Einfach, weil die Schnittstellen jetzt so robust sind, dass jede Preisänderung sofort zuverlässig im SPARC-System auftaucht.“
Gerade einmal acht Monate hat die initiale Umsetzung von SPARC gedauert. „Die hohe Geschwindigkeit war eine gewaltige Herausforderung“, räumt Lopez ein. „Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich das Projekt praktisch alleine begonnen habe und wir zunächst ein Team mit SAP BTP-Knowhow aufbauen mussten. Hier hat unser Partner Bearing Point wichtige Aufbauarbeit geleistet und uns geholfen, innerhalb weniger Tage ein ganzes Team aufzubauen und das Projekt aufzusetzen.“
Schnelle Umsetzung dank agilem Ansatz und Einbinden des Business
Zwei weitere Faktoren waren entscheidend, das Projekt in wenigen Monaten realisieren zu können. Zum einen die Herangehensweise nach dem so genannten „Macintosh-Approach“. Das Prinzip: Die Team-Mitglieder arbeiten Vollzeit mit vollem Fokus an dem Projekt und mit dem Ziel innerhalb weniger Wochen einen ersten (SPARC)-Prototypen zu präsentieren. Danach wird das Tool agil erweitert mit einer neuen Applikationsversion alle zwei Wochen. Die Organisation des Teams nach dem BizDevOps-Prinzip – und das ist Erfolgsfaktor Nummer zwei – sorgt außerdem dafür, dass IT- und Business-Knowhow gleichermaßen in das Projekt einfließen und die Team-Mitglieder auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Nach der Einführung von SPARC in Deutschland läuft nun der weltweite Roll-out des Tools über alle drei Geschäftsbereiche hinweg – Adhesive Technologies, Beauty Care, Laundry & Home Care – an, aktuell in Iberica & Benelux. Danach folgen Nordamerika, Australien & Neuseeland, Polen, Österreich, Italien, Frankreich und UK. „Unser Ziel ist es, im nächsten Schritt 70 Prozent der Line 6-Prozesse weltweit abzudecken“, erklärt Lopez. Für den Programm Manager und sein Team bedeutet das vor allem, die Skalierbarkeit des Tools zu gewährleisten. „Statt zwei bis dreitausend Promotions pro Jahr im Bereich Beauty Care Deutschland, sind künftig bis zu 200.000 Promotions weltweit zu steuern.“ Dabei weichen die Prozesse in den einzelnen Ländern zudem nicht unerheblich voneinander ab. So gehören etwa zu Spanien zahlreiche Inseln mit abweichenden Mehrwertsteuerregeln. Auch Eigenheiten wie diese werden beim globalen Roll-out des Tools zu berücksichtigen sein.
Digitalisierung als Schlüssel für die eigene Wettbewerbsfähigkeit
Ist SPARC dann in allen Zielländern im Einsatz, sind alle Business-Anforderungen umgesetzt und können alle Geldströme der Line 6 zuverlässig nachverfolgt werden, dann werde es noch einmal richtig spannend, betont Lopez. In der zweiten Projektphase gehe es dann an die Optimierung der Promotion-Maßnahmen. „Dann können wir prüfen, welche Verkaufsförderungsmaßnahmen in welchem Zeitraum am erfolgreichsten waren und unsere Promotion-Strategie nicht nur anpassen, sondern strategisch planen und ausrichten“, so Lopez. „Dann kommen auch Tools aus Analytics und Big Data für wertvolle Insights voll zum Tragen.“
Sascha Wirtz betrachtet das Thema aus der strategischen Perspektive: „Mit SPARC wurden grundlegenden IT-Anwendungen komplett transformiert. Durch die Implementierung neuer Konzepte, kam es zu einem Paradigmenwechsel. Zu einem sprechen wir hier von einer BizDevOps-Organisation, in der wir unsere Kräfte seitens IT, Digital und Business bündeln. Zum anderen nutzen wir den sogenannten MacIntosch-Ansatz, in dem sich ein dezidiertes Team hundertprozentig auf das entsprechende Projekt fokussiert und so schnelle Resultate erzielen kann“, resümiert Wirtz.
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